Basel, wo sind deine Gesundheitsdaten?
Mit dem elektronischen Patient*innendossier geht es in Basel nicht vorwärts. Ein Grund: Es gibt vor Ort keine Stelle, um eines zu eröffnen. Selbst der ehemalige Kantonsarzt fährt deshalb nach Zürich.
Der Januar ist schon fast um und langsam zeigt sich, wer es ernst meint mit seinen Vorsätzen fürs neue Jahr. Und Thomas Steffen meint es ernst. Der ehemalige Kantonsarzt und Mr. Corona von Basel hat sich für 2023 vorgenommen, ein elektronisches Patient*innendossier zu eröffnen. Warum? Er wolle «beim Aufbau mithelfen und persönlich meine Impfausweise digital so versorgen».
Das elektronische Patient*innendossier (EPD) will Patient*innen dabei helfen, Gesundheitsinformationen digital an einem Ort zu sammeln – das können Röntgenbilder, Impfzertifikate oder Blutbilder sein – um sie mit den zuständigen Ärztinnen und Ärzten zu teilen. Schnell und unkompliziert, ohne Papierkram.
Die medizinische Verwaltung soll mit dem EPD digitaler werden. Die Dossiers von Patient*innen nicht mehr in Papierform, sondern digital zu speichern, soll dabei helfen, alle wichtigen Informationen zum Gesundheitszustand zentral von einer Plattform abrufen zu können. Egal, bei welcher Ärztin oder welchem Spital ein*e Patient*in vorstellig wird: Die Daten sind da – mit Zustimmung der Patient*innen.
Kritik gibt es an der Sicherheit der Daten und daran, wer Zugriff darauf erhalten darf.
Doch schon die Eröffnung des EPD gestaltet sich für Steffen – und alle anderen Basler*innen – schwieriger als gedacht. In einem Tweet schreibt er: «Als Basler muss ich – wenn ich das richtig verstehe – nach Bern oder Zürich zur Anmeldung gehen.»
Das Gesundheitsdepartement (GD) bestätigt, dass es in der Region Basel momentan keine Stelle zur Eröffnung eines elektronischen Patient*innendossiers (EPD) gibt. Die nächsten Orte sind zum Beispiel in Solothurn, Zürich oder Bern.
Kein Wunder, kommt das EPD bisher in Basel nicht ins Rollen. Aktuell sind weniger als 50 Basler*innen im Besitz eines E-Dossiers, heisst es vom GD. Die Pharma-Stadt liegt damit im schweizweiten Vergleich auf den hinteren Rängen. Schweizweit sind rund 13’000 elektronische Patient*innendossiers eröffnet. Spitzenreiter mit den meisten eröffneten EPDs ist aktuell die Westschweiz, Genf führt beim Anbieter CARA mit 7991 EPDs die Liste an. Dort ist das E-Dossier wahrscheinlich deshalb erfolgreicher als anderswo, weil der Kanton bereits seine eigene Online-Gesundheitsplattform hatte, von dem die Nutzer*innen problemlos rüberwandern können, berichtet Netzwoche. Ausserdem gibt es dort seit 2021 die GenèveID als elektronisches Identifikationsdokument, was Zugang zum EPD ermöglicht.
Es ist kompliziert
Tut der Kanton Basel-Stadt nicht genug, um das elektronische Patient*innendossier nach vorne zu bringen? Doch sagt Anne Tschudin, Sprecherin des GD: «Das Gesundheitsdepartement Basel-Stadt erachtet das EPD als wichtig und beabsichtigt deshalb, dessen Ausbreitung zu fördern.» Fakt ist: Es geht nur schleppend voran.
«Der Start ist nun für dieses Jahr geplant. Dann wird es auch in Basel-Stadt für die Bevölkerung möglich sein, EPDs auf dem Kantonsgebiet zu eröffnen», so Tschudin. Es habe Verzögerungen gegeben, weil die Stammgemeinschaft Axsana, für die sich der Kanton als EPD-Anbieterin entschieden hatte, von der Schweizerischen Post übernommen und die Swisscom Health als Technikanbieterin abgelöst wurde. Die Bevölkerung werde rechtzeitig informiert, sobald es in Basel eine Möglichkeit zur Eröffnung gebe.
