Kinder fordern: Weg mit den Uffzgi
Heute Montag ist Schulbeginn. Wir wollten deshalb von Ada (9) und Erijon (12) wissen: Was würden sie an der Schule ändern, wenn sie die Macht hätten? Zuvorderst auf der Prioritätenliste: Weniger Uffzgi und länger schlafen.
Für Ada und Erijon ist klar: Hausaufgaben sind doof. Sie wissen, wovon sie reden. Ada ist 9 Jahre alt und kommt heute in die 4. Klasse des Neubad-Schulhauses, Erijon ist 12 Jahre alt und beginnt die Sek im Vogesen-Schulhaus.
Die beiden Kinder haben eine Umfrage zum Thema «Mehr Freiheit in der Schule» mitentwickelt, die derzeit in den Basler Primarschulen läuft (siehe Kasten). Dabei hat sich herausgestellt: Vielen Kindern liegen die Hausaufgaben auf dem Magen. Erijon sagt: «Man sollte die Uffzgi abschaffen und lieber besser aufpassen im Unterricht.». Hausaufgaben könne es schon geben, findet Ada, aber nur, «wenn man nachholen muss, weil man was verpasst hat im Unterricht».
Derzeit läuft in den Basler Primarschulen eine von Kindern entwickelte Umfrage, zu den vier Themen «Angst vor schlechten Noten», «der Unterricht beginnt zu früh», «Lerninhalte selbst mitbestimmen» und «Hausaufgaben anders organisieren». Durchgeführt wird die Umfrage von der Gruppe «Mehr Freiheit in der Schule» der KinderMitWirkung, die wiederum vom Kinderbüro Basel und dem Erziehungsdepartement Basel-Stadt unterstützt wird.
Bereits haben gegen 100 Kinder an der noch bis Anfang September laufenden Umfrage teilgenommen. Und die bisherigen Resultate lassen aufhorchen:
- 87,5 Prozent der befragten Kinder finden, dass die Schule morgens zu früh anfängt. Die Mehrheit von (37,5 Prozent) plädiert für 8.30 Uhr statt wie heute 8 Uhr.
- Ein gutes Drittel wünscht sich «sehr stark» an einem Tag in der Woche die Lerninhalte selber bestimmen zu können. Zusammen mit jenen, die diesen Wunsch «stark» oder «mittel» verspüren, ergibt sich eine Mehrheit von gut 90 Prozent. Generell wünschen sich die Kinder mehr Bewegung und Sport, mehr Bildnerisches Gestalten und mehr Natur, Mensch, Gesellschaft, während bei allen andern Fächern das Quantum beibehalten werde sollte. Für kein einziges Fach hat sich eine Mehrheit für eine geringere Anzahl Stunden gefunden. Am knappsten ist es noch beim Deutschunterricht.
- Während eine deutliche Mehrheit von Überraschungstests gestresst wird, haben nur 15,4 Prozent angegeben, von (angekündigten) Tests «sehr oft» gestresst zu sein. 18 Prozent geben «oft» an und ein Drittel «manchmal». Die Angst vor schlechten Noten ist hingegen weit verbreitet. Gegen die Hälfte hat «sehr oft» oder «oft» Angst. 14 Prozent «manchmal». Aber immerhin 30 Prozent «selten” oder «gar nie».
- Hausaufgaben haben einen schweren Stand. 70 Prozent wünschen sich keine mehr.
- Hingegen findet ein gutes Drittel die Schule sehr gut und je ein Viertel finden gut bis ziemlich gut. Gar nicht gut finden die Schule weniger als 7 Prozent.
Die Ergebnisse werden dann am 15. September, dem «Tag der Demokratie», auf dem Marktplatz vorgestellt – am liebsten natürlich gleich Conradin Cramer, dem Chef des Erziehungsdepartementes, selbst, sonst aber sicher seiner zuständigen Mitarbeiterin. Die Kindermitwirkung Basel stellt an dem öffentlichen Podium auch weitere Projekte vor. So hat eine andere Gruppe Kinder einen Speakerscorner konzipiert.
Wir haben die Beiden in den Sommerferien zum Gespräch getroffen. Ada und Erijon haben sich ihre Argumente gut zurechtgelegt, man merkt, dass sie sich schon länger mit dem Unterricht auseinandersetzen und wie ernst sie die Schule nehmen. Ada redet etwa konsequent von «arbeiten», wenn sie über die Schule spricht. In vielen Themen sind die beiden Kinder ähnlicher Meinung, aber nicht in allen.
Neben den Uffzgi, die für Ada und Erijon abgeschafft gehören und wenn nicht, dann zu einer Wochenaufgabe umgebaut werden sollten, liegen den Kindern folgende Themen am Herzen (oder auf dem Magen):
Noten
Beide sind voll für Noten.
- Ada: «Da weiss man, wo man steht. Ich freue mich jeweils aufs Zeugnis, hab aber auch Mitleid mit denen, die nicht so gute Noten haben. Man könnte ja nur die Gesamtnote ins Zeugnis reinschreiben und wenn jemand wissen will, wie er in diesem und jenem Fach abgeschnitten hat, kann er ja fragen gehen.»
