Bewerber*innen, so weit das Auge reicht

Monica Gschwind tritt zurück und bringt Wirbel in die Baselbieter Politiklandschaft. In der FDP wollen sie einige beerben – und die anderen Parteien bringen sich in Stellung. Diese Namen musst du kennen.

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Monica Gschwind tritt nach zehn Jahren im Regierungsrat zurück. (Bild: Dominik Plüss/Landrat Baselland/Collage: Bajour)

Noch Anfang Jahr wollte Monica Gschwind Gerüchte nicht kommentieren, dass sie mit dem Rücktritt als Bildungsdirektorin liebäugle. Ende Juni gab sie dann nach zehn Jahren in der Baselbieter Kantonsregierung den Rücktritt bekannt. Das Kandidat*innenkarussell begann zu drehen.

Ihre Partei, die FDP, hat eine grosse Auswahl an Kandidat*innen: Gleich fünf Bewerber*innen haben sich ins Spiel gebracht – eine*r von ihnen wird am 14. August von der Parteibasis nominiert werden, nachdem die Findungskommission eine Vorauswahl getroffen hat. Spannend wird auch sein, wie die anderen Parteien vorgehen werden – vor allem die SP lässt sich noch nicht in die Karten schauen. 

Der Politherbst im Baselbiet scheint spannender zu werden als in der Stadt. Aber wer kommt von FDP, über SVP bis SP eigentlich infrage?

Nadine Jermann
Nadine Jermann (Bild: LinkedIn)

Nadine Jermann – der Shootingstar

Die politische Karriere der 53-Jährigen entwickelt sich gerade rasant: Erst Anfang Jahr wurde die Buuser Gemeindepräsidentin zur Präsidentin des Verbands Basellandschaftlicher Gemeinden und rückte in den Landrat nach – und jetzt soll sie schon Regierungsrätin werden. Die FDP Gelterkinden hat sie nominiert. In der Medienmitteilung wird ihre bald zehnjährige Exekutiverfahrung hervorgehoben. Was unterschlagen wird: Ihr Engagement im BLKB-Bankrat – genau in jener Zeit, als die Skandal-Bank Radicant gegründet wurde.

Das könnte für sie zum Fallstrick werden, denn Radicant steht spätestens seit dem kürzlichen 100-Millionen-Abschreiber in heftiger Kritik, auch von Bürgerlichen. Dennoch: Die Mutter eines Sohns ist die einzige Frau der FDP, die sich für die Gschwind-Nachfolge bewirbt. In der bz sagt sie – die an der Fusion der FDP-Frauen beider Basel beteiligt war – dass sie ein ausgeglichenes Gremium erstrebenswert findet. Wenn ein Mann gewählt werden würde, gäbe es nur noch eine Frau in der Baselbieter Regierung. 

Daniel Spinnler
Daniel Spinnler (Bild: LinkedIn)

Daniel Spinnler – der Krisenmanager

Auch er hat viel Exekutiverfahrung: Der 48-Jährige ist Stadtpräsident von Liestal – er wurde 2018 Nachfolger von Lukas Ott, dem heutigen Basler Stadtentwickler. Als bürgerlicher Stapi kann er sich in einem mehrheitlich rot-grünen Gremium behaupten – und in dieser Funktion musste der Vater zweier Kinder schon einige Krisen (Trinkwasserverunreinigung 2019, Anti-Corona-Massnahmen-Demo) stemmen, wie er im bz-Interview hervorhebt.

Den Spitalstandort Liestal verteidigt er mit Verve, seit dieser in der Diskussion um die Zukunft des Kantonsspitals Baselland unter Druck geraten ist. Das könnte ihn bei einer Kandidatur als ein zu lokaler Fokus ausgelegt werden. Das SRF-Regionaljournal räumt ihm dennoch die besten Chancen ein, da in der Mitte der FDP politisiert und damit ein Kompromiss für die anderen bürgerlichen Parteien sein könnte. Als Fasnächtler, Banntägler und Feuerwehrler wirkt er zudem volksnah. 