«Der Start ist nun für dieses Jahr geplant. Dann wird es auch in Basel-Stadt für die Bevölkerung möglich sein, EPDs auf dem Kantonsgebiet zu eröffnen»Anne Tschudin, Sprecherin Gesundheitsdepartement
Es ist es möglich, ein EPD online zu eröffnen, ohne persönlich vorstellig zu werden. Um das Dossier online zu eröffnen, braucht es zwei Dinge: eine elektronische Identität und eine elektronische Unterschrift. «Der Erhalt der elektronischen Identität erfordert eine Überprüfung der Identität der Person. Diese kann entweder persönlich oder online erfolgen», heisst es von eHealth Suisse, der Kompetenz- und Koordinationsstelle von Bund und Kantonen. Online gehe das momentan aber nur mit der Plattform TrustID.
Um ein EPD zu eröffnen, müssten Patient*innen eine Einwilligung unterzeichnen – handschriftlich oder online mit einer qualifizierten elektronischen Signatur. Nur wenige Personen würden über eine solche verfügen. «Aus diesem Grund ist eine handschriftliche Unterschrift erforderlich. Das Dokument kann dann gescannt und an den EPD-Anbieter geschickt werden», heisst es von eHealth. Anschliessend muss die E-Identität mit dem EPD verknüpft und das E-Dossier eröffnet werden. Nur die Anbieter emedo und CARA ermöglichen aktuell diesen Schritt. Axsana, die EPD-Anbieterin, mit der Basel-Stadt zusammenarbeitet, bietet das nicht an.
Immerhin: Laut eHealth haben die Patient*innen die freie Wahl unter den zertifizierten Stammgemeinschaften. «Soweit wir wissen, gibt es keinen EPD-Anbieter, der die Eröffnung eines EPD für den Bürger oder die Bürgerin in ihrer Region nicht zulässt. Für die Gesundheitsfachpersonen kann die Wahl manchmal durch den Kanton oder ihre Berufsverbände eingeschränkt oder gelenkt werden.»
Wer will die Daten?
Kommt noch jemand mit? Nochmal kurz zusammengefasst: Wer ein EPD eröffnen will, macht das entweder online mit elektronischer Identität und elektronischer Unterschrift. Oder vor Ort bei einer Eröffnungsstelle, wo man elektronische Identität und EPD-Anmeldung zugleich erhalten kann. In Basel gibt es aber keine Eröffnungsstelle. Der ehemalige Basler Kantonsarzt Thomas Steffen geht deshalb nach Zürich. Und viele andere verzichten wohl erst einmal.
Wer aktuell ein elektronisches Gesundheitsdossier eröffnen will, muss das wirklich wollen. Da es Kritik und Zweifel an der Sicherheit der Daten gibt, zögern einige mit der Eröffnung. Wie eine eHealth-Studie zeigt, befürchten viele der Befragten, dass Informationen in falsche Hände geraten oder der Datenschutz nicht eingehalten werde. In der Westschweiz gab es bereits einen Datendiebstahl aus zwei Arztpraxen. Es ist zudem kein Geheimnis, dass die Basler Pharmariesen Roche und Novartis grosses Interesse an den Daten hegen, auch wenn aktuell nur Spitäler und Ärzt*innen und nur mit Zustimmung der Patient*innen auf die Daten zugreifen dürfen.
Bislang ist die Eröffnung eines elektronischen Dossiers für Patient*innen freiwillig. Hingegen sind die Spitäler und Pflegeheime und die ab Januar 2022 neu zugelassenen Ärzt*innen gesetzlich dazu verpflichtet, sich dem EPD anzuschliessen. Spitäler inklusive Rehakliniken und Psychiatrien sowie Geburtshäuser und Pflegeheime müssen zudem nach einer festgelegten Frist ein EPD anbieten. Für die Geburtshäuser und Pflegeheime galt die Frist bis 15. April 2022.
Fehlende Systemanbindung
Thomas Steffen hat sein elektronisches Dossier immer noch nicht. Denn: Es ist nicht so leicht mit dem Termin in Zürich. «Dies muss ein Mittwoch zwischen 08.00 – 12.00 & 13.00 – 17:00 Uhr sein. Ich warte dafür auf einen Mittwoch, an dem ich so oder so in Zürich bin.»
Einen Blick konnte Steffen jedoch schon auf die Online-Plattform des EPD werfen. Bei der Suche nach medizinischen Institutionen in Basel hätte er aber erst ein Alters- und Pflegeheim und drei Einzelpraxen gefunden. «Ich könnte also meine Dokumente zurzeit nach der Registrierung schon hinterlegen, aber auf Seite der Institutionen fehlt scheinbar noch weitergehend die Systemanbindung.»
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