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Gimme (some) money!

Was macht ihr mit dem «Trinkgeld», liebe Kulturschaffende?

Die Trinkgeldinitiative wird diese Woche wieder im Parlament behandelt. Die jungen Exponent*innen aus der Kulturszene haben klare Vorstellungen: Sie erhoffen sich mehr Professionalität und weniger Gratis-Arbeit.

03/09/21, 03:53 AM

Aktualisiert 03/09/21, 04:21 AM

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(Foto: Bscene)

Seit langem galt die Jugend- und Alternativkultur in Basel als unterfinanziert. Zwar ist der Kulturbudgetkuchen dieser Stadt mit insgesamt knapp 136 Millionen Franken (Kulturleitbild 2020-2025) recht gross. Doch manche Szenen, wie die Clubszene beispielsweise, werden gar nicht unterstützt.

Um diesen Missstand zu beheben, hat das überparteiliche Komitee Kulturstadt jetzt! die Trinkgeldinitiative gestartet. Sie fordert, dass fünf Prozent der jährlichen Basler Kulturausgaben in die «aktive Pop-, Club-, Sub-, Jugend- und Alternativkultur» fliessen. Daher der Name – diese Szenen sollten zumindest ein Trinkgeld wert sein. Das Stimmvolk hat vergangenen November die Initiative angenommen. 

Was erhofft sich die Szene? Wir haben drei Exponent*innen gefragt.

Niccolo Brunetti, Dritte Stock Records

Manager von Dritte Stock Records

Niccolo Brunetti von Dritte Stock Records hofft, dass das Geld in der Breite gestreut wird. (Foto: zvg)

«Wir fanden es immer schwierig zu verstehen, warum der alternativen Kultur ein so geringer Förderanteil beigemessen wurde», sagt Niccolo Brunetti, der Manager des Musiklabels Dritte Stock Records (wir berichteten über sie). Er hofft, dass das Geld vor allem in der Breite gestreut wird.

«Wir haben in Basel eine so lebendige und grosse urbane Kulturszene, weshalb ich mich sehr freue, dass sich das nun eventuell ändert. Ich glaube und hoffe, dass diese Förderung der ganzen Szene zu Gute kommt und denke, dass sich durch das neue Geld vor allem quantitativ was verändert.» 

«Ich hoffe, dass diese Förderung der ganzen Szene zu Gute kommt.»

Niccolo Brunetti, Manager von Dritte Stock Records

Denn es gäbe schon sehr viele gute Künstler*innen in der Region, die einfach mehr Geld brauchten, um mehr gute Kunst rauszubringen. «Für uns als Musiklabel Dritte Stock Records bedeutet das auch: Mit einer Förderung können wir mehr Output generieren und stetig hochstehende Produktionen abliefern.» Das fange an bei den Aufnahmen und Instrumentalisten und gehe bis zur gesamten visuellen Ausführung mit Covers und Musikvideos.

Ein kleines Beispiel gefällig? Die Rapper Sherry-ou und Morow, beide Teil von Dritte Stock Records, haben kürzlich diesen Banger veröffentlicht:

Steffi Klär, Musikschaffende, Veranstalterin, Netzwerkerin

Veranstalterin und Preisträgerin Spotlight-Auszeichnung des Basler Pop-Preises 2020.

Steffi Klär, Kulturschaffende, Veranstalterin und Preisträgerin der letztjährigen Spotlight-Auszeichnung des Basler Pop-Preises. (Foto: Mathias Mangold)

Steffi Klär ist als Musikschaffende, Veranstalterin und Netzwerkerin seit Jahren in der Basler Kulturszene unterwegs. Sie wünscht sich, dass das zusätzliche Geld dem gesamten «Kultur-Ökosystem» zu Gute kommt: «Dieses System zwischen Veranstaltungsorten – also subventionierten Bühnen und nicht unterstützten wie Clubs oder Bars –, den Künstlerinnen und Künstlern und dem Publikum ist fragil und vielen Stürmen ausgesetzt.»

Das sei aufgrund des grossen Angebots und des veränderten Konsumverhaltens bereits vor der Pandemie so gewesen. «Ich sehe die Trinkgeldinitiative auch als ein Werkzeug, sowohl Plattformen als auch Kulturschaffende zu unterstützen und gerade jetzt im und nach dem Pandemie-Hurrikan nicht untergehen zu lassen.»

«Es ist nicht absehbar, wann die Konzerte wieder starten. Ohne diese Einnahmen wird's schwierig.»

Steffi Klär, Musikschaffende

Klär sagt, sie würde es sehr begrüssen, wenn bei der Umsetzung der Initiative die Bedürfnisse der Anspruchsgruppen gebündelt werden und alle im oben erwähnten «Kultur-Ökosystem» miteinbezogen würden – also auch Bars, die Konzerte anbieten, wie beispielsweise das Renée. «Ich bin kein Fan von ausschliesslicher Spitzenförderung, aber gleichzeitg denke ich schon, dass man dort fördern sollte, wo starke Visionen und ein Potenzial an Publikum zu gelangen vorhanden sind.»

