Lohn hoch, Kündigungsschutz runter

Weil es bei der Polizei brennt, kriegen plötzlich alle Kantonsangestellte mehr Geld: Vor allem jungen Mitarbeiter*innen will die Basler Regierung einen Zustupf geben. Daran könnten die Bürgerlichen noch zu kauen haben.

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Mehr Geld für Kantonsangestellte. (Bild: Collage: Bajour)

Die Basler Kantonspolizei steckt in der Krise – das ist spätestens klar, seit vor fast einem Jahr der Schefer-Bericht die schlechte interne Stimmung offenlegte. Von Überarbeitung, Vertrauensverlust in die Führung, einer Angstkultur, Macho-Kultur und rassistischen Vorfällen abgesehen ist auch der niedrige Lohn für viele Polizist*innen ein Problem.

Dass der Lohn erhöht werden soll, wurde schon kurz vor dem Schefer-Bericht vom Grossen Rat beschlossen. Denn die Basler Polizist*innen, vor allem die Berufseinsteiger*innen, verdienen im nationalen Vergleich (trotz Mehrbelastung durch eine grössere Stadt) eher wenig. Die 120 unbesetzten Stellen sprechen für sich. 

«Mit Löhnen allein ist die Transformation der Polizei nicht getan. Aber eine finanzielle Weiterentwicklung ist ein wichtiges Zeichen für diese Berufe», sagt Polizeidirektorin Stephanie Eymann bei der Vorstellung des entsprechenden Lohnmassnahmenpakets der Regierung. Und überraschend soll nicht nur die Polizei mehr Geld erhalten – sondern ein grosser Teil der Kantonsangestellten. 

Tanja Soland am Freitag, 03. Juli 2020 in Basel. © Photo Dominik Plüss
«Wir wollten verhindern, dass ein Dominoeffekt entsteht und in zwei Jahren andere Bereiche anklopfen.»
Tanja Soland, Finanzdirektorin (SP)

«Wir wollten verhindern, dass ein Dominoeffekt entsteht und in zwei Jahren andere Bereiche anklopfen», sagt Finanzdirektorin Tanja Soland (SP). Auch wenn zuletzt vor allem das Justiz- und Sicherheitsdepartement von Eymann im Fokus stand, hat gemäss nationalen Lohnanalysen die gesamte Basler Verwaltung Aufholbedarf. Probleme bei der Stellenbesetzung hat man schon heute in der IT oder in den technischen Berufen, an Schulen und Kitas. Bis 2034 werden insgesamt 25 Prozent aller Kantonsmitarbeiter*innen pensioniert. Das Vorgehen sei entsprechend auch vorausschauend, erklärt Eymann. 

Um zu verstehen, wer jetzt wie viel mehr Geld erhält, muss man etwas ausholen. Der Lohn von Kantonsangestellten hängt von zwei Faktoren ab – der Lohnklasse und der Erfahrungsstufe:

  • Es gibt 28 Lohnklassen, die je nach Stellenprofil und den damit zusammenhängenden Komptenzanforderungen höher oder niedriger sind. Kurz gesagt: Die Lohnklasse ist berufsbedingt.

  • Die 31 Erfahrungsstufen (und drei «Anlaufstufen») hingegen sind von der Person abhängig: Wie viel Erfahrung (auch Familienarbeit wird berücksichtigt) hat man? Kurz gesagt: Die Erfahrungsstufen sind Arbeitsjahre.

Die Drehschraube, an der jetzt hauptsächlich gedreht wird, ist der Lohn pro Erfahrungsstufe. Denn der Vergleich mit anderen Kantonen hat ergeben, dass vor allem Berufseinsteiger*innen in Basel-Stadt eher wenig verdienen. Bis Erfahrungsstufe 11 verdienen Basler*innen im Schnitt 14 Prozent weniger als ihre Kolleg*innen in anderen Kantonen – das betrifft fast die Hälfte der Basler Kantonsangestellten.

Die Differenz zwischen den Löhnen von Berufseinsteiger*innen und älteren Angestellten ist in Basel besonders hoch. Gerade bei Jüngeren will der Kanton wettbewerbsfähiger werden – nicht nur bei der Polizei fehlt der Nachwuchs (auf das Wort «Überalterung» reagiert man in der Verwaltung derweil allergisch). Bis zur Erfahrungsstufe 11 wird die Lohnkurve also angehoben.

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Je höher die Erfahrung, desto weniger profitiert man von der Lohnerhöhung. (Bild: Kanton Basel-Stadt)

Ebenfalls für alle Kantonsangestellte relevant ist die «Aufhebung des desgressiven Teuerungsausgleichs». Bisher haben tiefere Lohnklassen einen höheren Teuerungausgleich erhalten. Da die Inflation in den vergangenen Jahren aber zu einem relevanteren Faktor wurde, kommt dieser Ansatz einer Reallohnkürzung der oberen Lohnklassen gleich. Weil das dem Gleichbehandlungsgebot widerspricht, soll der Teuerungsausgleich künftig für alle Lohnklassen gleich sein.