- Erijon: «Ich bin auch für Noten. Und wenn mal eine schlecht ist, dann ist das ein Ansporn. Das ist viel besser als so eine schriftliche Bewertung.»
Unterrichtsbeginn
Einig sind sie sich auch, dass die Schule zu früh anfängt, nicht aber, wann sie anfangen sollte:
- Ada: «Eine halbe Stunde später wäre gut, dann hätte ich auch Zeit, um zu frühstücken. Jetzt geh ich nämlich manchmal ohne was zu essen aus dem Haus.
- Erijon: «Um 9 Uhr wäre besser; ich komme nämlich morgens kaum aus dem Bett. Ich weiss auch nicht wieso.»
Ferien
Ändern möchte Ada auch die Ferienverteilung ändern, während Erijon sie nicht antasten will:
- Ada: «Je 3 Wochen Herbst- und Frühlingsferien wären super, weil dann hat man wirklich Ferien. Dafür könnten die Sommerferien gekürzt werden.»
Klassenzusammensetzung
Auch in Sachen Selbstbestimmung und Eigenverantwortung sind sich die Beiden nicht einig. Bis auf eine Ausnahme, die Sache mit der Klassenzusammensetzung:
- Ada: «Ich finde, man sollte schon im Kindergarten wünschen dürfen, mit wem man in die Klasse kommt. Und auch später sagen, mit wem lieber nicht. Und man soll auch sagen dürfen, neben wem man sitzen will.»
- Erijon: «Ich finde, wir sollten den Sitzplan selber machen dürfen.»
Unterrichtsgestaltung
Sonst gehen die Meinungen schon etwas auseinander:
- Ada: «Man sollte weniger am Stück arbeiten müssen und sich selber Ziele setzen dürfen. Man wird zu viel fremdbestimmt.»
- Erijon: «Ich bin froh, müssen wir nicht so viel eigenverantwortlich machen. Mir ist lieber, wenn der Lehrer die Ziele setzt.»
- Ada: «Dann kann man die Lehrer ja fragen. Aber vor allem sollten die Lehrer auch die Kinder fragen.»
Lerninhalt
Zum Unterricht selbst haben die Beiden zwei gemeinsame Präferenzen: mehr Sport und weniger Deutsch. Ansonsten:
- Ada: «Ich finde die Lektionen zu lang. Nach 1 Lektion Mathe und 1 Lektion Deutsch brummt mir der Kopf, dann kann ich nicht mehr arbeiten.»
- Erijon: «Es gibt zu viele Tests hintereinander. Ich habe nichts gegen Prüfungen, aber nicht so viele in kurzer Zeit.»
- Ada: «Statt soviel Deutsch wäre es besser, schon früher und auch mehr Natur, Mensch, Gesellschaft zu haben. Und Handarbeiten und Werken möchte ich auch mehr.»
- Erijon: «Vor allem weniger Mathe wäre gut. Und mehr draussen lernen. Wir hatten das nur einmal im letzten Jahr, da lernten wir Mathe auf einer Wiese.»
- Ada: «Das machen wir zwei Mal im Monat, dass wir draussen Schule haben. Das ist toll.»
Home Schooling
Und wie liefs während der Corona-Zeit, als man nicht in die Schule konnte?
- Ada: «Es war ein Problem, weil beide Eltern arbeiten und ich alleine lernen musste.»
- Erijon: «Ich fands gut daheim und hatte kein Problem damit.»
Erster Schultag
Auf was freuen sie die Beiden besonders heute Montag?
- Ada: «Auf meine Freundinnen, neue Kinder kennenzulernen und die neuen Lehrerinnen.»
- Erijon: «Auf die Pause…Ich freue mich sehr auf die Sek, mehr als zuvor auf die 5. und 6. Primarklasse. Wieso, weiss ich eigentlich auch nicht genau. Aber schon auch auf neue Menschen, ein neues Schulhaus und neue Fächer.»
Unter dem Strich wird also klar: Ada und Erijon wollen keine Hausaufgaben, weniger Noten, länger schlafen, mehr Turnen und weniger Deutsch. Was halten Pädagog*innen von diesen Vorschlägen? Wir haben Erziehungswissenschaftlerin Trix Cacchione, Professorin für Entwicklungspsychologie» an der FHNW, gefragt. Ihre Antworten kannst du morgen bei uns lesen.
Wie nennt man die Hausaufgaben auf Baseldytsch korrekt? Weil wir uns auf der Redaktion nicht einig waren, fragten wir die Facebook-Gruppe Baseldytsch. Und siehe da, es heisst Uffzgi. Mit zwei F wohlverstanden, so wie es der verstorbene Basler Mundartpapst Ruedi Suter festgeschrieben hat. Allerdings sagen die heutigen Kinder oft Huusi. Oder ganz klassisch Ufgoobe. Wie auch immer sie genannt werden, lästig sind die Hausaufgaben allemal.
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David Sieber ist nicht nur Journalist, sondern auch ehrenamtlich im Vorstand des Kinderbüros tätig.
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