«Hoffnung, Solidarität und Verständigung sind die Grundlagen für unser friedliches Zusammenleben»
Claudio Miozzari (SP) blickt auf sein Amtsjahr als Grossratspräsident zurück. Seine Schlussrede im Wortlaut.
Sehr geehrter Herr Statthalter, lieber Balz
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Grossen Rates
Sehr geehrter Herr Regierungspräsident, lieber Conradin
Verehrte Damen und Herren Regierungsrätinnen und Regierungsräte
Sehr geehrter Herr Vorsitzender des Gerichtsrates, lieber Stephan
Sehr geehrte Mitarbeitende des Parlamentsdienstes
Sehr geehrte Medienvertreterinnen und Medienvertreter
Werte Damen und Herren Gäste auf der Tribüne und zu Hause an den Bildschirmen
Ich bin voller Dankbarkeit. Der Grosse Rat, meine Fraktion, meine Familie, Freundinnen und Freunde, dieser Kanton, diese Region und ganz viele ihrer Menschen haben mir ein unvergessliches Jahr geschenkt in der speziellen Rolle als Grossratspräsident. Sie haben mir einzigartige Einblicke erlaubt, meinen Horizont erweitert. Sie haben mich beeindruckt. An unzähligen Anlässen und Orten, zu denen ich eingeladen war – oder mich bisweilen auch selber eingeladen habe.
Zum Beispiel im Wald oberhalb von Pfeffingen, wo täglich eine Gruppe von LIV Basel-Stadt mit Erwachsenen mit Autismus-Spektrum-Störung am Arbeiten ist. Egal, wie das Wetter ist, dort finden sie Halt.
Oder bei der Polizei, bei der ich erleben konnte, wie kreativ und gekonnt im Einsatz Sprachbarrieren überwunden werden, um nur ein besonders eindrückliches Beispiel zu nennen.
Und beispielsweise an der Industrienacht, wo ich die Innovationsfähigkeit und die Leistungskraft von regionalen Unternehmen bewundern durfte.
Ich habe an diesen und noch an vielen, vielen Orten und Anlässen mehr unglaublich viele engagierte Menschen getroffen, die sich auf unterschiedlichste Weise einsetzen – für gute Entwicklungen, für unsere Gemeinschaft. Die voll motiviert sind, ihre Sache gut zu machen. Die an eine Verständigung und ein gutes Zusammenleben glauben. Die erkennen, wo Probleme liegen und sie angehen möchten. Die da sind für ihr Umfeld und andere.
All diese Begegnungen haben mein Herz gefüllt und geben mir unglaublich viel Zuversicht. Denn dieses Engagement ist sehr wichtig für unser Zusammenleben. Es ist auch die allerbeste Grundlage für die Pflege unserer demokratischen Prozesse und Institutionen.
«So glücklich und beschwingt mich diese Erlebnisse machen – so erschütternd traurig ist das Erwachen, wenn ich die schrecklichen Nachrichten aus der ganzen Welt lese.»Claudio Miozzari
So glücklich und beschwingt mich diese Erlebnisse machen – so erschütternd traurig ist das Erwachen, wenn ich die schrecklichen Nachrichten aus der ganzen Welt lese – auch diese Woche wieder. Was werden diese selbstherrlichen Männer, diese unberechenbaren Extremisten in den USA, Russland und in vielen Ländern mehr noch alles anstellen?
Und wie kann es sein, dass mein Grossratspräsidententraum einer engagierten Gesellschaft und die politische Realität in vielen Ländern so weit auseinanderklaffen? Wenn ich etwas nüchterner auf die vielen bereichernden Begegnungen in meinem Präsidiumsjahr zurückblicke, wird mir deutlich, dass ich auch viele schwierige oder traurige Realitäten erlebt habe.
Zum Beispiel in Gesprächen mit Baslerinnen und Baslern, die nicht mehr schlafen können aus Angst um ihre Familienmitglieder in der Ukraine oder in Israel und Gaza.
Oder an einem Anlass zum Thema Suizid, an dem Angehörige Gelegenheit gefunden haben, zu erzählen. Das war wunderschön, hat mir aber auch sehr deutlich gemacht, wie Menschen bei uns unter Tabus leiden.
Und beispielsweise im Gespräch mit einer 100-jährigen Jubilarin, die hellwach und sehr schlagfertig war, aber auch schonungslos aussprach, wie einsam sie ist und wie sehr sie darunter leidet, dass ihre Schmerzen und ihre Betreuungssituation nicht mal mehr einen Spaziergang im Garten erlauben.
Auch bei diesen Begegnungen habe ich Menschen getroffen, die mich beeindruckt haben. Auch hier habe ich viel guten Willen und viel Unterstützung von Institutionen und Gesellschaft erlebt. Und trotzdem war und ist es so, dass diese Anstrengungen nicht reichen, das Leiden und die Trauer richtig aufzufangen.
«Bemühen wir uns umso mehr, im privilegierten Kanton Basel-Stadt unseren Beitrag für eine bessere Welt zu leisten.»Claudio Miozzari
Es gibt bei uns Armut – viel häufiger als man annimmt – Ungerechtigkeit und Verzweiflung. Wir sind gefordert, diesen Realitäten zu begegnen und bessere Grundlagen zu schaffen dafür, dass die Menschen Hoffnung schöpfen können.
Hoffnung, Solidarität und Verständigung sind die Grundlagen für unser friedliches Zusammenleben. So entziehen wir Missgunst, Wut und übler Desinformation die Grundlagen. Und sind bereit, unseren Beitrag zu leisten bei jenen Herausforderungen, die viel zu drängend sind, um sie weiter aufzuschieben.
Ich beziehe mich da auf den Klimanotstand, der existentielle Fragen aufwirft und Aufgaben stellt, denen wir auf dem Planeten aktuell noch weniger gewachsen sind als bisher schon. Bemühen wir uns umso mehr, im privilegierten Kanton Basel-Stadt unseren Beitrag für eine bessere Welt zu leisten.
Liebe Engagierte, denen ich in diesem Jahr habe begegnen dürfen, DANKE allen für die Hoffnung und Zuversicht, die Ihr begründet. Danke für Euer Engagement.
Es war mir eine unglaubliche Ehre und ein riesiges Privileg, Ihr Grossratspräsident zu sein.
Hiermit schliesse ich das vierte Amtsjahr, und damit auch die 44. Legislatur.
Claudio Miozzari hat sein Amt als Grossratspräsident am 1. Februar 2024 angetreten und damit Bülent Pekerman (GLP) abgelöst. Er gehört dem Grossen Rat seit 2017 an und hat seither Einsitz in der Bildungs- und Kulturkommission. Sein primäres politisches Interesse gilt der Schule und der Kindertagesbetreuung. Weiter engagiert er sich als Mitglied von «Kulturstadt Jetzt» für die Förderung der Jugend- und Alternativkultur. Über dieses Komitee ist er 2012 in die Politik gekommen und ist seither Mitglied der SP Basel Stadt.
Claudio Miozzari ist in Bubendorf aufgewachsen und hat Geschichte, Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Recht in Basel und Rom studiert. Seit 2007 führt er eine eigene Projektagentur im Bereich Kultur und Kommunikation.