Markus Eigenmann
Markus Eigenmann (Bild: LinkedIn)

Markus Eigenmann – der Offizier

Und noch ein Gemeindepräsident: Eigenmann politisiert in Arlesheim und war der erste offizielle Bewerber der FDP für die Gschwind-Nachfolge: Im politischen Betrieb kennt man den 54-Jährigen durchaus: Eigenmann ist das Gesicht der Gemeindeinitiative zur Reduktion des kantonalen Finanzausgleichs. Die Sympathien sind hier klar: Bei den Gebergemeinden im Unterbaselbiet kommt das gut an, bei den Nehmergemeinden im Oberbaselbiet weniger.

Sein Versprechen, das Gewerbe in Arlesheim stärker zu entwickeln, hat der CEO im Start-up Alpha-Diagnostivs einlösen können: Er war laut Onlinereports massgeblich daran beteiligt, dass der Implantate-Hersteller Straumann von Basel nach Arlesheim zog. Und während Covid hat er als Offizier in leitender Funktion die Armee im Kanton koordiniert, wie das Wochenblatt festhält. Onlinereports sieht ihn in einer der Pole Positions.

Klaus Kirchmayr
Klaus Kirchmayr

Klaus Kirchmayr – der Opportunist

Er hat sicher die grösste Medienaufmerksamkeit, denn der 62-Jährige war lange Zeit Landrat – für die Grünen. 2007 startete der dreifache Vater) als Quereinsteiger in die Politik und wurde schnell eines der prominentesten Gesichter der Kantonalpartei. Die bz bezeichnete den ehemaligen Fraktionschef bei seinem Rücktritt 2022 als «einen der einflussreichsten Baselbieter Parlamentarier». 

Um sich als Gschwind-Nachfolger bewerben zu können, trat Kirchmayr der FDP bei – in Aesch wurde er aufgenommen, doch nicht als offizieller Bewerber nominiert. Er muss also ohne Sektion antreten. Das schmälert seine Chancen, aufs Ticket zu kommen, noch mehr. Denn sein grünes Image und den Eindruck eines opportunistischen Vorgehens wird Kirchmayr in so kurzer Zeit nicht ablegen können – auch wenn er durch seinen beruflichen Hintergrund in der Finanzbranche eigentlich gut zu den Liberalen passen würde.

Rolf Blatter
Rolf Blatter (Bild: LinkedIn)

Rolf Blatter – der Wirtschaftskammer-Lobbyist

Einer dieser Kritiker von Kirchmayr ist Rolf Blatter: In der BaZ sprach er sich gegen die Aufnahme Kirchmayrs in die FDP Aesch auf – trat dann aber in den Ausstand, als es in der Ortssektion diskutiert wurde. Denn da hatte ihn die Sektion schon selbst als Kandidaten für den Regierungsrat nominiert. Die FDP Aesch hält fest, dass sie Blatter voll und ganz unterstützt, auch wenn sie Kirchmayr aufgenommen hat.

Laut BaZ steht Blatter der Wirtschaftskammer Baselland nahe – die gerade mit einer Initiativen-Flut Oppositionspolitik im Baselbiet macht. Er war schon Geschäftsführer bei Aufzug-Konstrukteuren und beim Hauseigentümerverband Basel-Stadt. Heute führt der 63-Jährige mit seiner Partnerin eine Beratungsfirma. Als Landrat politisiert er am rechten Rand der FDP – würde er nominiert werden, könnte die Mitte nicht ihn unterstützen, sondern die Kandidatin der GLP, analysiert das Regi.

Sabine Bucher
Sabine Bucher (Bild: LinkedIn)

Sabine Bucher – der grünliberale Underdog

Die Co-Präsidentin der Baselbieter GLP wurde von der Findungskommission der Partei ausgewählt, um das Unmögliche zu schaffen: Der FDP ihren Sitz in der Regierung abzuluchsen. Sie war sieben Jahre Gemeinderätin in Läufelfingen und lebt heute in Sissach. Die Juristin und Steuerexpertin ist seit zwei Jahren im Landrat. Dort politisiert sie in der Bildungs-, Kultur- und Sportkommission – hat also den richtigen Rucksack für das freiwerdende Dossier.

Nach einer Hirn-OP im vergangenen Jahr steht die 43-Jährige jetzt für ein höheres Amt in den Startlöchern. Die GLP hat zwar bei den Wahlen 2023 erstmals Fraktionsstärke erlangt, ist aber die kleinste Partei im Parlament. Rein rechnerisch ist es unwahrscheinlich, dass Bucher einen Erfolg erzielen könnte (sie müsste auf einen Jourdan-Effekt hoffen, also mit Charisma einen superintensiven Wahlkampf führen). Mit einem Fokus auf die Stärkung der Berufslehre wählt sie immerhin gleiche Strategie im Wahlkampf um das Erziehungs-Dossier, die damals Mustafa Atici zum Erfolg verhalf.

