1630,65 Franken Strafe für 1. Mai-Demonstrant*innen

Nach der unbewilligten Demo am Tag der Arbeit war die Polizei für ihren laschen Umgang kritisiert worden. Alles andere als lasch: Der Strafbefehl für 50 Demo-Teilnehmer*innen.

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Demo-Szene vom 1. Mai, hier an der Klybeckstrasse, Nähe Offenburgerstrasse.

Es war die erste Strassendemonstration während des Lockdowns in Basel: Rund 400 Personen versammelten sich am 1. Mai 2020 trotz des Versammlungsverbots des Bundesrates auf der Klybeckstrasse, um den traditionellen Tag der Arbeit zu begehen. Die Marschroute führte vom Kleinbasel über die Mittlere Brücke und den Marktplatz die Freie Strasse hinauf und über die Wettsteinbrücke zurück ins Kleinbasel. 

Auf der Wettsteinbrücke löste sich die Demonstration auf. Die Polizei hatte sich «aus Gründen der Verhältnismässigkeit» im Hintergrund gehalten, wie ein Sprecher des JSD nach der Demonstration gegenüber SDA/Keystone sagte. Beamt*innen der Stadtpolizei hätten aber am Rand des Demonstrationszugs 50 Personen kontrolliert und unter anderem wegen Störung der Verkehrsbetriebe, sowie dem Verstoss gegen die Covid-19-Verordnung 2 verzeigt. 

Nun haben die 50 Personen Post von der Staatsanwaltschaft erhalten. Die Sanktionen umfassen je 300 Franken Busse, Auslagen von 1080,65 und Abschlussgebühren von 250 Franken. Mehrere Strafbefehle liegen Bajour vor.

Macht total: 1630,65 Franken. Aus Sicht der Betroffenen ein teurer Sonntagsspaziergang.

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Auszug aus einem Strafbefehl. Der mit Abstand höchste Posten, die «Auslagen», stütze sich «auf die Gebührenverordnung der Strafverfolgungsbehörden» und stehe andrerseits «in Zusammenhang mit dem Polizeieinsatz», sagt Peter Gill, Sprecher der Staatsanwaltschaft auf Anfrage.
«Ich war schockiert, als ich die Höhe des Betrags gesehen habe.»

– sagt eine Demonstrationsteilnehmer*in, die*der eine halbe Stunde nach dem Ende der Demo vor einer Imbissbude im Kleinbasel kontrolliert worden war. Ihren Namen will die Person aus «Angst vor politischer Repression» nicht öffentlich machen.

Ein anderer Demo-Teilnehmer hatte sich noch vor Ort in einer kleinen Gruppe aufgehalten, als er von drei Polizist*innen aufgefordert wurde, sich auszuweisen. «Wir fühlten uns nicht schuldig, denn wir waren zu diesem Zeitpunkt nur fünf Personen und hatten uns meistens an die Zwei-Meter-Abstandsregel gehalten. Dann kam die Polizei und nahm unsere Personalien auf. Alle fünf haben so eine Busse erhalten.» Der Mann sagt, er habe während der Demonstration zeitweise ein Bandana um den Mund und Nase getragen. «Die meisten Teilnehmer*innen der Demo hatten an diesem Tag eine Atemmaske an.»

Eine dritte Person vermutet, sie wurde aufgrund ihrer eingerollten Fahne von der Polizei erkannt und darum kurz nach der Demonstration in der Hammerstrasse kontrolliert. Auch sie ist überrascht über das Strafmass und vergleicht es mit der Übertretungsanzeige gegen 280 Personen, die während des Frauen*streiks am 14. Juni auf der Johanniterbrücke kontrolliert worden waren. 

Dort wurde das «Sichaufhalten in einer Menschenmenge» als Übertretung gemäss der Covid-19-Verordnung 2 gebüsst. Höhe der Busse: 100 Franken. 

Zwei Demos, zwei Verordnungen

Die Verordnungen des Bundesrates waren allerdings während der beiden Demonstrationen nicht dieselben.

