Die BaZ hat einen bösen Online-Zwilling
«Basler Nachrichten» sieht auf den ersten Blick aus wie ein Tamedia-Auftritt. Schnell merkt man aber: Hier stimmt einiges nicht. Bajour hat recherchiert, was hinter der Fake-News-Seite steckt.
Auf den ersten Blick sieht «Baslernachrichten.ch» aus wie eine ganz normale News-Seite. Auf den zweiten Blick fragt man sich: Hat die Basler Zeitung ein Rebranding hinter sich? Der Schriftzug mit den zwei roten Strichen darunter sieht dem Original verdächtig ähnlich. Und spätestens auf den dritten Blick merkt man: Hier stimmt etwas nicht.
Zuoberst auf der Website wird in einem schmalen Balken das Datum eingeblendet – auf Englisch. «Friday, April 25, 2025», steht da zum Beispiel. Darunter: verschiedene News-Kategorien. Politik, Basel, Innenpolitik, Weltpolitik, News Inland, News Ausland, Wirtschaft, Sport. Der letzte Beitrag in der Rubrik «Basel» ist mehrere Tage alt. Für eine Zeitung mit In- und Auslandberichterstattung ist das unüblich.
Auch bei den Autor*innen wird man stutzig: Vor ein paar Wochen stand da häufig: «Written by Silke Mayr» oder «Jerry Jackson», mittlerweile auch mal «Jonas Bärtschi». Gemeinsam ist diesen Namen allerdings, dass keiner von ihnen auf dem Platz Basel bekannt wäre.
Ein Link zu einem vermeintlichen Youtube-Kanal führt ins Leere. Derjenige für Facebook führt auf ein Facebook-Profil der «Berner Allgemeine». Und auf deren Website wiederum: Das gleiche Spiel wie bei den «Basler Nachrichten» – Tamedia-Design, Artikel von unbekannten Autor*innen, kein Impressum.
Spätestens jetzt ist klar: Basler Nachrichten und Berner Allgemeine sind Fakes.
Das bestätigt auch eine Expertin. Franziska Oehmer-Pedrazzi ist Dozentin für Kommunikationswissenschaft an der Fachhochschule Graubünden und am Mileva Institut mit den Schwerpunkten Plattform-Governance und Medieninhaltsforschung.
«Es lassen sich Merkmale erkennen, die erhebliche Zweifel an der Seriosität und Professionalität der Medien aufkommen lassen.»Franziska Oehmer-Pedrazzi
«Auf den ersten Blick wirken die Medientitel seriös», sagt sie. «Aber bei näherer Betrachtung lassen sich Merkmale erkennen, die erhebliche Zweifel an der Seriosität und Professionalität der Medien aufkommen lassen.» Es sind Merkmale, wie sie auch in Ratgebern zum Erkennen von Fake News genannt werden, so Oehmer-Pedrazzi.
Ausserdem haben sowohl «Berner Allgemeine» als auch «Basler Nachrichten» kein Impressum. Das ist in der Schweiz erstens rechtswidrig – und es lässt zweitens ebenfalls an der Seriosität zweifeln, wenn nicht klar ist, wer sich hinter einem angeblichen Medium verbirgt. Recherchen von Bajour ergeben: Die Domain ist registriert auf eine Firma mit Sitz in Dubai. Über die Firma finden sich keine handfesten Angaben. Über eine Firma, die den möglichen Eigentümer*innen zugeordnet werden kann, findet sich ein Eintrag bei der österreichischen Finanzmarktaufsicht, die im Oktober 2023 vor der Firma warnte. Bajour hat versucht, den angeblichen Verantwortlichen der Firma zu kontaktieren. Eine Antwort steht bis heute aus.
Anfrage bei Tamedia: Ist dem Medienhaus bekannt, dass Basler Nachrichten und Berner Allgemeine seinen Auftritt kopieren? Gab es in der Vergangenheit ähnliche Fälle? Wie geht Tamedia mit solchen Seiten um? Gibt es rechtliche Schritte? Auf all diese Fragen antwortet die Unternehmenskommunikation von Tamedia wie folgt: «Solche Webseiten sind uns bekannt. Wir mahnen solche unautorisierten Seiten ab.» Mehr will das Medienhaus dazu nicht sagen.
Die Absicht hinter den Plattformen bleibt derzeit undurchsichtig. Kommunikationswissenschaftlerin Oehmer-Pedrazzi erläutert, was üblicherweise mit solchen Fakes bezweckt werden soll: In der Regel würden sie zwei Ziele verfolgen, so die Expertin. «Zum einen sind sie politisch-ideologisch getrieben – das heisst, sie propagieren eine bestimmte Haltung oder ein bestimmtes Weltbild oder sie versuchen dort Unruhe zu stiften, wo sie gegenteilige Meinungen wahrnehmen.»
«Solche Webseiten sind uns bekannt. Wir mahnen solche unautorisierten Seiten ab.»Tamedia
Solche Manipulationen der Öffentlichkeit werden beispielsweise immer wieder während Wahlkämpfen mit internationaler Bedeutung beobachtet. So wurde etwa Russland wiederholt vorgeworfen, sich mit Fake News in den Wahlkampf in den USA oder in Deutschland eingemischt zu haben.
Oehmer-Pedrazzi führt aus: «Man unterstellt der russischen Desinformationskampagne meist, dass sie Unruhe in westlichen Demokratien stiften und zur Polarisierung beitragen wolle, um populistische Kräfte zu stärken.» Zum anderen könnten Fake News auch ökonomisch motiviert sein, um zum Beispiel zum Kauf eines bestimmten Produkts oder einer Dienstleistung aufzurufen oder zu erreichen, dass Personen ihre Bankdaten preisgeben.
Insgesamt sind Fake News auf gesellschaftlicher Ebene eine «grosse Herausforderung für unsere Demokratie», so Oehmer-Pedrazzi, «wenn unsere Meinungs- und Willensbildung auf falschen oder verzerrten Informationen beruht. Dann fällen wir im Rahmen von Abstimmungen oder Wahlen einen Entscheid in Unkenntnis der wahren Konsequenzen und Tragweite.»
Problematisch sei es, wenn Fake News das Vertrauen in politische Institutionen untergraben. Oehmer-Pedrazzi nennt aber auch Gefahren auf individueller Ebene: «Handlungen, die durch Fake News motiviert sind, können zu gravierenden Folgen führen, zum Beispiel bei den eigenen Finanzen oder im Gesundheitsbereich» – Stichwort: Fake News über die Wirkung von Impfungen.
Aktuell ist die Fake-Seite der Basler Zeitung noch immer online. Wer «Basler Nachrichten» googelt, findet die Website auf Anhieb nicht, die Suchmaschine schlägt stattdessen die Webauftritte von legitimen Basler Medien vor.