«Klimaloki» Basel? Aber klar!
Die pensionierte Protestlerin Anita Fetz sieht Potenzial, um Basel klimaneutral zu machen. Mit einer Prise Realismus und Wettbewerb – denn die Stadt Zürich hat die Challenge lanciert.
Die Schweiz verfehlt ihr Klimaziel für 2020 – und wie sieht es in Basel aus? Die 19-jährige Klimaaktivistin Pauline Lutz stellt in ihrer Kolumne 19 Ideen vor.
Liebe Pauline
Das ist ja ein echt knackiges Programm. Deine 19 Ideen, wie Basel klimafreundlicher werden kann, finde ich fast alle gut. Weniger gefällt mir jedoch die Forderung, dass ab 2030 alle Fossilen verboten werden sollen. Ich bin zwar dafür, aber ich glaube nicht, dass es real so schnell umsetzbar ist.
Ich bin schon froh, wenn im Juni das nationale CO2-Gesetz angenommen wird. Das wird nämlich kein Spaziergang. Die Öl- und Autolobby wird aus allen Rohren dagegen schiessen. Erst dann aber haben wir die Basis für Lenkungsabgaben, die wir dann zügig ausbauen können. Damit könnte ab 2040 ein Verbot machbar sein.
Ich versuche mal darzustellen, was mit den vorhandenen Instrumenten, die Basel hat, machbar wäre, wo aber auch Knacknüsse und Zielkonflikte liegen, um den Ausstieg aus den Fossilen zu schaffen. Als Oldie bin ich ja eher für das Umsetzbare ….
Ein Hauptpunkt sind die Gebäude: Mit dem Energiegesetz ist seit 2017 klar, dass keine neuen Öl- und Gasheizungen mehr installiert und bestehende ersetzt werden müssen. Was es jetzt braucht, ist eine veritable «Anbauschlacht» mit Solar- und Fotovoltaikanlagen, und zwar in hohem Tempo. Dies schafft zudem Hunderte neuer Jobs für das Gewerbe. Der beschlossene Ausbau der Fernwärme mittels Holzkraftwerken dürfte diese in wenigen Jahren CO2-neutral machen.
Industrieareale, die in Quartiere entwickelt werden, müssen klimaneutral sein. Eine Knacknuss dürfte das Bauen selber darstellen. Beton und Zement sind ein echtes CO2-Problem (weltweit für 8 Prozent des CO2-Ausstosses verantwortlich). Die Alternative ist unter anderem Holz. Sein Nachteil aber: es muss rascher erneuert werden.
Wichtig ist auch das Baurecycling. Seit Anfang Jahr ist die Task-Force «Baustoffkreislauf Regio Basel» am Werk, in der die beiden Basler Kantone und die Bauwirtschaft entsprechende Lösungen aufbauen. Hoffentlich rasch.
Verdichtetes Bauen heisst für mich auch, dass die Grundrisse der Wohnungen kleiner werden, dafür aber mehr Gemeinschaftsräume zur Verfügung stehen. Nach einem Sharing-Modell könnten wir anfangen, Räume zu vergesellschaften: Waschen, flicken, reparieren, spielen, Gäste bekochen oder im Homeoffice arbeiten geht auch gemeinsam. Und zwei grosse Waschmaschinen sind ökologischer als 20 kleine.
«Es ist eine Herkulesaufgabe, die Leute ganz vom eigenen Auto wegzubringen, da bin ich Realistin. In der Stadt braucht man keines, aber ausserhalb?»
Hier hast du Recht: Es braucht viel mehr Grün- und Freiflächen, mehr Bäume, Sträucher und Pflanzen. Ein schlechtes Beispiel ist die kleine «Betonwüste», die kürzlich am Kleinbasler Rheinufer als Freifläche eröffnet wurde: Nicht ein Pflänzlein, nur Steine und Beton. Auch viele neue Wasserflächen, gespiesen durch Regenwasser, sind nötig. Dort, wo Wasser verdunstet, sinken die Temperaturen um 2-4 Grad.
Der zweite grosse CO2-Produzent ist der Verkehr: Immerhin besitzt in Basel 2/3 der Bevölkerung kein Auto. Der Umbau der BVB-Busse auf Strom ist beschlossen. Als Übergangslösung würde ich die E-Autos nicht verteufeln. Es ist eine Herkulesaufgabe, die Leute ganz vom eigenen Auto wegzubringen, da bin ich Realistin. In der Stadt braucht man keines, aber ausserhalb?
