Bürgerliche «Polizei-Gewerkschaft» gegen SP-Finanzdirektorin

Die Basler Polizei kämpft mit einem krassen Unterbestand. Bürgerliche fordern Massnahmen, wie man sie sonst nur von der Gewerkschaft hört. Und spielen damit die Buh-Karte dem SP-geführten Finanzdepartement zu.

polizei
Bei der Polizei im Kanton Basel-Stadt fehlen derzeit über 120 Stellen.

Die Bürgerlichen sind nicht zufrieden: Bei der Polizei fehlen derzeit über 120 Stellen*, und die in ihren Augen dringend nötigen Massnahmen, um die Situation zu verbessern, werden nicht schnell genug umgesetzt. So hat LDP-Grossrat Michael Hug bereits mehrere Vorstösse eingereicht, um die Arbeitsattraktivität für Schichtarbeitende, also von Polizist*innen, aber auch von Mitarbeitenden der Sanität oder Feuerwehr zu verbessern. 

Zuletzt hat er einen Vorstoss von SVP-Grossrat Pascal Messerli mitunterzeichnet, der eine Lohnerhöhung explizit für Polizist*innen fordert. «Um den Druck aufrecht zu erhalten», wie er auf Anfrage sagt. Denn: «Die öffentliche Sicherheit ist nicht mehr gewährleistet, wenn die Polizei ihre Kernfunktion nicht erfüllen kann.» Er warnt: «Das Problem muss dringend gelöst werden.» Denn: Die fehlenden Stellen seien im Alltag bemerkbar.

Sanität Basel

Die Ausgangslage der Sanität Basel ist nicht ganz vergleichbar mit jener der Kantonspolizei Basel-Stadt. Sie verzeichnet seit Jahren ansteigende Fallzahlen und hat deshalb gemäss Justiz- und Sicherheitsdepartement (JSD) zusätzliche Stellen bewilligt bekommen. Nach und nach kommen zusätzliche Mitarbeitende zur Sanität hinzu, noch aber sind nicht alle Stellen besetzt worden. Um die Lücke aufzufüllen, konnte die Sanität unter anderem ehemalige Mitarbeiter*innen motivieren, aus dem Ruhestand zurückzukehren und in der aktuellen Situation für eine gewisse Zeit auszuhelfen. Derzeit sind 22 Festanstellungen als Rettungssanitäter/in offen. 

Hug schwebt bereits ein weiterer Vorstoss vor, um den Departementen mehr finanziellen Spielraum zu geben, denn dieser ist im Moment nicht allzu gross. So hat seiner Meinung nach die Vorsteherin des Justiz- und Sicherheitsdepartements (JSD), Stephanie Eymann (ebenfalls LDP), alle Möglichkeiten, die sie hat, bereits ausgeschöpft, insbesondere, wenn es um die Erhöhung der Polizeilöhne geht.

Auch die Medienstelle des JSD bestätigt: «Einige Verbesserungen der Arbeitsbedingungen der Polizist*innen – etwa beschleunigte Beförderungen und als Sofortmassnahme die befristete Arbeitsmarktzulage (AMZ) – konnten bereits umgesetzt werden. Andere Massnahmen – dazu gehören auch höhere Ausbildungs- und Einstiegslöhne – sollen folgen.» Doch: «Über diese Massnahmen können das Justiz- und Sicherheitsdepartement und die Kantonspolizei nicht selbstständig entscheiden.» 

Flyer Drogenstammtisch
Drogenstammtisch

Am Drogenstammtisch den Bajour gemeinsam mit dem Statdtteilsekretariat Kleinbasel organisiert, reden wir diesen Mittwoch über die Frage «Zu wenig Polizei: Wer sorgt dann für Ordnung?».

Wann: Mittwoch 29.5., 19 Uhr

Wo: Rheinfelderhof, Hammerstrasse 61

Mehr Freiheit gefordert

Zuständig dafür sind die Human Ressources Basel-Stadt (HR BS), welche im Finanzdepartement (FD) angesiedelt sind. Geführt wird dieses von SP-Regierungsrätin Tanja Soland. Und hier sieht Hug das Problem: «Das FD ist nur bedingt gewillt, etwas zu ändern.» Und: «Wenn die klemmen, passiert nichts.» Zudem kritisiert Hug die in seinen Augen zu grosse Macht, welche sich im FD konzentriert. Für den Juristen ist klar: «Departementsvorsteher*innen brauchen mehr Freiheit.»

