Wenn Menschen mit harten Drogen geheilt werden sollen

Betäubungsmittel wie LSD können bei schweren psychischen Erkrankungen therapeutisch eingesetzt werden – allerdings ist Vorsicht geboten, wie Matthias Liechti von der Uni Basel sagt.

LSD Tabletten
Unter Sonderbewilligung werden Rauschmittel an Patient*innen verabreicht. (Bild: Pixabay)

Manuel* leidet an einer bipolaren Störung, starkem ADHS und am Borderline-Syndrom. Um von seinen Leiden erlöst zu werden, bekommt er in einem eigens vom Arzt angemieteten Haus auf dem Land LSD verabreicht – ein an sich verbotenes Betäubungsmittel. Dieser Bericht über einen Patienten, der Drogen zu Therapiezwecken erhält, und vergangene Woche im Bund erschienen ist, hat Wellen geschlagen. Weil er nach Meinung einiger Kritiker*innen aufzeigt, wie eine therapeutische Behandlung mit Rauschmitteln nicht ablaufen sollte. 

Die Schweizerische Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP) hat eine Replik verfasst, die ebenfalls im Bund erschienen ist. Darin distanziert sie sich sehr deutlich von der im Artikel beschriebenen Art der Therapie. Denn das Behandlungssetting in einem einsamen Haus auf dem Land allein mit dem Arzt sei weder wissenschaftlich noch medizinisch haltbar. 

Auch wenn Psychedelika wie LSD oder MDMA (auch bekannt als Ecstasy) bei schweren psychischen Erkrankungen erfolgreich therapeutisch eingesetzt werden können, sind sie bisher nicht als Medikamente zugelassen. «Es sind keine harmlosen Substanzen; ihre Nebenwirkungen können gravierend und potenziell gefährlich sein», so die SGPP.

Am Universitätsspital Basel forscht Matthias Liechti mit seinem Team über den Einsatz von psychoaktiven Substanzen zur Behandlung diverser Krankheitsbilder. Aktuell läuft zum Beispiel eine Studie über LSD in der Palliativmedizin. Der Professor für Klinische Pharmakologie und Toxikologie hat eine Sonderrolle: Er beliefert Ärzt*innen in der Schweiz mit Psychedelika und hat daher einen Überblick über deren Einsatz.

Die Zahl der Sonderbewilligungen nimmt zu, wie Liechti sagt: «Psychedelika werden künftig vermehrt bei ausgewählten Patienten in der Therapie eingesetzt.» Wichtig ist aus Liechtis Sicht, dass die Behandlung streng reguliert ist und immer ein Backup besteht, um bei Komplikationen wie starker Angst oder einer körperlichen Nebenwirkung adäquat reagieren zu können. Er sagt: «Grundsätzlich kann es zu unerwünschten Ereignissen kommen und das muss man als Arzt oder Ärztin beachten und verantworten.»  

Matthias Liechti
«Komplikationen in diesem Sinne sind häufig und müssen erwartet werden»
Matthias Liechti, Professor für Klinische Pharmakologie und Toxikologie an der Uni Basel

Auch wenn in den meisten Fällen eine Verbesserung durch die Psychedelika-assistierte Therapie erwartet werden könne, komme es immer wieder zu Komplikationen. «Primär sind das akute Angst, Kopfschmerzen oder Erbrechen während der Behandlung. Im Nachhinein kann es zu emotionalen Problemen oder Instabilität kommen.» Zudem könne sich eine psychiatrische Krankheit im negativen Fall nicht ändern oder auch verschlechtern. 

«Komplikationen in diesem Sinne sind häufig und müssen erwartet werden», so Liechti. Selten hingegen seien schwere Angst oder körperliche Reaktionen wie ein Krampfanfall. Bei Patient*innen mit schweren psychiatrischen Störungen könne sogar ein Suizid vorkommen. Damit müsse allerdings unabhängig von einer Behandlung mit Psychedelika gerechnet werden. Zu einer Abhängigkeit oder Sucht führen Psychedelika aus Sicht von Liechti und der SGPP nicht. Es kann aber zu psychischer Abhängigkeit oder missbräuchlicher Anwendung kommen, wie die SGPP in ihren Behandlungsrichtlinien schreibt.

