Live aus dem Grossen Rat: Parlament gibt Gas bei den Elektroautos
+++Grosser Rat will 4200 Stromtankstellen+++ Klare Sache: Neues Hochhaus vom Grossen Rat abgesegnet +++ Entscheid zu Corona-Härtefallhilfen für ärmere Haushalte vertagt +++
🤓Hallihallo, du guter Mensch. Mein Name ist Andrea und ich habe heute live für dich aus dem Grossen Rat berichtet 🤓 Übrigens eine ziemlich spontane Idee. Ich sass so da morgens um 9 Uhr und hörte den Politiker*innen beim Palavern zu. Und dachte: Wenn ich schon mithöre, kann ich auch grad mitschreiben und meinen Senf dazugeben. Und zack, hatte Bajour einen Grossratsticker.
Aber jetzt zur Politik. Der Grosse Rat sagte heute «Ja» zu:
- dem Luxushochhaus an der Heuwaage (gewisse nennen sie «Unort», ich sage: An der Heuwaage ist Basel eine richtige Stadt)
- der Hübschisierung des Winkelriedplatzes (die Gundelianer*innen haben das verdient)
- Elektroautos. Beziehungsweise Stromtankstellen, damit man die Auti auch tanken kann. Die Regierung wollte 200, das Parlament forderte jetzt sogar 4400
- zahlreichen (böse Zungen sagen: zu vielen) Vorstössen. Darunter zwei Motionen, die es Beizen erlauben sollen, auch auf dem Trottoir oder Parkplätzen aufzutischen. Wegen Corona, natürlich.
Aber ehrlich gesagt, war der Nachmittag nicht mehr so prickelnd. So, dass ich es nicht mehr den Wert fand, mitzuschreiben. Deshalb enden die Updates schon am Mittag.
Bevor du jetzt weiterscrollst, sag mir doch bitte noch rasch: Findest du so einen Grossrats-Ticker gut oder schlecht oder so lala? Schreib mir: [email protected]
12:02 im Grossen Rat Grosser Rat will 4200 Stromtankstellen in Basel |
Normalerweise sind die Fronten in Verkehrsfragen klar. Für Autos sind FDP, LDP, SVP und Mitte. Dagegen: GAB, SP und die GLP. Bei den Elektroautos ist alles anders. Das hat man in der heutigen Debatte über das so gennante Gesamtkonzept Elektromobilität gesehen. Das Parlament musste entscheiden: Sollen die Industriellen Werke Basel 200 Stromtankstellen bauen, wie es die Regierung will? Oder gar 4200, so wie es die Verkehrskommission in einer Motion fordert? FDP und SP haben geschlossen für 4200 Stromtankstellen gestimmt. SVP und LDP wollten nur 200 bauen. Mitte, EVP und GAB waren gespalten. Was war da los? Normalerweise fordert Rotgrün die Maximalvariante. Doch bei der Elektromobilität ist es tricky. Noch lieber als Stromautos haben Linke nämlich gar keine Autos auf der Strasse, sagte Beat Leuthardt von der BastA! Aber wenn schon, dann solche, die «weniger Lärm machen und nicht stinken», sagte Sozialdemokratin Lisa Mathys. Aber woher die Begeisterung von Teilen der Bürgerlichen? Franz-Xaver Leonhardt von der Mitte sagte (in seinem ersten Votum, er bezeichnete sich als «nervös») über 4000 Ladesäulen seien zwar verrückt, aber eben visionär verrückt angesichts des Klimawandels: «Ich hoffe, unsere Kinder werden in 50 Jahren auch noch Schnee auf dem Titlis anschauen können.» Und Beat Braun-Gallacchi brachte die freisinnige Haltung (in einem angenehm kurzen und pointierten Votum, bitte mehr davon, liebe Grossrät*innen) auf den Punkt: «Das Problem mit den Ladestationen ist kein rotgrünes Hirngespinst», sagte Braun. «Die Autobranche ist in Bewegung, die Elektrotechnologie setzt sich durch.» Tesla baue aus, VW baue aus, Frankreich wolle der grösste Elektroautohersteller werden. Und zwar wegen der Nachfrage: Viele Menschen wollen ein Elektroauto haben. Das Problem, so Braun-Gallacchi: «Sie kaufen trotzdem keins, weil es zu wenig Stromtankstellen gibt.» Ausserdem stört sich Braun-Galacchi am Finanzierungsschlüssel, den die Regierung vorschlägt: Ein so genanntes «bedingt rückzahlbares Darlehen» an die IWB. Was so viel bedeutet wie: Die Steuerzahler*innen finanzieren's. Die Kommissionsmotion dagegen schlägt vor, dass diejenigen bezahlen, welche die Ladesäulen auch brauchen: Die Autofahrer*innen. Und zwar über den Energieförderfonds. «Das ist ein zutiefst bürgerliches Finanzierungsmodell», lobte Braun-Galacchi. Nicole Strahm-Lavanchy von der LDP dagegen fand