Ausserdem werden die Geldzulagen für Nachtarbeit, Nachtbereitschaft, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie den Pikettdienst jeweils um einen Drittel erhöht. Davon sind 3800 Personen in Basel betroffen – unter anderem in Pflege- und Betreuungsberufen und bei Museumsdiensten. Vor allem betrifft diese Massnahme aber die Polizei, wo es viele Schichteinsätze gibt. 

Bürgerlicher Widerstand möglich

Eigentlich waren es die Polizist*innen, für deren Lohnerhöhung sich die Bürgerlichen an vorderster Front eingesetzt haben. Ob sich die rechte Ratsseite auch dafür erwärmen lässt, dass nun stattdessen gleich fast der ganze Verwaltungsapparat eine Lohnerhöhung erhält?

Zumindest SVP-Präsident Pascal Messerli, auf dessen Vorstoss die geplante Lohnerhöhung für Polizist*innen zurückgeht« zeigt sich auf X zufrieden mit der Stossrichtung des Pakets – anders als seine Parteikollegin Laetitia Block, die den Kanton schon heute als «zu attraktiven Arbeitgeber bezeichnet. Und FDPlerin Tamara Hunziker schreibt, Basel müsse Prioritäten setzen und «nicht einfach Staatsausgaben aufblühen».

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Und wie findest du das?

Statt einer ausschliesslichen Erhöhung der Polizeilöhne soll fast die Hälfte der Kantonsangestellten eine Lohnerhöhung erhalten. Wir diskutieren bei der Frage des Tages darüber.

Zur Diskussion

Die Regierung geht jedenfalls davon aus, dass die «Ausgewogenheit» des Pakets durchaus Chancen haben könnte im Grossen Rat. Denn es gibt im Paket durchaus auch spezielle Massnahmen, die ausschliesslich den Polizeiberufen zugute kommen: 

  • Alle bisherigen und künftigen Mitarbeitenden der Kantonspolizei und der Kriminalpolizei bis Lohnklasse 16 werden um eine Erfahrungsstufe hochgestuft.

  • Die Ausbildungslöhne werden um eine Lohnklasse erhöht : Polizist*innen starten neu in der Lohnklasse 11, Sicherheitsassistent*innen in der Lohnklasse 8.

Als Ausgleich soll die «Arbeitsmarktzulage» wegfallen: Seit Frühjahr 2023 gibt es monatlich einen Zustupf von 400 Franken – das war als Notfallmassnahme gegen die sich schon damals anbahnende Personalkrise gedacht. Die Arbeitsmarktzulage war von Anfang an befristet bis Februar 2026. Wenn sie jetzt wegfällt, wird die Einkommenslücke geschlossen – das betrifft vor allem die höheren Lohnklassen.

All diese Massnahmen sollen bestenfalls ab 2026 gestaffelt eingeführt werden – und würden ab 2027 jährlich 20 Millionen Franken kosten. Wie das alles noch praktisch auf dem Lohnzettel von Polizist*innen aussehen würde, zeigt diese Modellrechnung anhand von vier Beispielen:

Löhne Polizei
So viel mehr werden unterschiedliche Polizist*innen je nach Lohnklasse und Erfahrungsstufe verdienen. (Bild: Kanton Basel-Stadt)

Reingeschmuggelt in das Lohnmassnahmenpaket hat der Regierungsrat noch die Ankündigung, gerade die Kündigungsmodalitäten zu überarbeiten: Der Anspruch auf Weiterbeschäftigung (nachdem die Kündigung vor Gericht für unrechtmässig befunden würde) soll beispielsweise durch eine Entschädigung ersetzt werden.. Und im obersten Kader soll ein neuer Kündigungsgrund geschaffen werden, «wenn eine konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit beeinträchtigt ist» (man denke an die Causa Fehlmann). Eine ähnliche Regelung gäbe es bereits bei der Bundesverwaltung. Details folgen nach der Sommerpause.

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David Rutschmann

Das ist David (er/ihm):

Von Waldshut (Deutschland) den Rhein runter nach Basel treiben lassen. Used to be Journalismus-Student (ZHAW Winterthur) und Dauer-Praktikant (Lokalzeitungen am Hochrhein, taz in Berlin, Wissenschaftsmagazin higgs). Besonderes Augenmerk auf Klimapolitik, Wohnpolitik, Demopolitik und Politikpolitik. Way too many Anglizismen.

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