Basler Bäume – Rest in Peace
Die Basler*innen strömen zuhauf in die herbstlich gefärbten Wälder. In 70 Jahren könnte das ganz anders aussehen. Viele der lokalen Bäume leiden unter der Klimakrise. Das werden nicht alle überleben.
Am Rheinufer färbt sich der Spitz-Ahorn orange. Im Allschwiler Wald raschelt das Laub unter den Füssen. Scharenweise zieht es die Basler*innen aktuell in den Herbstwald, wie die ungewöhnlich vielen Autos bei den diversen Waldparkplätzen am Wochenende zeigen.
Man könnte ob der Schönheit ein bisschen wehmütig werden: Wird es in 100 Jahren überhaupt noch solche Herbstbäume in Basel geben? Wegen der Klimakatastrophe müssen wir ja schon heute den Fichten und Buchen in der Stadt beim Sterben zusehen.
Das haben wir Meinrad Gunti von der Stadtgärtnerei Basel-Stadt und Sabine Braun vom Institut für Angewandte Pflanzenbiologie (IAP) gefragt. Kurze Antwort: Es wird noch Bäume geben. Aber andere.
Für folgenden sieben Baumarten müssen wir langsam das Lied des Todes anstimmen:
Ahorne (z.B. Spitzahorn)
Wird es eher nicht mehr geben, kommt aber auf die Art an. Ahorn ist generell sehr salzempfindlich (Stichwort Streusalz) und kämpft aktuell mit einem Pilzbefall.
Rosskastanien
Rosskastanien haben aktuell einen hohen Pilzbefall. Ihr Bestand wird ebenfalls zurückgehen. Durch den heissen und trockenen Sommer hat die Rosskastanie auch mit Insektenbefall zu kämpfen.
Linden
Wird es in Zukunft eher nicht mehr in Basel geben. Mit Trockenheit können Linden nicht umgehen.
Buche
Haben wenig bis keine Resistenz gegen Trockenheit.
Eichen
Kommt auf die Art an. Traubeneichen wird es noch geben, Stieleichen sind fraglich, Flaumeichen werden wohl aussterben. Flaumeichen haben bereits jetzt grosse Probleme im Wald wegen Trockenheit.
Baumhasel
Fraglich. Die Baumhasel ist sehr salzempfindlich und empfindlich gegenüber Trockenheit. An der Wanderstrasse lassen sich bereits heute die Schäden durch Pilzbefall erkennen.
Platanen
Vertragen Wärme eigentlich gut, aber auch sie leiden unter verschiedenen Schädlingen und Pilzen. Platanen werden mit den klimatischen Veränderungen am besten umgehen können.
Aber auch wenn du in Zukunft nicht mehr so viele Buchen bewundern kannst: Dafür gibt es andere Bäume. So könnte es in Zukunft Pinienbäume am Rheinufer, Palmen auf dem Barfüsserplatz und Steineichen im Kannenfeldpark geben. Diese eignen sich besser für die wärmeren Temperaturen.
Kannenfeld in neuem Gewand
Das Ausmass des Wandels lässt sich am Kannenfeldpark gut illustrieren. Aktuell zeichnet sich die 8,5 Hektar grosse Parkanlage durch eine besonders grosse Baumartenvielfalt aus. 190 verschiedene Baumarten verteilen sich auf insgesamt 800 Bäume.
Ahorne, Rosskastanien und Linden säumen die Fusswege. Viele davon werden mit der Zukunft Mühe haben. Aber auch die Eichen, Eschen und Linden werden aus dem Kannenfeldpark mit der Zeit und den steigenden Temperaturen verschwinden. Ein Kannenfeldpark ohne diese Baumarten sieht wie folgt aus:
Der Kannenfeldpark war bis 1952 ein Friedhof. Von 1868 fanden auf dem Kannenfeld-Gottesacker insgesamt 46'000 Beisetzungen statt. Erst durch die Inbetriebnahme des Zentralfriedhofs am Hörnli nutzte man stufenweise das Gelände zur öffentlichen Grünanlage um.
Und was ist mit dem Wald? Können wir in 70 Jahren noch durch bunte Wälder und raschelndes Laub spazieren?
Schwer zu sagen, erklärt Ueli Meier, Kantonsforstingenieur und Leiter Amt für Wald beider Basel. Entwickelt sich das Klima gemäss wissenschaftlichen Prognosen, wird der Wald hier wohl aussehen wie in Sizilien. «Die Hopfenbuche, die Mannaesche, die Zerreiche oder der italienische Ahorn finden heute dort optimale Lebensbedingungen», sagt Ueli Meier. Es könnte also eine Art Baumwanderung vom Süden in den Norden geben.
Denn unsere alten Bäume haben heute schon Mühe, «allen voran die Fichte und die Buche», erklärt Meier. Sehr unklar ist, was mit der Tanne und dem Bergahorn passiert, sagt er.
Aber keine Angst: Ganz verschwinden werden Fichte oder Tanne nicht, sie werden weiterhin in Nischen ihren Platz finden, doch ohne die dominante Stellung.
Ist der Wald dann noch so schön wie heute?
Kommt drauf an, was die Förster*innen tun. Ueli Meier: «Wenn wir nichts tun, wird die Natur eine Form von Wald entwickeln.» Aber: «Dieser Wald würde unsere Ansprüche nicht decken.» So hat der Wald ja verschiedene Aufgaben. Er
- dient als Erholungsort.
- sorgt für kühlere Luft.
- liefert Holz.
- schützt vor Naturgefahren wie zum Beispiel Lawinen.
- sorgt für Biodiversität.
Damit er diese Aufgaben weiter erfüllt, braucht es die Förster*innen, welche die Waldentwicklung entsprechend steuern. Wie das in Zukunft funktioniert, hängt auch von den klimatischen Extremereignissen ab. Sicher ist: Wir Menschen müssen unsere Ansprüche drosseln. Ueli Meier: «Wir können nicht erwarten, dass alles jederzeit und überall möglich ist.»
Die grösste Herausforderung besteht in der Unberechenbarkeit der Entwicklung.
Expert*innen gehen davon aus, dass Basel durch die geographische Lage besonders unter der Klimakrise leiden wird. Geht man global mit einem Temperaturanstieg bis 2100 von 2 Grad aus, ist für Basel und die Region eine von 4 bis 5 Grad prognostiziert.
Das kann mit Wetterextremen einhergehen. Trockene und heisse Sommer, Hochwasser oder Spätfröste im Frühling und Stürme im Herbst bringen die Stabilität des Ökosystems ins Wanken. «Dabei ist nicht das einzelne Ereignis das Problem, sondern die Abfolge oder das Zusammentreffen in kurzen Intervallen.» Es profitieren auch neue Schadorganismen wie Pilze, Bakterien, Käfer oder auch invasive Pflanzen von der Schwächung der einheimischen Pflanzen- und Tierarten, die dadurch noch mehr unter Druck kommen.
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