Warum sagten Sie «Ja» zum Bettelverbot, Esther Keller?

Der Grosse Rat erwägt, das Betteln wieder zu verbieten. Er hat eine Motion der SVP überwiesen. Mit im Boot: Die Grünliberalen. Warum nur?

Esther Keller
Esther Keller will die «polemische Debatte» über das Betteln beruhigen.

Am Mittwoch überwies der Grosse Rat eine Motion von SVP-Grossrat Joel Thüring. Er fordert die Regierung auf, das Bettelverbot wieder einzuführen. Den Ausschlag für das Ja gaben die drei GLP-Stimmen: Die Abstimmung endete 48 gegen 45 Stimmen für die Motion. Wir haben Regierungskandidatin und Grossrätin Esther Keller gefragt, was sie sich dabei gedacht hat. 

Warum haben Sie das Bettelverbot der SVP mitüberwiesen?

Esther Keller: Es muss etwas passieren. Grosse Teile der Bevölkerung empfinden das Betteln als unangenehm. Aber wir von der GLP sind nicht einfach nur für Repression. Polizeidirektor Baschi Dürr (FDP) hat uns in der Ratsdebatte versichert, dass er konstruktive Lösungen für das Problem mit dem Betteln sucht.

Was für konstruktive Lösungen?

Wir von der GLP haben bereits einen Anzug eingereicht, in dem wir fordern, dass die Regierung sich am Berner Modell orientiert. Bern hat das Bettelproblem über das Ausländergesetz, über Gespräche mit den Bettler*innen und mit Zusammenarbeit mit den Behörden ihrer Herkunftsländer gelöst. Auch im Ausland gibt es Lösungen: In einigen Ländern ist beispielsweise das aggressive Betteln verboten. Das heisst, dass Bettler*innen nicht Minuten lang neben einem Tisch stehen bleiben dürfen oder Leute beschimpfen, die ihnen nichts geben, so wie das Basler*innen immer wieder erleben müssen.

Jetzt bin ich verwirrt: Sie wollen konstruktive Lösungen statt Repression, stimmen aber der Bettelverbots-Motion zu. Macht das Sinn?

Wir von der GLP können uns ja nicht sicher sein, dass unser Anzug durchkommt. Deshalb haben wir dem Bettelverbot zugestimmt. Aber damit ist noch nichts entschieden: Wenn der Regierungsrat seine Vorschläge präsentiert, stimmen wir nochmals ab. Und die GLP stimmt einem Verbot nur zu, wenn der Vorschlag konstruktive Lösungen enthält. Mit einer Erstüberweisung vergeben wir uns nichts, wir können das Bettelverbot immer noch ablehnen.

Hesch uns 40 Stutz?
Danggscheen!

Beziehen Sie bitte Stellung: Wollen Sie nun ein Bettelverbot oder nicht?

Ich will, dass die Situation besser wird. Aber ich hätte lieber kein Verbot, wir sollten unsere Augen nicht vor der Armut verschliessen. Es ist wie bei der Suchtproblematik: Mit Verboten allein verbessert sich die Lage nicht, es braucht pragmatische Lösungen und zwar mehr als eine.

Hand aufs Herz: War Ihr Ja zum Bettelverbot einfach Symbolpolitik vor den Wahlen, um die SVP zu  beruhigen?

Nein. Es ist ein pragmatischer Weg und hat mit den Wahlen nichts zu tun. Denn seien wir ehrlich: Hätte der Grosse Rat das Bettelverbot abgelehnt, hätte die SVP eine Initiative lanciert. Und was wäre passiert? Die Initiative hätte die polemische Debatte weiter befeuert und eine lösungsorientierte Debatte verhindert. Mit der Motion aber beruhigen wir die Gemüter und ebnen den Weg für eine ruhige, sachliche Diskussion.

Gab es diese sachlichen Diskussionen wirklich nicht? SP-Präsident Pascal Pfister forderte in der «BaZ» auch konstruktive Lösungen.

Ja, und es gab auch eine Interpellation der SP. Aber es fehlt an konkreten Lösungsvorschlägen und verbindlichen Vorstössen. Wir von der GLP waren die einzigen, die einen entsprechenden Anzug formulierten.

Basel Briefing

Das wichtigste für den Tag
Jetzt Abonnieren
Jetzt Member Werden

Das könnte dich auch interessieren

Dominik Straumann Pantheon Muttenz

David Rutschmann am 22. April 2024

«Eine Abspaltung wäre für beide Seiten sehr dumm»

Dominik Straumann gilt als moderater SVPler, den jetzt der extreme Regez-Flügel als Parteichef im Baselbiet zu Fall gebracht hat. Hat er die Hardliner*innen selbst zu lange geduldet? Ein Interview über chaotische Tage in der Kantonalpartei, den Weg aus der Krise und warum es bei der SVP kein Co-Präsidium geben wird.

Weiterlesen
Familie Geburtenrate

Ina Bullwinkel am 19. April 2024

Angst vor Kindern

So wenige Kinder wie jetzt sind noch nie in der Schweiz geboren. Es ist höchste Zeit, dass das Land familienfreundlicher wird, meint Chefredakteurin Ina Bullwinkel. Besonders attraktiv ist das Elternwerden nämlich nicht, und eine Gesellschaft, die sich nicht reproduziert, verarmt.

Weiterlesen
Hörsaal Universität

David Rutschmann am 18. April 2024

Wie erfolgreich wären Studis ohne Matur?

In Basel sollen Über-30-Jährige auch ohne Matur an die Uni gehen können, wird im Parlament gefordert. Vorbild sind die Unis Bern und Fribourg, die bereits solche Programme haben. Doch wie laufen die überhaupt?

Weiterlesen
Dreirosen

Valerie Zaslawski am 17. April 2024

Dreirosen-Schulhäuser werden doch nicht bewacht

Drogendeals in der Schule, Belästigung auf dem Schulweg: Wegen dieser Vorwürfe kündigte Justizdirektorin Stephanie Eymann eine Bewachung der Schulhäuser rund um die Dreirosenanlage an. Ein Vorstoss forderte präzisere Infos. Diese zeichnen ein weniger aufgeregtes Bild.

Weiterlesen

Kommentare