Trinkt mehr/keinen Wein! 🍷

Der Blick auf die aktuellen Schlagzeilen könnte einen dazu verleiten, geradewegs zur Flasche zu greifen. Doch wir wissen, dass das nicht gesund, sondern schädlich wäre. Die Bundesbeamten scheinen sich mit dem gleichen Problem herumzuschlagen. Sie wollen uns gleichzeitig zu mehr und zu weniger Weinkonsum anhalten. Luca Urgese über die Absurdität behördlichen Verhaltens.

Wein Kolumne Urgese
Luca Urgese möchte von den Behörden reinen Wein eingeschenkt bekommen. (Bild: Adobe Stock)

Vor einigen Wochen erreichte uns vom Bundesamt für Landwirtschaft die Mitteilung, dass im Jahr 2024 der Weinkonsum in der Schweiz stark zurückgegangen sei. Keine schlechte Entwicklung, sollte man angesichts der gesundheitlichen Konsequenzen übermässigen Alkoholkonsums meinen. Doch offenbar weit gefehlt. Es handle sich dabei um einen «besorgniserregenden Trend», der auch bei unseren direkten Nachbarn und in praktisch allen Ländern, in denen traditionell Wein konsumiert werde, festzustellen sei.

Besorgniserregend scheint der Trend deshalb zu sein, weil der Bund eigentlich will, dass wir mehr Wein konsumieren – und dafür viel Geld bezahlt. Jedes Jahr subventioniert er nämlich die Werbung für Schweizer Wein mit neun Millionen Franken an Swiss Wine Promotion, ein «Promotionsorgan» des nationalen Branchenverbandes. Die Subventionen für Weinbauern sind da nota bene noch nicht eingerechnet. Mit vielen Millionen finanziert der Bund die Produktion von Schweizer Wein mit.

Zur Person

Luca Urgese, Jg. 1986, politisiert seit 2014 für die FDP im Grossen Rat. Von 2016 bis 2021 war er Parteipräsident. Im März kandidierte Urgese für den Regierungsrat, unterlag jedoch Mustafa Atici. In seiner Kolumne «Caffè Urgese» schaut er mit der bürgerlichen Brille auf Basel. Er äussert sich als Politiker und nicht als Mitarbeiter der HKBB.

Vollends verwundert bleibt man als Leser zurück, wenn dann auch noch der sinkende Weinkonsum bei den Jungen beklagt wird: «Vor allem junge Menschen wenden sich vom Wein ab, obschon diese Kultur in den hiesigen Sprachregionen fest verankert ist.»

Die Jungen sollen also gefälligst mehr Wein trinken, weil das unserer Kultur entspricht? Vielleicht wäre das ein guter Augenblick, diese Trinkkultur kritisch zu hinterfragen. Der Blick in die Verkaufsregale der Detailhändler zeigt, dass alkoholfreie Alternativen sich zunehmender Beliebtheit erfreuen und das entsprechende Angebot vielfältig geworden ist.

Natürlich soll jeder die Freiheit haben, sich zum Feierabendbier mit Freunden zu verabreden oder sich zum Nachtessen ein Glas Wein zu gönnen. Aber einen Grund für staatlichen Interventionismus, um den Alkoholkonsum anzuregen, sehe ich nicht.

Wir geben als Steuerzahlende Geld dafür aus, die Bevölkerung gleichzeitig zu mehr und zu weniger Alkoholkonsum zu bewegen. Ziemlich absurd!

Zumal der gleiche Bund uns davor warnt, Alkohol zu trinken: «Alkohol kann bereits in kleinen Mengen eine Vielzahl von Krankheiten verursachen oder begünstigen.» So lesen wir es auf der Webseite des Bundesamtes für Gesundheit. Umfassende Präventionsprogramme von Bund und Kantonen sollen dafür sorgen, dass wir weniger Alkohol trinken. Wir geben als Steuerzahlende also Geld dafür aus, die Bevölkerung gleichzeitig zu mehr und zu weniger Alkoholkonsum zu bewegen. Ziemlich absurd!

Alkohol ist allerdings nicht das einzige Suchtmittel, bei dem wir dieses widersprüchliche Verhalten der öffentlichen Hand antreffen. Dasselbe Muster zeigt sich auch beim Tabak. Während wir die Tabakproduktion subventionieren, sind die Gesundheitsapostel in den Parlamenten gerne zur Stelle, um den Tabakkonsum zu regulieren und einzuschränken.

Und auch die Produktion und den Absatz von Zucker und Fleisch fördern wir mittels Subventionen, während uns das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen empfiehlt, möglichst wenig von beidem zu essen.

Damit können wir uns nicht zufriedengeben. Bundesrat und Parlament tragen die Verantwortung für ein konsistentes Behördenverhalten.

Warum diese Absurdität behördlichen Verhaltens? Natürlich kann sich der Bund dahinter verstecken, dass die Förderung der Landwirtschaft auf der einen Seite und die Förderung der Gesundheit der Bevölkerung auf der anderen Seite in der Verantwortung zweier verschiedener Departemente liegen. Damit können wir uns jedoch nicht zufriedengeben. Bundesrat und Parlament tragen die Verantwortung für ein konsistentes Behördenverhalten.

Der Grund liegt wohl woanders. Auf beiden Seiten üben Lobbyorganisationen erheblichen Druck aus. Die Lobbykraft des Bauernstandes ist berüchtigt. Und auch die Gesundheitslobby hat schon unter Beweis gestellt, dass sie politische Erfolge erzielen kann. Der Weg des geringsten Widerstandes ist es deshalb, beide Gruppen zufriedenzustellen. Die einen bekommen ihre Produktionssubventionen inklusive Vermarktungszuschlag, die anderen ihre Präventionskampagne inklusive schulisch vermittelter Konsumempfehlung.

Es fehlt die Bereitschaft der politischen Entscheidungsträger, die beiden Optionen einander gegenüberzustellen und einen politischen Entscheid in die eine oder andere Richtung zu treffen oder herbeizuführen. Und schon gar nicht ist man bereit, keines von beidem zu tun und den Menschen den mündigen Konsumentscheid zu überlassen. Deshalb macht man einfach beides. Die Rechnung geht an die Steuerzahlenden. Zum Wohl!

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