Während am 1. Mai Menschenansammlungen mit mehr als fünf Personen verboten waren und bei bis zu fünf Personen ein Abstand von mindestens zwei Meter gewahrt werden musste, hatte der Bundesrat politische Kundgebungen mit bis zu 300 Personen per 6. Juni (also rund eine Woche vor dem Frauenstreik) wieder erlaubt

Das Vorgehen der Polizei unterschied sich auch hinsichtlich des Umgangs mit der Demo-Situation. 

Während die Polizei am 14. Juni einschritt, die Demo auf der Johanniterbrücke einkesselte und die Teilnehmer*innen einzeln kontrollierte, fotografierte und büsste, war am 1. Mai aus «Gründen der Verhältnismässigkeit» (Polizeisprecher Toprak Yerguz) während des Umzugs nicht eingegriffen worden. Erst im Nachgang haben Kontrollen stattgefunden. Wobei offenbar aufgrund sichtbarer Indizien wie dem Mitführen von Fahnen oder anderen Dingen, die als Demonstrationsutensilien interpretiert wurden, Einzelpersonen und Gruppen angehalten worden waren. 

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Demo-Szene vom 1. Mai an der Klybeckstrasse.

Die Kostenfrage

Stellt sich die Frage: Warum «kostet» die Teilnahme an der einen unbewilligten Demo 100, die an der anderen über 1000 Franken?

Die Kosten nach der 1. Mai-Demo stünden «im Zusammenhang mit dem Polizeieinsatz», kommentiert der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Peter Gill, knapp. Sie stützten sich auf die Gebührenverordnung der Straverfolgungsbehörde. Weitere Auskünfte könnten keine erteilt werden, da es sich um hängige Verfahren handle.

Toprak Yerguz, Sprecher der Kantonspolizei Basel-Stadt hatte nach dem Polizeieinsatz an der Frauen*streik-Demo vom 14. Juni zur «bz» gesagt, die Polizei habe «aus Opportunitätsgründen bei den meisten Frauen darauf verzichtet, sie wegen weiterer Delikte bei der Staatsanwaltschaft zu verzeigen».

Die Beschuldigten haben Einsprache erhoben

Im Zusammenhang mit der 1. Mai-Demonstration werden aktuell 50 Verfahren von der Staatsanwaltschaft bearbeitet, sagt die Stawa auf Anfrage. Die Strafbefehle seien allerdings noch nicht rechtskräftig.

Ein Teil der Beschuldigten haben beim Strafgericht Einsprachen erhoben.

Die Demonstration vom 1. Mai hatte in den Medien und der Politik zu hitzigen Debatten geführt. Während die Demonstrierenden, darunter BastA!-Grossrätin Tonja Zürcher, auf das Grundrecht der Meinungsäusserungsfreiheit pochten, war der Verstoss gegen die Covid-Schutzmassnahmen von Kommentator*innen in den Medien und Politiker*innen aus dem ganzen politischen Spektrum verurteilt worden. Auch die Parteipräsidenten der Grünen, Harald Friedl, und der SP, Pascal Pfister, hatten die Demonstration im «SRF-Regionaljournal» als «unverantwortlich» bezeichnet.

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Bei Bajour als: Reporter und Redaktor

Hier weil: da habe ich die Freiheit, Neues anzupacken und unkonventionell zu arbeiten, ohne über sieben Hierarchiehürden zu springen. Das ist toll. Gleichzeitig macht diese Freiheit natürlich Angst, und das wiederum schweisst zusammen. Darum bin ich auch hier. Wegen des Teams.

Davor: Bei der TagesWoche und davor lange Jahre an der Uni mit Germanistik & Geschichte.

Kann: Ausschlafen.

Kann nicht: Kommas.

Liebt an Basel: Die Dreirosenbrücke. Das Schaufenster des Computer + Softwareshops an der Feldbergstrasse Ecke Klybeckstrasse. Das St. Johann. Dart spielen in der Nordtangente. Dass Deutschland und Frankreich nebenan sind.

Vermisst in Basel: Unfertigkeit. Alles muss hier immer sofort eingezäunt und befriedet und geputzt werden. Das nervt. Basel hat in vielem eine Fallschirmkultur aus der Hölle. Absichern bis der Gurt spannt. Ich bin schon oft aus Versehen eingeschlafen.

Interessensbindung: Vereinsmitglied beim SC Rauchlachs.

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