Eine Oase inmitten von Bauschutt
Es ist einer dieser verborgenen Schätze, den das Gundeli bereithält: Der Nachbarschaftstreffpunkt Café 103 im Migrationszentrum auf dem Wolf, in dem Menschen unkompliziert zusammenfinden.
Sie ist nicht gerade einladend, die Münchensteinerstrasse im nördlichen Gundeli, eine an diesem letzten Augusttag aufgeheizte Betonstrasse entlang der Geleise der SBB, wo Züge abgestellt sind und Autos sowie gelbe Trams an einem vorbei brausen. Doch einmal mit dem Velo in Richtung Wolf abgebogen, verbirgt sich am Ende der aufgerissenen Strasse hinter Baustellengittern eine kleine Oase: das Café 103.
Gelegen im Innenhof des provisorischen Migrationszentrums, das am Rande des neuen Entwicklungsgebiets Walkenweg steht wie eine Container-Trutzburg, in der seit Anfang 2017 Geflüchtete wohnen. Hier versuchen die Menschen anzukommen.
Das Café 103 ist seit 2017 ein informeller Nachbarschaftstreffpunkt für Menschen, die schon länger im Quartier wohnen genauso wie für all jene, die neu in Basel angekommen sind. «Es ist highlife, wild und chaotisch», sagt Mia. Und lacht. Sie ist eine der Freiwilligen aus dem neunköpfigen Team, das hier jeden letzten Sonntag im Monat zwischen 14 und 17 Uhr ehrenamtlich kostenlosen Kaffee ausschenkt und Kuchen anbietet, den die Bäckerei Weizenkorn als Leftover spendet. Auch schwarzen (süssen) Tee gibt es, der von Sabreen und Sherin zubereitet wird. Die beiden haben früher ebenfalls hier gewohnt und gehören heute zum Team. Bevor es jeweils losgeht, klopft dieses die Leute aus ihren Zimmern und macht sie auf das Kaffee-Angebot aufmerksam.
Die meisten Bewohner*innen lassen sich nicht zweimal bitten. Und so springen auch diesen Sonntag bei Sonnenschein Dutzende Kinder fröhlich herum und spielen Fangis, klettern das Spielgerüst rauf und rutschen die Rutsche runter, während an Holztischen auf langen Bänken Menschen aus aller Welt sitzen und laut durcheinander sprechen. Vor allem aber miteinander. Jede*r in seine*r eigenen Sprache, aber auch Deutsch hört man hin und wieder.
Da ist zum Beispiel die 51-jährige Manal aus Palästina. Sie lebt seit sechs Jahren in Basel. Früher hat sie hier im Migrationszentrum gewohnt, heute tut sie das in ihrem eigenen Zuhause nicht weit entfernt. Zufrieden schaut sie in den Innenhof und sagt: «Hier ist alles interessant.» Und: «Ich treffe meine Freunde, spreche Deutsch.» Derweil sitzt die 41-jährige Raihana aus Afghanistan an einem weiteren Tisch, sie wohnt im Hirzbrunnenquartier, wo sie oft den Quartierverein besucht. Eine Bekannte habe sie ins Café 103 eingeladen, erzählt sie. Das Café ist für sie «ein schöner Ort, wo die Kinder spielen können».
Für Neuzugezogene ist der Kontakt mit den Freiwilligen bei Kaffee und Kuchen oft der erste mit dem Quartier. Mia erklärt: «Es ist ein erster Begegnungsmoment, abgesehen vom Kontakt zu den ihnen zugewiesenen Sozialarbeiter*innen.» Mia wünscht sich demnach mehr Durchmischung, wünscht sich, dass mehr Menschen aus dem Quartier den Ort besuchen. Es besteht Hoffnung, dass dieser Wunsch bald in Erfüllung geht: Denn künftig wird das Migrationszentrum im Areal Walkenweg integriert, neben Wohnungen und Schulen.
Immer wieder wird das Gespräch mit Mia unterbrochen, zum Beispiel weil der Faden der Nähmaschine leer ist und ein junger Mann eine neue Spule braucht, oder weil ihr Bruder Caspar, ebenfalls ein Team-Mitglied, vorbeikommt und sie begrüsst. Und dann natürlich: Weil sie einen neuen Kaffee aufsetzen möchte. Doch das Gewusel stört hier niemanden, die Stimmung ist ausgelassen. Die Organisation spontan; die Regeln werden jederzeit neu angepasst.
Viele Regeln gibt es ohnehin nicht: «Es ist eine Plattform, um Ideen umzusetzen», sagt Mia. Zum Beispiel hat die Hilfsorganisation Heks im Innenhof einen Garten gepflanzt. Oder der Verein Kinder überall hat einen Nachmittag lang ein Kinderprogramm organisiert. Auch kommen Menschen vorbei und spielen Gitarre oder lehren den Geflüchteten Deutsch. Mia sagt: «Wenn jemand Lust hat, darf er*sie sich gerne einbringen.»
Es geht den Menschen hier um ein gutes Zusammenleben, das spürt, wer einen Fuss ins Café 103 setzt. So sagt Mia denn auch: «Ein gutes Zusammenleben ist, was uns Menschen verbindet: Wir wollen friedlich miteinander auskommen und uns verstehen.» Das, so scheint es, gelingt hier ohne Zweifel und in Zukunft vielleicht noch ein bisschen durchmischter auch am Walkeweg.