Nicht mal Basel-Stadt will die 99-Prozent-Initiative
Die Basler Linke hätte sich wohl mehr Stimmen für die Juso-Vorlage erhofft. Nur die Stadt war dafür, nicht aber der Kanton. Was heisst das für die Zukunft? Eine kleine Auslegeordnung.
Die Schweiz will Kapitaleinkommen nicht höher besteuern. Die 99-Prozent-Initiative der Juso scheiterte in allen Kantonen. Basel-Stadt war zwar der Kanton mit den meisten Ja-Stimmen, gereicht hat es dennoch nicht. Nur die Stadt hat die Juso-Initiative ultraknapp angenommen (26’946 Ja, 26’213 Nein), Riehen und Bettingen waren (wie beim Hörnli) dagegen.
Die Juso zeigte sich erfreut über das knappe Resultat, aber gerade die Basler Linke hatte sicher auf mehr Unterstützung im linken Kanton gehofft.
Das Nein in Basel-Stadt hat wohl auch mit Corona zu tun: KMU haben es in der Krise schwer. Die Wirtschaftslobby konnte wohl Punkte mit dem alten Argument machen, die 99-Prozent-Initiative schade kleinen Unternehmen. Ausserdem droht dem Kanton eine neue Steuerharmonisierung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die der Pharma Sorgen macht. Aus Sicht der Bevölkerung ist es nun vermutlich ein schlechter Zeitpunkt für weitere Steuererhöhungen. Schliesslich wurden 2019 mit der Topverdienersteuer bereits die Steuern für Menschen mit hohen Einkommen hochgeschraubt, und vor ein paar Monaten wurde der Mindestlohn angenommen. Jetzt scheint es für die Mehrheit vorläufig genug Umverteilungspolitik zu sein.
Luca Urgese, FDP-Grossrat und Leiter Finanzen und Steuern der Handelskammer, sagt: «Zum sechsten Mal in 20 Jahren wird eine Umverteilungs-Initiative von links klar abgelehnt. Auch in Basel-Stadt findet die 99%-Initiative keine Mehrheit. Es wäre an der Zeit, endlich zu akzeptieren, dass die Bevölkerung nicht mehr Umverteilung will.»
Aber was heisst das Resultat nun für die Zukunft von Basel-Stadt?
Das ist gar nicht so eindeutig. In Basel stehen einige Steuerdiskussionen an.
Kürzlich hat Finanzdirektorin Tanja Soland (SP) wieder einen Überschuss präsentiert. Sofort spitzten die Bürgerlichen den Rotstift und forderten Steuersenkungen. In der letzten Legislatur sind sie mit einer Dividendensteuersenkung noch unterlegen. Mittlerweile sind die Mehrheitsverhältnisse aber anders: Nicht nur im Grossen Rat, sondern auch in der Regierung machen die Grünliberalen deutlich den Unterschied und die sind in Finanzfragen bürgerlich (auch wenn sie sich wegen Corona hin und wieder nicht so recht entscheiden konnten).
Ausserdem hat der Grosse Rat die Riehener Initiative «Entlastung der Familien» an die Regierung überwiesen und die Mitte (vormals CVP) kommt erneut mit einer Initiative, um die Krankenkassenprämien von den Steuern abzuziehen.
Die Linke dagegen möchte lieber mehr Geld ausgeben, etwa für Gratis-Kitas, gemeinnützigen Wohnbau und Umweltpolitik. Finanzdirektorin Soland kennt die Mehrheitsverhältnisse und hat bereits Entlastungspakete angekündigt, wie diese aussehen, lässt sie aber noch offen.
Gibt das Scheitern der 99-Prozent-Initiative jetzt den Basler Bürgerlichen und der Wirtschaftslobby Rückenwind?
Schwer zu sagen. Die Bevölkerung hat zuletzt, nicht nur bei der erwähnten Topverdienersteuer und dem Mindestlohn, überraschend links gestimmt. Letztes Jahr nahm Basel-Stadt auch die Konzernverantwortungsinitiative mit 62 Prozent an. Sie wollte Schweizer Firmen dazu verpflichten, für Menschenrechtsverletzungen im Ausland zu haften.
Besonders hoch war die Zustimmung aber bei einem Kompromiss: der Steuervorlage 17 im Februar 2019. Damit wurden die Steuern für Gewerbe und Unternehmen sowie die Einkommenssteuern gesenkt. Dafür wurden die Dividendenbesteuerung, die Familienzulagen und Prämienverbilligungen erhöht. Alle Parteien waren im Boot, ausser die Basta.
In der aktuellen Lage könnten ähnliche Kompromisse erfolgreicher sein als radikale Forderungen von rechts oder links. Zu bedenken ist aber: Anstehende Vorlagen wie die Kita-Initiative oder Steuersenkungen sind Vorlagen für den Mittelstand oder Wohlhabende. Am meisten getroffen hat Corona jedoch die Menschen mit kleinem Portemonnaie. Freija Geniale, Vizepräsidentin der Basler Juso: «Die Schere wischen Normalverdienenden und Superreichen wird immer grösser.»