Alexandra Horsch
«Es muss sichergestellt werden, dass die Patient*innen während der Therapie geschützt und gut überwacht werden.»
Alexandra Horsch, Psychiaterin

Alexandra Horsch, Psychiaterin aus Hägendorf im Kanton Solothurn, behandelt Patient*innen, die unter den Folgen einer Therapie mit Psychedelika leiden. Wie die SGPP warnt sie davor, dass Missbrauch betrieben werden könnte, wenn die Rauschmittel nicht kontrolliert an die Patient*innen abgegeben werden. Horsch berichtet unter anderem von einer Patientin, die im Anschluss an die Behandlung mit Psychedelika mit Flashbacks reagierte.

«Es kam im Zusammenhang mit der sogenannten Psycholyse zu einer stationär behandlungsbedürftigen Psychose kommen», so Horsch. Es reiche aus ihrer Sicht nicht, die Substanzen per Sonderbewilligung an Ärzt*innen auszugeben. «Es muss auch sichergestellt werden, dass die Patient*innen während der Therapie geschützt und gut überwacht werden, was letztendlich nur in Institutionen, also psychiatrischen Kliniken gewährleistet ist. Das geschieht sicher nicht in abgeschiedenen Häusern auf dem Land, in dem Patient*in exklusiv von den behandelnden Ärzt*in abhängig sind.»

BAG äussert sich zum Fall

Das Bundesamt für Gesundheit gegenüber Bajour Stellung zu dem genannten Fall. Mediensprecherin Céline Reymond schreibt: «Wir kennen den Fall nicht, da er anonymisiert ist und wissen auch nicht mit Sicherheit, ob sich das Geschilderte so zugetragen hat.» Die Behandlung findet aber üblicherweise in einem ambulanten oder stationären Setting statt, entweder in einer Praxis oder Klinik.

Zudem sollte das Setting den Empfehlungen der entsprechenden Fachgesellschaften wie der Schweizerischen Ärztegesellschaft für psycholytische Therapie entsprechen, beispielsweise im Hinblick auf vorhandene Notfall-Infrastruktur. Sie verweist aber auch darauf, dass die Verantwortung zur sicheren und verantwortungsvollen Durchführung der Therapie während des gesamten Zeitraums beim behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin liegt.

«Das BAG nimmt Hinweise auf allfällige unsachgemässe Anwendung von diesen Betäubungsmitteln sehr ernst.»
Céline Reymond, BAG- Mediensprecherin

Wie sieht die Kontrolle seitens des BAG konkret aus? Reymond sagt: «Im Rahmen von erteilten Ausnahmebewilligungen sind die Ärztinnen und Ärzte verpflichtet, dem BAG einen Bericht über den Verlauf der mit MDMA, LSD oder Psilocybin durchgeführten Behandlung für jeden Patienten und jede Patientin, spätestens jeweils nach einem Jahr, einzureichen.» Ausserdem müssten schwerwiegende Nebenwirkungen innerhalb von sieben Werktagen dem BAG gemeldet werden.

Sie betont, dass dem BAG die seriöse und sichere Anwendung von MDMA, LSD und Psilocybin im bewilligten Einzelfall sehr wichtig ist und es daher Hinweise auf allfällige unsachgemässe Anwendung von diesen Betäubungsmitteln sehr ernst nimmt und diesen nachgeht. Im aktuellen Fall aber offenbar nicht, da dem BAG nach eigenen Angaben konkrete Informationen fehlen, um eine solche Untersuchung zu starten. 

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Nach dem Studium, freier Mitarbeit bei der Berliner Morgenpost und einem Radio-Volontariat hat es Valerie 2002 nach Basel gezogen. Sie schreibt seit fast 20 Jahren für das Jüdische Wochenmagazins tachles und hat zwischenzeitlich einen Abstecher in die Kommunikation zur Gemeinde Bottmingen und terre des hommes schweiz gemacht. Aus Liebe zum Journalismus ist sie voll in die Branche zurückgekehrt und seit September 2023 Senior-Redaktorin bei Bajour. Im Basel Briefing sorgt sie mit ihrem «Buchclübli mit Vali» dafür, dass der Community (und ihr selbst) der Lesestoff nicht ausgeht.

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