Michael Hug
Michael Hug kritisiert die in seinen Augen zu grosse Macht im Finanzdepartement. (Bild: Grosser Rat Basel-Stadt)

Implizit steht sogar der Vorwurf im Raum, die SP (und mit ihr die Vorsteherin des FD) sehe die Polizeiarbeit nicht als prioritär genug an. Diesen Eindruck hat Hug zumindest, wenn er die Beantwortung der Vorstösse durch Soland liest; insbesondere kritisiert er «die Verzögerungstaktik». Tatsächlich ist Soland bisher nicht als grosse Polizeifreundin aufgefallen; dem Wegweisungsartikel stand sie kritisch gegenüber und das von ihr geforderte Quittungssystem für Polizist*innen, um Racial Profiling zu verhindern, brachte ihr den Vorwurf des Aktionismus ein. Nicht zuletzt sorgte sie mit ihren Aussagen in einem BaZ-Interview, wonach die Staatsanwaltschaft Angst schüre, für Aufregung, im Gespräch mit Onlinereports entschuldigte sie sich daraufhin. Doch diese Geschichten gehören längst der Vergangenheit an, als Soland noch in Einpeitscherfunktion SP-Fraktionschefin war.

Heute widerspricht sie als Finanzdirektorin den Vorwürfen und erklärt aus Sicht der Regierung: «Der Regierungsrat ist sich der angespannten Situation bei der Polizei bewusst. Zusätzlich zu den bereits erfolgten Massnahmen werden weitere Lohnvergleiche bis Herbst dieses Jahres vorliegen. Sie bilden die unverzichtbare Grundlage für die Diskussion über die Ablösung der AMZ und somit den Übergang in eine dauerhafte Lösung.» Auch die Ergebnisse dieser Untersuchung des Staatsrechtsprofessors Markus Schefer seien zu berücksichtigen. Schefer soll im Juni eine möglichst unbeschönigte Analyse der strukturellen Probleme bei der Polizei abliefern.

Regierungsraetin Tanja Soland, Vorsteherin des Finanzdepartements, praesentiert das Budget 2023 des Kantons Basel-Stadt im Rathaus in Basel, am Donnerstag, 15. September 2022. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)
Tanja Soland sagt: Die Funktion von HR BS als «zentraler Personaldienst» sei «wichtig und sinnvoll». (Bild: KEYSTONE/Georgios Kefalas)

Soland sagt zudem, das FD habe keine übergeordnete Rolle. Die Zuständigkeit liege je nach Ebene beim Grossen Rat oder dem Regierungsrat: «Die fachliche Zuständigkeit für kantonale Personalfragen obliegt dem FD gleichermassen wie dem Bau- und Verkehrsdepartement die Zuständigkeit für die Verkehrsplanung. Die Massnahmen müssen in den Gesamtkontext des Kantons passen.» Die Funktion von HR BS als «zentraler Personaldienst» sei «wichtig und sinnvoll». Ausserdem sei noch zu erwähnen, dass die Regierung im März ein Projekt «Arbeitgeberattraktivität steigern» lanciert habe.

Rückendeckung erhält Soland von ihrer Parteikollegin Michela Seggiani, die als SP-Grossrätin in der Finanzkommission sitzt. Sie findet es problematisch, das JSD gegen das FD auszuspielen. Und: Man dürfe die Angestellten der Verwaltung nicht unterschiedlich behandeln, insgesamt seien bessere Arbeitsbedingungen gefragt, für welche sich die Gewerkschaften seit eh und je einsetzten. «Es braucht nun eine Gesamtschau.» Und eine solche ist mit der Arbeitsgruppe auch geplant.

Seggiani beurteilt den angedachten Vorstoss von Hug zudem als ambivalent: Den einzelnen Personen in den Departementen zu viel Macht zu verleihen, berge die Gefahr, dass die Gelder beliebig verteilt würden. So könnte – als fiktives Beispiel –  Baudirektorin Esther Keller (GLP), deren Sitz im Herbst bei den Gesamterneuerungswahlen angegriffen wird, dann eigenständig entscheiden, dass sie jetzt zusätzlich vier Kommunikationsangestellte braucht. Seggiani: «Eine solche Entwicklung wäre gefährlich.» 

Michela Seggiani
Michela Seggiani findet den angedachten Vorstoss von Hug zudem ambivalent. (Bild: Photo Basilisk AG)

Hug präzisiert allerdings: Ihm gehe es nicht um den Stellenetat, sondern um die Löhne beziehungsweise die Arbeitsbedingungen.

Doch: Auch wenn die Einstiegslöhne im nationalen Vergleich niedrig sind (zweittiefste in der Schweiz) und deshalb viele Polizist*innen in andere Kantone oder andere Einheiten einsteigen, höhere Löhne sind wichtig, aber alleine sind sie kein Allheilmittel. Um die Zufriedenheit im Beruf zu verbessern, müssen die Arbeitsbedingungen stimmen. 

Polizeiberuf muss attraktiver werden

So sagt Zsedenyi Harald, geschäftsführender Vizepräsident des Polizeibeamtenverbandes Basel-Stadt: «Der Lohn ist ein Bestandteil eines Gesamtpakets.» Der Lohn löse nicht alle Probleme, es gehe auch um die Arbeitszeit oder die Plan- und Vereinbarkeit. Der Arbeitgeber Kanton Basel-Stadt müsse attraktiver werden. Zur Attraktivität gehöre auch die seit Langem geforderte bezahlte Umziehzeit (von der Uniform in Alltagskleider und umgekehrt), wie auch die Erhöhungen der Zulagen. Doch im Kleinen bestehen die gleichen Probleme wie im Grossen: Forderungen der Polizei brauchen Zeit. Denn: Am Ende sollen die Vorteile allen Staatsangestellten zugute kommen. Und die institutionellen Mühlen mahlen bekanntlich langsam. Egal, wer dem Departement vorsteht.