Der Grosse Rat hat soeben die Installation von 4000 Ladestationen für E-Autos in Basel beschlossen. Ich würde noch anfügen, dass Basel ab 2030 keine Benziner mehr erlaubt. So wissen auch das Gewerbe und die Transportwirtschaft, wie sie investieren müssen.
Für die etwa 60‘000 Pendler*innen brauchen wir möglichst schnell die Umsetzung des beschlossenen S-Bahnsystems, ein Road-Pricing und Veloschnellstrassen. Als Vorbild sehe ich Kopenhagen. Dort kommen 70 Prozent der Pendler*innen mit dem E-Bike zur Arbeit.
Bleiben noch das Fliegen und der Flughafen. Fliegen sollte nur noch im Langstrecken-Bereich stattfinden. Doch was passiert mit den vielen Arbeitsplätzen am Flughafen? Ob die alle dank deines Vorschlags der Vier-Tage-Woche einen anderen Job finden können, lass ich mal offen. Das ist ein typischer Zielkonflikt, für den es keine einfachen Lösungen gibt.
Ausserdem müssen wir über unsere Ernährung und über unseren Fleischkonsum sprechen. Es ist inzwischen ja bekannt, dass die Schweizer Landwirtschaft etwa 13 Prozent Anteil am CO2-Ausstoss hat, vor allem weil sie viel zu viele Tiere hält. Das Werbeverbot und die Vegi-Kantinen könnten helfen. Ob das in einer Volksabstimmung angenommen würde, wenn die 14-Jährigen auch mitbestimmen könnten? Hoffentlich, denn bei uns müssen Massnahmen demokratisch abgesichert sein.
«Entscheidend wird sein, dass wir den dominanten Lifestyle des Massenkonsums ändern können.»
An die Erziehung der Bevölkerung durch entsprechende staatliche Kampagnen glaube ich nicht. Veränderung läuft (noch immer) vor allem übers Portemonnaie. Richtig ist hingegen, die Klimazusammenhänge als integralen Bestandteil in die Schulfächer aufzunehmen. Gut finde ich Tagesschulen, wo die Kinder und Jugendlichen auch beim Kochen mithelfen und so lernen, was gesundes Essen ist und wie man es zubereitet, ohne Foodwaste zu produzieren. Praxis, nicht nur Theorie, ist wichtig.
Entscheidend wird sein, dass wir den dominanten Lifestyle des Massenkonsums ändern können in Richtung Qualität statt Quantität, reparieren und wiederverwenden statt wegwerfen und Minimalismus als Statement. Cool ist, wer wenig konsumiert. Schon gar nicht die in Asien unter miesen Bedingungen hergestellten Billigklamotten. Wie man Trends setzt, müsstet ihr Digital Natives ja wissen.
Bref: Basel hat wirksame Instrumente. Gespannt bin ich auf die weitergehenden Vorschläge der Klimaschutzkommission im Grossen Rat. Zudem haben wir gute Hochschulen, die weitere Modelle und Technologien im Bereich Kreislaufwirtschaft und erneuerbare Materialien entwickeln können. Damit Basel eine «Klimaloki» wird, braucht es jetzt Tempo und Ehrgeiz bei der Umsetzung. Die nächsten zehn Jahre sind entscheidend.
Liebe Grüsse, Anita
PS: Kürzlich hat die Stadt Zürich ihre Klimastrategie 2040 vorgestellt. Die Challenge ist eröffnet. Wer schafft es zuerst, den CO2-Ausstoss auf eine Tonne pro Person zu senken?
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Die Kleinunternehmerin und ehemalige Ständerätin Anita Fetz (1957) politisierte bei der SP. Pauline Lutz (2002) ist aktiv beim Klimastreik und in der Genfer Studierendengewerkschaft (CUAE). Sie lebt in Genf und ist Basel aufgewachsen.
Das ist die letzte Ausgabe der Kolumne Lutz/Fetz. Wir bedanken uns bei beiden Autorinnen für die konstruktive Debatte. Hier kannst du alle bisher erschienenen Beiträge lesen.