die Uvek-Motion «anmassend». Natürlich müsse man schauen, dass die Autofahrer*innen auf Elektroautos umsteigen (Strahm-Lavanchy sprach von der «Dekarbonisierung des Verkehrs»), aber: «Der Bedarf nach so tausenden von Ladestationen ist nicht nachgewiesen», so Strahm-Lavanchy. Und Lorenz Amiet von der SVP kritisierte, man müsse die technologische Entwicklung im Auge behalten: «In einigen Jahren sind diese Säulen veraltet.» Sein Parteikollege Beat K. Schaller, SVP meinte einen «Tunnelblick auf Strom als Energieträger» zu entdecken. Man müsse auch Wasserstoff in Betracht ziehen. Wirtschaftsdirektor Kaspar Sutter (SP) nahm die Motion bereitwillig entgegen. Aber nicht ohne zu betonten, er sitze hier im Namen des ehemaligen Wirtschaftsdirektors Christoph Brutschin, unter dem die Vorlage grösstenteils ausgearbeitet wurde. Dann drehte Sutter noch einige Schlaufen zur Vorbildfunktion des Regierungsrats (Polizei-Teslas! Elektro-Putzautöli!, BVB-Busse!). Kein Wunder: Sutter musste im Namen der Regierung ziemlich viel Kritik einstecken. Und das von rotgrün selbst. Sowohl SP-Grossrat Daniel Sägesser wie auch die Grüne Raffaela Hanauer oder David Wüest-Rudin von der GLP kritisierten, der Vorschlag der Regierung sei nicht ambitioniert und enthalte keine Strategie, wie man weg vom Verbrennungsmotor komme. «Im Tempo der Regierung sind wir im 22. Jahrhundert noch nicht bereit für Elektroautos», so Wüest-Rudin. Der Grosse Rat nahm dann den Regierungsrätlichen Vorschlag und die Motion an. Jetzt muss der Regierung einen neuen Vorschlag ausarbeiten. Und eine Elektromobilitätsstrategie obendrauf. Das vorliegende Geschäft habe diesen Namen nicht verdient, fand die Mehrheit des Parlaments. Abstimmungsresultat:
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Darum geht's: Die Details zum Geschäft hat Bajour-Ina hier erklärt und aufbereitet: Was kommt zuerst: Die Stromtankstelle oder das Elektroauto |
10:12 aus dem Grossen Rat Basel bekommt einen neuen Winkelriedplatz |
Die Gundelianer wird’s freuen: Ihr Winkelriedplatz wird aufgehübscht: Der Grosse Rat bewilligt 4,4 Mio. Franken. Es gibt neue WC’s, das Transformatorengebäude wird umgebaut und eine Buvette gibts auch. |
9:20 Uhr im Grossen Rat Alle wollen das neue Heuwaage-Hochhaus, nur BastA! und Grüne wieder mal nicht |
Die meisten im Grossen Rat sind sich einig: Die Heuwaage kann nur schöner werden. Die Mehrheit des Parlaments unterstützt deshalb den neuen Luxusturm, der das Steinentor ersetzen soll. Stefan Wittlin (SP) lobt die «Eleganz» und «städtebauliche Reperatur einer ungünstigen Situation.» Pascal Messerli (SVP) sagt: «Sind wir ehrlich, die Heuwaage ist nicht grad der ansehnlichste Ort. Eine Aufwertung ist eine Verbesserung.» Nur das GAB bricht die Einigkeit, wie so oft. Tonja Zürcher (BastA!) kritisiert: «Der Bau ist aus der Zeit gefallen.» Der Wohnschutz oder das Klima würden ignoriert. «Mit dem Neubau gehen 41 bezahlbare Wohnungen verloren. Neu gebaut werden null bezahlbare Wohnungen.» Laut Beat Leuthardt, seines Zeichens auch Präsident des Mieter*innenverbandes, ist das Geschäft deshalb «verfassungswidrig». Dies, weil die Bevölkerung sich in mehreren Abstimmungen für mehr Wohnschutz ausgesprochen hat. Die Mehrheit des Parlaments sieht das aber anders: Baukommissions-Präsident Jeremy Stephenson sagte schon gegenüber Bajour: «Klar, den günstigen Wohnraum braucht es, aber die Frage ist, wo. An der Heuwaage zum Beispiel, braucht es ihn nicht.» Das Projekt weise eine Architektur auf, die nicht auf preisgünstiges Wohnen zugeschnitten ist. Rein um die Baukosten zu decken, müsste die Mieter*innen tiefer in die Tasche greifen. Das liegt laut Jeremy Stephenson am teuren Standort Heuwaage und daran, das Hochhäuser generell teuer seien. Ausserdem erklärt er: «Die Pensionskasse Baselland, die Eigentümerin, ist gezwungen, Rendite zu machen. Denn sie muss die Renten finanzieren.» Abstimmungsresultat:
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Darum gehts: Das Steinentor-Hochhaus ist das erste Wohn- und Geschäftshaus der Stadt. Seit 1955 steht es an der Heuwaage. Jetzt will die Pensionskasse Baselland das «in die Jahre gekommene Gebäude» abreissen und ein neues Hochhaus bauen. Es soll freistehend sein und 85 Millionen Franken kosten. Günstig wird das Wohnen darin nicht: 350 Franken zahlt man für einen Quadratmeter pro Jahr. Das entspricht einer monatlichen Miete von 2'333 Franken für eine 80-Quadratmeter-Wohnung. Mehr dazu liest du hier: Ein ästhethisches Hochhaus statt «gruusige» Blöcke? |
9:18 Uhr im Grossen Rat Bürgerliche finden Härtefallunterstützung für Familien unwichtig |
SP-Grossrat Pascal Pfister möchte Haushalte mit kleinem Portemonnaie finanziell unterstützen: Diese leiden besonders unter Corona. Um die akute Not dieser Menschen zu lindern, fordert Pfister eine einmalige Corona-Härtefall-Unterstützung für alle Personen und Haushalte, die zwischen 2019 und 2020 aufgrund der Corona-Pandemie eine Einkommenseinbusse von mindestens 5 Prozent nachweisen können und unter die Kriterien der Prämienverbilligung fallen. Der Unterstützungsbeitrag soll einer doppelten Prämienverbilligung entsprechen. «Den Unternehmen haben wir auch geholfen. Jetzt sind die Familien dran», sagt Pfister. Er wollte deshalb die Motion für dringlich erklären und bereits heute abstimmen. Die Bürgerlichen stimmten dagegen. Der Grosse Rat wird nun erst im Juni darüber befinden. FDP-Grossrat Marc Eichner sagte bereits heute: «Wir müssen als Kanton nicht ins austarierte System der Sozialversicherungen des Bundes eingreifen.» Aber mit Hilfe von GLP und EVP könnte es im Frühling für eine Mehrheit reichen. |
🤔Andrea meint: Shame on you, bürgerliche Grossrät*innen Alle bekommen Geld: Die Wirt*innen, die Selbstständigen, sogar die Immobilienfirmen. Das ist gut so: Der Staat muss Firmen für die Einbussen wegen Corona entschädigen. Aber was ist mit den Familien? Gerade Armutsbetroffene trifft es hart. Bei der Bajour-Selbsthilfe-Gruppe melden sich immer mehr Menschen und bitten um Lebensmittel, weil sie sich diese nicht mehr leisten können. Das sind keine Ausnahmen: Die Ungleichheit nimmt zu, zeigt eine Studie der Konjunkturforschungsstelle der ETH: Rund ein Drittel der Haushalte mit Einkommen unter Fr. 4'000, die vor der Krise einer Erwerbsarbeit nachgingen, wurden im Verlauf der Krise arbeitslos oder mussten Kurzarbeitsgeld beziehen. Haushalte mit Haushaltseinkommen von unter Fr. 4'000 verzeichneten ein Einkommensminus von 20 Prozent. Die Arbeitslosigkeit nimmt zu, die Kurzarbeit ebenfalls. Deshalb müssen wir die Unterstützung für Familien von der Erwerbsarbeit entkoppeln. Sonst fallen die Armutsbetroffenen zwischen die Maschen. |
9:07 im Grossen Rat Parlamentspräsident David Jenny (FDP): Sexistische Beleidigungen gehen gar nicht |
Bei der letzten Sitzung hat ein rechtsextremer Grossrat die Parlamentarierin Jessica Brandenburger (SP) beleidigt. Jetzt hat Grossratspräsident David Jenny reagiert: «Ich habe die Beleidigung leider nicht gehört», er habe den entsprechenden Grossrat gerade abgemahnt. Hätte er es gehört, hätte der Beleidiger eine weitere Abmahnung erhalten. Er akzeptiere Beleidigungen nicht, sagt Jenny. |
Was genau geschah: Der Vorfall spielte sich an der Grossratssitzung vom 17. März ab. Diskutiert wurde Jessica Brandenburgers Anzug betreffend einer Anlaufstelle sexuelle Gesundheit. Die Sozialdemokratin begründet den Vorstoss unter anderem mit dem Schutz von Kindern und Jugendlichen: «Kinder und Jugendliche sollen ihre eigenen Bedürfnisse, Wünsche und auch Grenzen kennen und benennen können – denn informierte Kinder und Jugendliche sind besser geschützt.» Nach ihrem Votum meldete sich ein Rechts-aussen-Politiker zu Wort. Seine Aussage ist unter der Gürtellinie. Sinngemäss sagte er: Wer anständig und hübsch sei, brauche keine Sexberatung. Die Politikerin, die den Anzug eingereicht habe, sei weder noch. Daraufhin kritisierte Brandenburger auf Twitter, dass niemand sie verteidigt habe. Mehrere Grossräte holten das nachher auf Twitter nach. Mehr dazu hier. |