«Zu viele Spitzenspielerinnen verdienen keinen Rappen.»

Im Rahmen der Frauen-Fussball-EM will der Kanton den Mädchen- und Frauensport fördern und hat einige Massnahmen bekannt gegeben. Warum es mehr als das braucht und welche Änderungen wirklich etwas bringen würden, erzählt die Co-Präsidentin der Kommission Frauenfussball beim Fussballverband Nordwestschweiz, Vera Gmür, im Interview.

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Es braucht im Fussball gute Projekte und Angebote, um die Begeisterung der Mädchen zu entfachen, findet Vera Gmür. (Bild: zvg/Adobe Collage: Bajour)

Verdoppelung der Anzahl Frauen in allen Positionen und Kunstrasen für mehr Auslastung der Fussballplätze: Sind das gute Massnahmen für Frauenförderung im Fussball? Ein zentraler Punkt in der Weiterentwicklung wird sicherlich die Infrastruktur sein, denn noch sind viele Garderobengebäude auf Sportanlagen nicht auf die Präsenz von Frauen und Mädchen ausgerichtet – und natürlich wird es auch mehr Ressourcen für Trainings- und Spielplätze benötigen. Es sind aber auch viele weitere Massnahmen zur Stärkung der Frauen- und Mädchenförderung im Fussball in Gange.

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Frage des Tages

Im Juli findet die Fussball-Europameisterschaft der Frauen in der Schweiz statt. Unter anderem Eröffnungs- und Finalspiel werden im Basler St. Jakobs-Park stattfinden. In diesem Zuge soll der Mädchen- und Frauensport verstärkt gefördert werden. Der Kanton Basel-Stadt hat einige Massnahmen bekannt gegeben. Reichen die?

Zur Debatte

Welche Massnahmen sind das?

Die nächsten Schritte sind sicherlich die quantitative und qualitative Weiterentwicklung des Frauen- und Mädchenfussballs in der Region, unter anderem mit der Verdichtung des Netzes an Girls-Football-Standorten in der ganzen Region. Im Rahmen des Legacy-Programms an der UEFA Women's EURO 2025 wird nun das Club Coaching umgesetzt. Ziel ist, dass die Vereine, die sich bereits im Frauen- und Mädchenfussball engagieren, gestärkt werden. Ausserdem sollen die Hürden bei den Vereinen, die Angebote aufbauen wollen, aber noch vor Herausforderungen wie Infrastruktur, Belegung, Trainerinnen und Finanzierung stehen, abgebaut werden. Zudem werden Clubs, die derzeit vom Mädchen-und Frauenfussball aus kulturellen oder anderen Gründen nichts wissen wollen, für die Thematik sensibilisiert. 

Was steht den Mädchen, die professionelle Fussballerinnen werden wollen, in Basel aktuell im Weg?

Im Bereich des Spitzenfussballs müsste vieles auf eine Professionalisierung hinsteuern. England hat hier in den vergangenen Jahren eine Vorreiterrolle eingenommen. Die Clubs der Premier League sind verpflichtet, in den Frauenfussball zu investieren. Das Niveau und das Interesse an der obersten Frauenliga sind sprunghaft angestiegen.

Gibt es in der Schweiz nicht inzwischen auch mehr Interesse an Frauenfussball?

Doch, die mediale Präsenz und die Achtung des Frauenfussballs sind zwar in den letzten Jahren ebenfalls gestiegen, doch die oberste Liga kann weder qualitativ noch vom öffentlichen Interesse her mithalten. Nur die wenigsten Nationalspielerinnen sind noch in der heimischen Liga tätig. Im Breitenfussball, in dem wir zu Hause sind, scheint uns wichtig, dass der begonnene Aufbau konsequent fortgesetzt wird. Wir sind noch nicht wie bei den Jungs in der Position, dass die Kinder von selbst zum Fussball kommen.

Was bräuchte es denn dazu?

Gute Projekte und Angebote, um die Begeisterung der Mädchen zu entfachen und zu erhalten. Hier sind wir auf einem sehr guten Weg, doch damit das Wachstum gesund ist, muss es organisch sein. Unser Horizont geht deshalb weit über das tolle Turnier der UEFA Women's EURO 2025 hinaus.

Vera Gmür FVNWS
Mediales Interesse ist gut, aber es muss auch den Zweck erfüllen.
Vera Gmür, Kommission Frauenfussball beim FVNWS

Wie entfacht man die Begeisterung der Mädchen für Fussball?

Auch hier wird es wohl etwas Geduld brauchen. Vereine wie Zürich, GC, Servette, YB oder auch der FC Basel 1893 haben das Potenzial des Frauenfussballs eben erst entdeckt. Es gibt erst sehr bescheidene Ansätze von Professionalität. Mediales Interesse ist gut, aber es muss auch den Zweck erfüllen. Wenn SRF ein Spiel der Women's Super League live überträgt und irgendwo auf einem Kunstrasennebenplatz auf dem GC-Campus gespielt wird, wo kaum eine Zuschauerin zu erkennen ist, kann das auch kontraproduktives Marketing sein. Durch die stetig steigende Quantität wird sich auch die Qualität der Spielerinnen immer weiterentwickeln und die Liga wird besser. Aber um die Spielerinnen zu halten und auf internationales Topniveau zu bringen, müssen sie in der Förderung unterstützt werden.

Wie denn zum Beispiel?

Es gibt noch zu viele Spitzenspielerinnen in der obersten Liga, die ein 100-prozentiges Arbeitspensum belegen müssen, weil sie mit dem Fussball keinen Rappen verdienen. Das müsste sich ändern.

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Was hat sich in den letzten Jahren bereits getan?

Seit der Einführung der neuen Nachwuchskategorien bei den Mädchen im Jahr 2019 ist die Entwicklung sehr positiv. Es hat sich gezeigt, dass der damals formulierte Grundsatz «Mädchen spielen mit Mädchen gegen Mädchen» ein Erfolgsrezept ist. Die Eintrittsschwelle für die Mädchen ist weit tiefer als in früheren Jahren, als sich einzelne Mädchen in einem Bubenteam behaupten mussten. Durch die quantitative Zunahme hat sich auch die Qualität merklich gesteigert, es ist deutlich zu spüren, dass die Mädchen nun eine durchgehende Ausbildung geniessen. Auf dieses Jahr konnte ein zweiter Stützpunkt für talentierte Mädchen gebildet werden. Auch der FC Basel 1893 investiert nun spürbar mehr in die Entwicklung seiner Frauen- und Mädchenabteilung.

Wird die Frauen-EM ein Erweckungsmoment für den Frauenfussball wie «Bend It Like Beckham» sein?

Auf jeden Fall. Vor allem erhoffen wir uns durch dieses Turnier viel mehr Sichtbarkeit.

Wie genau?

Die Euro als Turnier wird uns bestimmt helfen, noch mehr Mädchen und Frauen anzusprechen. Und dafür brauchen wir weiterhin Vereine, die sich für die Entwicklung und Ausbildung der Mädchen einsetzen und für grössere Akzeptanz intern sorgen. Der Frauen- und Mädchenfussball in der Schweiz und auch bei uns in der Nordwestschweiz wird sich hoffentlich auch nach dem Turnier über viele Jahre mit seinem ganzen Potenzial weiterentwickeln. Wir wünschen uns, dass jedes Mädchen, welches sich für den Fussball interessiert, die Möglichkeit und den Zugang dazu erhält.

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