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Bolzplatz

Fussballerinnen sind doch keine Barbiepuppen!

Exklusive Fussballschuhe, eigene Barbiepuppen, Werbeverträge – US-Fussballerinnen werden zu Stars stilisiert. Die Schweiz kennt das nicht. Noch nicht.

09/05/20, 10:24 AM

Aktualisiert 09/05/20, 10:29 AM

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Der Kommerz hat den Fussball fest im Griff. Da sind sich alle einig. Auf die grossen und kleinen Auswüchse der Monetarisierung des runden Leders trifft man überall. Da die PSG-Trainerhose der Sek-Schülerin, dort das Pay-TV-Abo ihres ballverliebten Lehrers und der Sponsorenanlass in der Loge des neugebauten Stadions, an dem ihre Eltern das Bier des Hauptsponsors zusammen mit den Mini-Hamburgern des Exklusiv-Caterers geniessen.

Philipp Köster, der Chefredakteur des Fussball-Magazins «11 Freunde» hat einmal geschrieben: «Den Fussball vor überbordendem Kommerz zu retten, ist so aussichtsreich, wie zu versuchen, ein tiefgefrorenes Hähnchen wiederzubeleben.» Hat was.

Dürfte ich ein solches Hähnchen wiederbeleben, würde ich das «Nati A»-Hähnchen zum Leben erwecken – und im Gegenzug müsste das «Super League»-Hähnchen in die Gefrierschublade.

«Den Fussball vor überbordendem Kommerz zu retten, ist so aussichtsreich, wie zu versuchen, ein tiefgefrorenes Hähnchen wiederzubeleben.»

Philipp Köster, Chefredakteur von 11 Freunde

Klar, es ist nur die Bezeichnung einer Liga und klar, englische Namen sind hip, aber eine Mischung aus Kindheitserinnerungen und Fussballromantik wecken in mir das Verlangen nach einem stinknormalen Namen wie «Nationalliga A» oder von mir aus «1. Liga».

Nichts für Fussballromantiker*innen

Die Verwendung englischer statt deutscher Liga-Bezeichnungen ist nicht per se Ausdruck des Kommerzes. Dass diese Bezeichnungen wohl gewählt wurden, weil sie in Kombination mit dem Firmennamen des Liga-Hauptsponsors einfach besser tönen, schon eher.

Neustes Beispiel: Aus der «Nationalliga A» wurde bei den fussballspielenden Frauen die «Women’s Super League» – gesponsert von einer grossen Schweizer Versicherungsgesellschaft. Schade, sagt der Fussballromantiker in mir. Gut, sagt jener Teil in mir, der findet, dass der Fussball der Frauen in der Schweiz mehr Beachtung und mehr Geld erhalten sollte.

Be a Bajour girl.

Mit der Neu-Lancierung der höchsten Schweizer Liga gibt es nicht nur Geld vom neuen Hauptsponsoren, sondern auch erhöhte mediale Präsenz. Gar Spiele im Fernsehen oder als Livestream beim öffentlich-rechtlichen Sender. Sind wir nun Zeug*innen der Kommerzialisierung des Frauenfussballs in der Schweiz?

Sagen wir mal: vielleicht ein bisschen. Ganz schweizerisch werden kleine Schrittchen gemacht. Ganz anders als beispielsweise in den USA, wo der grosse Hype um den «Soccer» in den 1990er-Jahren nicht nur an der Männer-WM 1994, sondern auch an der Frauen-WM 1999 zu spüren war.

Stars und Stärnli

Und die Amerikaner*innen machten, was sie am besten können: Sie kreierten Stars, zu denen man aufschauen konnte und die ein ideales Bild für Werbetreibende abgaben. Mia Hamm zum Beispiel. Die Stürmerin wurde zur Vorzeige-Fussballerin und dies machten sich bekannte Firmen zunutze: Neben einem exklusiven Mia Hamm-Fussballschuh, gab es eine Mia Hamm-Barbiepuppe und schliesslich mass sie sich mit dem grössten männlichen Sport-Star der Zeit – Michael Jordan – in einem Werbespot für einen Getränkehersteller in den verschiedensten Sportarten.

Und in der Schweiz? Als Ende der 1960er-Jahre die ersten Frauenteams gegründet wurde, begegnete man(n) diesen mit einer Mischung aus Skepsis, Überheblichkeit und Nichtbeachtung: Fussballspielende Mädchen. Ob das wohl eine Zukunft habe?

Die Bolzplatz-Autoren Michael Jucker und Simon Engel haben kürzlich über die Entstehungsgeschichte des Frauenfussballs in der Schweiz geschrieben. Vermarktung, Sponsoring oder gar Stars unter den Fussballerinnen? Lange Zeit Fehlanzeige.

Bei Verpflichtung der Ski-Olympiasiegerin Marie-Theres Nadig spielte beim Präsidenten des Damenfussballclubs Zürich in den 1970er-Jahren sicherlich die Hoffnung mit, sie würde die eine oder andere Zuschauerin mehr anlocken und so die Clubfinanzen etwas aufpolieren. Die grosse Wirkung blieb aber aus. Und so frönte der Schweizer Frauenfussball auch in Sachen Kommerz lange einem Nischendasein. Gerade in den letzten Jahren ist aber einiges gelaufen.

Die Frauen vom FC Blue Stars Zürich 1973. (Quelle: Archiv FCZ-Museum.)

Die Frauen vom FC Blue Stars Zürich 1973. (Quelle: Archiv FCZ-Museum.)

Kommerz-Pionier aus Basel?

Die Frauenteams wurden in die grossen Clubs integriert, die auch bei den Männern vorne mitspielen. Einzelne Fussballerinnen mischen auf dem Werbemarkt mit, so hat beispielsweise die Nationalspielerin Alisha Lehmann zwar keine eigene Barbiepuppe, aber über eine Million Follower*innen auf Instagram.

Diese Reichweite weckt Begehrlichkeiten. Und schliesslich hat die höchste Liga der Schweizer Fussballerinnen nun einen Namenssponsor. Wie gesagt, alles Entwicklungen der jüngsten Vergangenheit.

Umso mehr erstaunt ein Inserat aus der NZZ vom 6. Juni 1981, in dem der Basler Reiseveranstalter Guarnaccia für eine Reise ans Länderspiel der Schweizerinnen in Norwegen wirbt.


Drei Tage in Oslo, Flüge, Tickets fürs Spiel, Hotel und Transfers – alles im Preis von 759 Franken inbegriffen. «Wir unterstützen unsere Nationalmannschaft mit unserem Spottpreis!», schreibt Guarnaccia, der sich im Inserat auch als «Sponsor des Nat. Damenfussballs» bezeichnet.

Ein Basler Reisebüro als Pionier in Sachen Fussballreisen zu Länderspielen der Frauen? Erste Anzeichen der Kommerzialisierung des Schweizer Frauenfussballs? Es dürfte sich wohl eher um einen Versuch des umtriebigen Geschäftsmanns Guarnaccia gehandelt haben, seinen Namen weiter bekannt zu machen, hatte er doch bereits einige Jahre zuvor als erster Sponsor die Trikots des FC Basel geziert.

Dass sich in den nächsten Jahren mit Reisen zu Spielen des Nationalteams Geld verdienen lässt und ob die Kommerzialisierung des Frauenfussballs sich auch in der Schweiz weiter voranschreitet, scheint wahrscheinlich. Ein erster Schritt wurde bereits getan: Die Liga hat einen Sponsor – und einen englischen Namen. Na, super!

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