Hotel für die Einheimischen, Notschlafstelle für die Roma
Seit Monaten schlafen die Bettler*innen aus Rumänien in der Kälte. Jetzt reagiert die Basler Regierung.
Die bettelnden Roma in Basel, die bei eisigen Temperaturen auf der Strasse schlafen müssen, erhalten eine Bleibe für die Nacht. Das hat der Regierungsrat heute bekannt gegeben. Er will sie in der Männer-Notschlafstelle an der Allemannengasse unterbringen.
Rudolf Illes, Leiter der Sozialhilfe Basel-Stadt, sagt dazu: «Mit dem heutigen Beschluss will der Regierungsrat sicherstellen, dass bei tiefen Temperaturen niemand, der sich in unserem Kanton aufhält, draussen schlafen muss, der das nicht ausdrücklich will.»
Dafür wird die Männer-Notschlafstelle geräumt. Und die dort untergebrachten Obdachlosen? Die ziehen in Hotelzimmer um.
Für die Aktion hat der Regierungsrat 250’780 Franken gesprochen, wie er mitteilt. «Erfahrungen zeigen, dass für die Unterbringung von Bettlerinnen und Bettler aus Osteuropa eine eigene Struktur benötigt wird, welche betreut ist und nicht mit anderen Gruppierungen gemischt wird», sagt Illes. In der Notschlafstelle wird so Platz frei für dreissig Roma-Bettler*innen. Frühestens nächste Woche sollen die Roma einziehen und für maximal zwei Monate bleiben dürfen.
Jedenfalls können sie nachts dort schlafen. Tagsüber dürfen sie sich aber nicht in der Notschlafstelle aufhalten. Zur Koordination wird Personal eingesetzt: Dolmetscher*innen und Sicherheitsleute.
Die ansässigen Obdachlosen werden in verschiedenen Hotels untergebracht. Welche das sind, will Illes nicht sagen. Aus Rücksicht auf die Hotels und um die Privatsphäre der Obdachlosen zu wahren. Die Obdachlosen dürfen sich auch während des Tages in den Hotelzimmern aufhalten.
«Das ist eine wichtige humanitäre Geste.»Pascal Pfister, Präsident SP Basel-Stadt
Den Ausschlag für diesen Entscheid hatten die Debatten im Grossen Rat gegeben, sagt Illes. Die SP hatte im Dezember mehrmals verlangt, die Roma, die bei Minustemperaturen draussen schlafen, von der Strasse zu holen.
SP-Parteipräsident Pascal Pfister ist froh über den Entscheid. «Wir sehen alle, wie kalt es ist. Das ist eine wichtige humanitäre Geste. Schliesslich wollen wir verhindern, dass jemand erfriert.» Die SP hatte letzten Dezember noch darüber nachgedacht, Zivilschutzanlagen für die obdachlosen Roma bereitzustellen. Das man sich für die Notschlafstelle entschieden hat, sei eine pragmatische und gute Lösung, sagt Pfister. «So können bestehende Strukturen genutzt werden. Ausserdem sind die Hotels ohnehin nicht ausgelastet.» Er sei froh, dass die Behörden die Idee so schnell umgesetzt hätten.
«So werden falsche Anreize gesetzt.»Joël Thüring, Grossrat SVP Basel-Stadt
Alles andere als begeistert ist SVP-Grossrat Joël Thüring, der letzten Herbst die Motion zur Wiedereinführung des Bettelverbots eingereicht hatte – der Grosse Rat hat ihn an die Regierung überwiesen. Thüring hält den Entscheid des Regierungsrats für «dreist» und am Parlament vorbeigedacht. «Ich bin auch nicht dafür, dass jemand auf der Strasse erfrieren muss. Aber so werden falsche Anreize gesetzt», sagt er. Thüring befürchtet, dass so bloss noch mehr osteuropäische Bettler*innen nach Basel kommen. «Basel wird zum Betteleldorado!», sagt er. Eine Viertel Million Franken seien ausserdem eine relativ grosse Summe, die für so eine heikle Angelegenheit ausgegeben werde, sagt Thüring. Das könne nicht im Sinn der Basler Bevölkerung sein.
Ob Thürings Bettelverbot aber wirklich verhebt, ist vielleicht gar nicht mehr so sicher. Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat nämlich in einem Fall in Genf entschieden, dass das dortige Bettelverbot gegen die Menschenrechtskonventionen verstösst. Eine bettelnde Roma aus Rumänien war zu einer Busse verurteilt worden und wehrte sich. Der EGMR gab ihr einstimmig recht. Menschen, die in finanzieller Not sind, dürfen um Almosen bitten und auf in der Öffentlichkeit auf ihre Notlage aufmerksam machen, hält der EGMR fest. In Basel fragen sich Politiker*innen nun, was das für das Bettelverbot, das wiedereingeführt werden soll, bedeutet.
Sandra Bothe von der GLP ist nicht erstaunt über den Genfer Entscheid. «Die GLP hat von Anfang an gesagt, dass man das Bettelproblem nicht über Bussen lösen kann. Es braucht einen Basler Weg.» Also nicht nur Repression, sondern «konstruktive Lösungen» wie beispielsweise das Verbot von aggressivem Betteln oder eine Lösung via Ausländer*innengesetz. Grossrätin Bothe ist guter Dinge, dass das dem Parlament gelingt: «Genau deswegen hat die GLP das Bettelverbot dem Regierungsrat überwiesen: Das macht den Weg frei für eine Regel, die das Problem löst, aber die Menschenrechte einhält.»
Die SP dagegen stellt gleich das gesamte Bettelverbot wieder in Frage:
Wir haben bei Rechtsexpert*innen nachgefragt, was der Entscheid für Basel bedeutet. Update folgt…