Matthias Liechti SVP
Matthias Liechti (Bild: LinkedIn)

Matthias Liechti – der pflichtbewusste SVPler

Eine Kandidatur der SVP sei «sehr wahrscheinlich», nachdem die Partei dies zunächst offen gelassen hatte. Präsident Peter Riebli sagte bei Onlinereports, dass man vielleicht antrete und die FDP dann etwaig erst im zweiten Wahlgang unterstütze. Offiziell eine Bewerbung angekündigt hat Landrat Matthias Liechti im Regionaljournal. Der 45-Jährige findet, die wähler*innenstärkste Partei des Kantons müsse zumindest das Angebot machen, wieder Verantwortung in der Regierung zu übernehmen.

Der vierfache Vater ist Bildungspolitiker und auch in der entsprechenden Kommission. Als Gemeindepräsident von Rümlingen hat sich der ausgebildete Theologe und heutige Raiffeisen-Mitarbeiter seine Sporen verdient. Er scheint kein Parteisoldat zu sein – auf seiner Website (er bietet übrigens private Gleitschirm-Flüge an) wird nirgends erwähnt, dass er in der SVP ist. Ein moderater SVPler könnte die Wahlen durchaus noch aufmischen.

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Caroline Mall (Bild: SVP Schweiz)

Caroline Mall – die Verständnisvolle

Peter Riebli nannte im Regionaljournal neben Liechti die Landrätin Caroline Mall als eine der möglichen Kandidat*innen, mit denen die SVP ins Rennen einsteigen könnte. Sie kann sich das gut vorstellen, da sie sich seit 17 Jahren mit Herzblut in der bildungspolitischen Landschaft im Kanton engagiert, bestätigt die 57-Jährige. Die dreifache Mutter ist sogar in der Bildungskommission der SVP Schweiz – vom Profil her also prädestiniert für den Wahlkampf.

Als Einwohnerrätin in Reinach und langjährige Landrätin (in der Fraktion ist sie eine der umtriebigsten Vorstoss-Autor*innen) wäre eine Kandidatur jetzt ein konsequenter Schritt in der Politkarriere. Die BaZ bezeichnete sie in Bildungsthemen einst «mehr in der Rolle der verständnisvollen Mama als einer harten Parteisoldatin». Doch: Sie war auch eine der Unterstützer*innen des Putschs in der Kantonalpartei vor einem Jahr  – die Wahlen nun wären also perfekt, um die Akzeptanz eines giftigeren Stils an der Urne zu testen.

Und was macht die SP?

Noch am Tag der Rücktrittsankündigung von Monica Gschwind stellte die SP ihr ein hartes Zeugnis aus: Das Uni-Verhältnis mit Basel-Stadt stehe auf der Probe, sie konnte die Abbaumassnahmen nicht verhindern. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die SP selbst jemanden ins Rennen schicken will. Bis jetzt sickerte aber nicht durch, was für Abklärungen auf der linken Seite genau laufen.

Parteipräsident Nils Jocher verweist nur immer wieder darauf, dass eine breite Personaldecke zur Verfügung steht: Ex-Fraktionschef Roman Brunner, Ex-Präsident Adil Koller, Landrat Jan Kirchmayr (der Sohn von Klaus Kirchmayr) und Landrätin sowie erste Nachrückerin für den Nationalrat Miriam Locher überlegen sich laut Jocher aktiv, ob sie sich bewerben. Bis zur Delegiertenversammlung am 20. August wird sich jemand aus der Deckung wagen müssen.

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David Rutschmann

Das ist David (er/ihm):

Von Waldshut (Deutschland) den Rhein runter nach Basel treiben lassen. Used to be Journalismus-Student (ZHAW Winterthur) und Dauer-Praktikant (Lokalzeitungen am Hochrhein, taz in Berlin, Wissenschaftsmagazin higgs). Besonderes Augenmerk auf Klimapolitik, Wohnpolitik, Demopolitik und Politikpolitik. Way too many Anglizismen.

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