«Basel soll Klima-Hauptstadt werden»

Das CO2-Gesetz ist gescheitert. Und was jetzt? Während auf der Politbühne nach Verantwortlichen gesucht wird, hat Bajour bei den Klimastreikenden nachgefragt – sie planen schon die nächsten Schritte.

Klimademo vom 17.02.19
Die Klimastreik-Bewegung denkt nicht ans Aufgeben – und hat selbst Pläne.

Die Schweiz muss in Sachen Klimapolitik zurück auf Feld eins. Die Ernüchterung, die sich nach dem Scheitern des CO2-Gesetzes breit gemacht hat, ist gross, und der Hickhack, wer nun Schuld an der Misere hat, begann vergangenen Sonntag noch während der Auszählung der Stimmen. Schnell ins Visier geraten ist die Klimastreik-Bewegung, die sich – in der Romandie – offen gegen das Gesetz gestellt und, wo sie dafür war, sich nicht mit grosser Begeisterung eingesetzt hat. 

Etwas, dass jedoch auch auf die anderen Befürworter*innen zutrifft – die emotionale Kampagne führten die Gegner*innen. Aber nun, wie soll das Ziel Netto Null bis 2050 erreicht werden?

Klimastreik Symbol
Benjamin Rytz: «Die Basler*innen haben begriffen, dass der Klimawandel sie etwas angeht.»

Basel, keine 30 Stunden nach den Abstimmungen: Die Chats der Klimastreik-Bewegung laufen heiss. Die jungen Menschen sind vernetzt, Multitasking ist für sie keine besondere Fähigkeit, nur ihre Art, Dinge anzupacken. Medienanfragen werden schnell und unkompliziert beantwortet, intern ist das CO2-Gesetz kein Thema mehr.

Viel eher die nächste Sitzung, die am kommenden Tag stattfindet, und an welcher die nächsten Schritte diskutiert werden sollen. Aktionen sind in Planung, die Streikenden wollen wieder auf die Strasse und keine Zeit verschwenden – sie haben sowieso keine übrig, sagen sie. Auf die Politik warten wollen sie schon gar nicht. 

Think global, act local  

Was national gescheitert ist, soll nun auf kantonaler Ebene angegangen werden. Für Basel-Stadt haben die jungen Menschen konkrete Pläne, ganz nach dem Prinzip think global, act local: «Basel soll die Klima-Hauptstadt werden», meint Anouk Feurer. Die 20-Jährige ist beim Klimastreik aktiv und Co-Präsidentin des jungen grünen Bündnisses Nordwestschweiz (jgb). Die Klimagerechtigkeitsinitiative, die dem Kanton das Netto Null-Ziel bis 2030 setzen will, sei die nächste Etappe. Einen griffigen Gegenvorschlag zu erarbeiten oder gar die Initiative zu gewinnen, liege durchaus drin. 

Dieser Meinung ist auch Benjamin Rytz, 18 Jahre alt, ebenfalls beim Klimastreik engagiert. Er sieht sich durch das Abstimmungsresultat des CO2-Gesetzes bestätigt: Basel-Stadt hat entgegen dem nationalen Trend das Gesetz deutlich angenommen. Regierung und Parlament sollen jetzt jeden Handlungsspielraum nutzen: «Basel will, Basel kann und Basel soll vorwärts machen. Der Rückhalt der Bevölkerung ist klar da.»

Ansätze gäbe es für Rytz genug: Autoverkehr reduzieren, Begrünungsmassnahmen in den Quartieren, Vorgaben und Anreize beim Bauen. «Die Basler*innen haben begriffen, dass der Klimawandel sie etwas angeht. Da erwarte ich jetzt mehr Engagement von der Regierung.»

«Basel will, Basel kann und Basel soll vorwärts machen. Der Rückhalt der Bevölkerung ist klar da.»

von Benjamin Rytz (18), Klima-Aktivist

Ist die Klimakrise denn zu wenig im Bewusstsein der Menschen oder wird sie ignoriert? «Mittlerweile gibt es nur noch wenige Klimawandelleugner*innen», meint Anouk Feurer, nur spürten viele Menschen in der Schweiz die Auswirkungen der Umweltbelastung zu wenig. «Besonders ältere Generationen haben schlicht zu wenig Angst. Sie leben im Hier und Jetzt und denken nicht an die Zukunft.» Die Bereitschaft sich jetzt einzuschränken, sei daher eher bescheiden. 

Der sozioökonomische Hintergrund spiele auch eine Rolle. Dass höhere Benzinpreise oder die Flugticketabgabe bei Menschen mit kleinem Portemonnaie ein Abwehrreflex auslösen würden, müsste akzeptiert und beachtet werden, sagt Fina Girard, 19 Jahre alt, Klimastreikende und im Vorstand des jgb: «Die Massnahmen müssen sozialverträglich sein», diesbezüglich stehe der Staat in der Verantwortung, denn «wer von Armut betroffen ist, spürt auch eher die Klimakrise».

War das CO2-Gesetz also doch asozial, wie die SVP das in der Gegenkampagne behauptet hat? Anouk Feurer spielt den Ball zurück: «Was tut denn die SVP für das Klima? Ich erwarte konkrete Lösungsansätze.» Glaubt die junge Grüne denn daran, dass die SVP plötzlich zur Klima-Partei mutiert? «Ich hoffe, dass auch in der SVP endlich ein Umdenken passiert. Aber ja, Hinweise dafür habe ich noch nicht gesehen.»

Next Level: Die Eroberung des Landes

Und was tut die institutionelle Politik? «Leider müssen wir uns daran gewöhnen, dass die politische Prozesse in der Schweiz sehr langsam vorwärts kommen», antwortet Anouk Feurer. Das Frustrationspotential sei dabei aber schon recht gross: «Ich denke, dass die Klimakrise nicht wirklich ein zentrales Thema der Schweizer Politik ist. Die grossen Parteien könnten viel mehr machen.» 

Für die konstruktive Debatte.
Bajour

Fina Girard betont den internationalen Druck, den die Schweiz zu spüren bekäme: «Es gibt immer mehr Klimaklagen, andere Länder setzen Standards, und die Schweiz ist immer noch dem Pariser Abkommen verpflichtet.» Benjamin Rytz will den grossen Hebel ansetzen: «Der Finanzplatz ist ein grosser Klimasünder, das wird die nächste Herausforderung sein.» 

Sie selbst sind «ready», erzählen alle drei. «Die Motivation hat nicht gelitten, im Gegenteil», meint Benjamin Rytz. Die Bewegung sei keinenfalls erlahmt, fügt Anouk Feurer an, die Klimajugend sei weniger auf der Strasse präsent gewesen, weil sich die Streikenden aufgrund von Corona verantwortungsvoll verhalten wollten – «wir stecken in einer Pandemie, bisher lagen Grossdemos nicht drin» – im Hintergrund laufe jedoch einiges. 

«Schon morgen gibt es die nächste Sitzung des Klimastreiks Basel», kündigen sie an. Die Bewegung sei sehr aktiv: «Wir planen die nächsten Aktionen und leisten viel Lobbyarbeit», erzählt Anouk Feurer. Next Level ist die Eroberung des Landes: Der Klimastreik baut Lokalgruppen auf, die Vernetzung läuft über Schüler*innen. In Baselland gibt es die Klimaschutzinitiative zu gewinnen.

Eines ist für die Klima-Aktivist*innen klar: «Wir geben sicher nicht auf. Diese Option haben wir gar nicht.»

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