Auch sie selbst, beispielsweise als Managerin der Sängerin Nicole Bernegger, hat Pläne, was sie mit dem Geld umsetzen würde: «Wir arbeiten zurzeit bereits an einem neuen Album. Mit dem letzten konnten wir aufgrund der Pandemie nicht touren und es ist nicht absehbar, wann die Konzerte wieder starten. Ohne diese Einnahmen wird’s schwierig.» Darum wäre eine Unterstützung der neuen Produktion, in den Kreativprozess, aber auch das Marketing, hilfreich.

Ausserdem möchte sie ihre Jazz-Soirees, wo sie nicht Jazz-affine Basler Musiker*innen zum Jazzsingen einlädt, wieder aufleben lassen. «Bisher hab ich die grösstenteils alleine gestemmt - das ist im Moment nicht realistisch. Eine Unterstützung wäre toll.»

Uwe Heinrich, Leiter Junges Theater Basel

Leiter des Jungen Theater Basel

Uwe Heinrich befindet sich mit dem Jungen Theater Basel gerade in Verhandlungen, bestehende Subventionen zu verlängern. (Foto: zvg)

Das Junge Theater Basel erhält bereits Subventionen. «Für uns ist noch unklar, inwiefern wir von der Initiative profitieren werden», sagt Uwe Heinrich, der Dramaturg und Leiter des Theaters auf dem Kasernen-Areal. Das Junge Theater Basel befinde sich gerade in Verhandlungen, die Subventionen zu verlängern und diese dabei ein wenig anzupassen. «Für uns ist diese ständige Unterstützung sehr wichtig, da Theater viel Planung und Kontinuität erfordert.»

«Ich bin überzeugt davon, dass sich sehr schnell begeisterte junge Menschen finden lassen würden.»

Uwe Heinrich, Leiter des Jungen Theater Basel

Ideen, die mit mehr Geld umzusetzen wären, gäbe es natürlich viele. Eine davon möchte Heinrich nun einreichen: «Wir möchten einen unkuratierten Raum auf dem Kasernenareal schaffen, worin junge Menschen ohne Kontrolle und Aufsicht selbstständig Theater und Performance produzieren können. Ein solcher Raum würde gut zum Jungen Theater Basel passen, da wir bereits die geleiteten Kurse und die vollprofessionellen Produktionen haben und ein solcher Freiraum eigentlich noch fehlt. Ich bin überzeugt davon, dass sich sehr schnell begeisterte junge Menschen finden lassen würden.»

Die Jugend will grosse Sprünge machen

Die Jugend will grosse Sprünge machen. (Inszenierungsfoto aus dem Stück UNTITLED [2020] des Jungen Theater Basel.)

Der Grosse Rat hat im Februar entschieden, dass das Kulturbudget zur Umsetzung der Trinkgeldinitiative um 3,4 Millionen Franken aufgestockt wird. Zu bestimmen ist nun, ob für die Ausarbeitung der Vorlage eine Kommission eingesetzt werden soll. 

«Ich begrüsse ausserordentlich, dass es nun zur Sache geht», sagt Alain Schnetz, der Geschäftsführer des RFV Basel. Der Verein koordiniert in den beiden Basel die Förderung der Popmusik. «Es würde meiner Meinung nach Sinn ergeben, wenn diese Aufgabe weiterhin uns zu fallen würde und vorhandene Förderstrukturen ausgebaut werden würden – anstatt eine neue Stelle aufzubauen, deren Struktur viel Geld kostet.»

Diese Forderung dürfte noch zu reden geben. Politiker*innen aus dem linken Lager sähen lieber eine separate Stelle.

«Gerade die freischaffenden Künstlerinnen und Künstler müssen besser unterstützt werden.»

Alain Schnetz, Geschäftsführer RFV Basel

Und was wird mit dem Geld bei den Geförderten passieren? Die Musiker*innen aus der Popmusik bräuchten mehr Subventionen, um professionell arbeiten zu können, sagt Schnetz. Denn die Sparte sei seit jeher einem strukturellen Defizit ausgesetzt, Ehrenamt bis hin zur Erschöpfung sei an der Tagesordnung. «Spätestens die aktuelle Krise hat gezeigt, dass es so nicht weitergehen kann und sich etwas ändern muss und auch wird. Gerade die freischaffenden Künstlerinnen und Künstler müssen besser unterstützt werden. Wir sind verantwortlich, dass dies geschieht.» 

Es seit falsch, jetzt zu fordern, dass die Kulturschaffenden extra kreativ sein müssten, um an das Geld zu kommen, sagt Alain Schnetz – das seien sie sowieso.

Wir sind jung...

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