*Die Polizei hat per 31.12.2023 ein Minus von 100 Stellen kommuniziert. Sie veröffentlicht die Zahlen nur halbjährlich, das nächste Mal also Ende Juni. Mehrere Insider*innen haben gegenüber Bajour aber bereits von über 120 fehlenden Stellen gesprochen.

Das könnte dich auch interessieren

Schulweg

Helena Krauser am 06. September 2024

Sicher zur Schule

Die Initiant*innen der Petition für einen sicheren Schulweg im Lysbüchel sind enttäuscht von den Antworten des Erziehungsdepartements. Auch Grossrätinnen machen bei dem Thema nun Druck auf den Regierungsrat.

Weiterlesen
Kreuzung Elsässerstrasse/Hüningerstrasse

Helena Krauser am 04. September 2024

Kein sicherer Schulweg

Ende Juni erschütterte der Unfalltod eines 11-jährigen Jungen das Lysbüchel-Quartier und die ganze Stadt. Mittlerweile wurden von Seiten des Kantons und der Bevölkerung einige Massnahmen und Initiative ergriffen. Wie eine Umfrage in der Gärngschee-Community zeigt, gibt es aber viele weitere Gefahrenstellen auf den Schulwegen.

Weiterlesen
Regierungsraetin Stephanie Eymann, Vorsteherin des Justiz- und Sicherheitsdepartements Basel-Stadt, informiert an einer Medienkonferenz darueber was seit der Publikation des Berichts der unabhaengigen Abklaerung zur Personalsituation bei der Kantonspolizei Basel-Stadt geschehen ist, in Basel, am Freitag, 28. Juni 2024. Als eine der ersten Massnahmen wird der Kommandant der Kantonspolizei Basel-Stadt Martin Roth freigestellt. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)

Michelle Isler am 28. Juni 2024

Polizeikommandant Roth muss gehen

Sicherheitsdirektorin Stephanie Eymann zieht Konsequenzen. Nachdem vergangene Woche eine unabhängige Untersuchung der Personalsituation bei der Kantonspolizei Basel-Stadt katastrophale Zustände zu Tage förderte, rollt jetzt der erste Kopf: Kommandant Martin Roth muss gehen.

Weiterlesen
Sacha Lüthi Titelbild

am 27. Juni 2024

«Gefühlt gelten wir jetzt alle als böse Sexisten und Rassisten»

Sacha Lüthi ist Community-Polizist. Die politische Debatte nach der Veröffentlichung des Untersuchungsbericht zu den Missständen bei der Basler Polizei macht ihm zu schaffen. Er hat Bajour seine Gefühlslage geschildert.

Weiterlesen
Zasi

Das ist Valerie (sie/ihr):

Nach einem ersten journalistischen Praktikum bei Onlinereports hat Valerie verschiedene Stationen bei der Neuen Zürcher Zeitung durchlaufen, zuletzt als Redaktorin im Bundeshaus in Bern. Es folgten drei Jahre der Selbständigkeit in Berlin, bevor es Valerie zurück nach Basel und direkt zu Bajour zog, wo sie nun im Politikressort tätig ist.

Kommentare

Thomas Mangold
Informatiker

Schichtzulagen steuerbefreien

Der Kanton Basel Stadt ist einer der wenigen Kantone, in denen die Schichtzulagen dem steuerbaren Einkommen angerechnet werden. Also eine relativ einfache rasche Verbesserung welche geziehlt den Leuten im Schichtdienst zugute kommt. In allen Berufen mit unregelmässigen Arbeitszeiten ist die Rekrutierung schwierig. Folglich eine gezielte, einfache Massnahme ohne Giesskanne.

Mike Wunderlin
27. Mai 2024 um 09:55

So einfach ist es halt nicht

Grundsätzlich ist eine Steuerbefreiung auf Schichtzulagen eine Idee die man überdenken kann. Es sind jedoch viele andere Themenbereiche welche den täglichen Einsatz belasten. Ich möchte auch zu bedenken geben, dass jeder Kanton ja selber darüber befinden müsste ob er diesen Abzug gewähren möchte. Es wohnen ja viele Schichtdienstleistende nicht in Basel-Stadt oder in der Schweiz. Und ich mag mich erinnern, dass ich in Basel-Land meine Schichtzulagen auch nicht steuerlich abziehen konnte. Also so einfach ist es doch nicht. Einfacher wäre da, wohl auf die ein oder andere Demo zu verzichten, dann klappt es auch mit den Wochenenden für diejenigen die frei hätten und die Arbeitssituation wäre gratis einiges besser. ;-)