Basel klimaneutral! Oh, ein Flugi!
Die Klimagerechtigkeitsinitiative will Netto-Null bis 2030 in Basel – doch eine der grössten CO2-Produzenten lässt sie aus: den Euro-Airport. Wieso?
Der Abstimmungskampf für die kantonale Klima-Initiative Basel 2030, mehrheitlich auch Klimagerechtigkeitsinitiative genannt, kommt in die heisse Phase. Die Ziele der Initiative sind «Netto-Null der Treibhausgasemissionen bis 2030». Der Gegenvorschlag der UVEK will Netto-Null bis 2037.
Dabei fällt auf: Der Flughafen Basel-Mulhouse ist in der Abstimmung kein Thema. Dabei sind seine Emissionen beachtlich:
130’000 Tonnen an CO2-Emissionen konnten dem Euro-Airport 2019 zugerechnet werden, so viel wie durchschnittlich 26’000 Schweizer*innen pro Jahr verbrauchen. Dazu kommt der Energieverbrauch des weitläufigen Geländes: Auf 100’335 Megawattstunden (MWh) belief sich dieser im Jahr 2021 – die Flugzeugbetankung ist hierin nicht enthalten. Das ist so viel, wie etwas über 25’000 Vierpersonenhaushalte in der Schweiz jährlich verbrauchen, fast dreimal so viele wie die Gemeinde Riehen zählt.
Warum klammert die Basler Politik die CO2-Emissionen im eigenen Hinterhof aus? Die Stadt Zürich rechnet den CO2-Ausstoss des Flughafens in Kloten in die eigene Klimabilanz mit ein. Auch darum sieht das städtische Klimaziel vor, dass Zürich bis 2040 klimaneutral wird.
Die Frage geht an das Komitee für die Basler Klimagerechtigkeitsinitiative: Wieso klammern sie den Flughafen aus?
Der Grund ist einfach, wie das Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt erklärt: Der Euro-Airport liegt auf französischem Gebiet, Basel-Stadt hat keinen Einfluss auf die CO2-Bilanz, die entsprechenden Massnahmen müssen zwischen den Partnern (Bund, Kanton, Frankreich) abgestimmt werden.
Das Komitee für die Klimagerechtigkeitsinitiative sieht die Politik trotzdem in der Pflicht. So sagt Agnes Jezler, Mediensprecherin der Klimagerechtigkeitsinitiative Basel 2030: «Die Grossrät*innen und Regierungsrät*innen müssen definitiv mehr machen und auch auf die nationale Regierung mehr Druck ausüben.» Es stelle sich zum Beispiel die Frage, in welchem Umfang die finanziellen Unterstützungen am Euro-Airport, oder einer direkten Zugverbindung vom Bahnhof Basel SBB, noch zeitgemäss seien. Und ob das Geld lieber in den Ausbau des Schienennetzes fliessen sollte.
Die Klimagerechtigkeitsinitiative will das Ziel Netto-Null bis 2030 in die Verfassung schreiben. Die Initiative verzichtet auf die Ausformulierung konkreter Massnahmen zur Umsetzung, sondern fordert die Festlegung von Absenkpfaden. Der Staat soll im Sinne von Verursacherprinzip und Klimagerechtigkeit handeln. Netto-Null bedeutet, dass in einem definierten Territorium nicht mehr Treibhausgase ausgestossen werden dürfen, als natürliche und technische Speicher aufnehmen können.
Grüne, BastA!, SP, sowie der Mieter*innenverband, die Altersorganisation Avivo, sowie der VCS beider Basel unterstützen die Initiative. In der Stichfrage befürworten SP und EVP den Gegenvorschlag. FDP, Grünliberale und die Mitte-Partei lehnen die Initiative ab, befürworten aber den Gegenvorschlag. Der Gegenvorschlag wurde von der Umwelt- und Verkehrskommission ausgearbeitet. Er übernimmt den Initiativtext weitgehend, setzt das Ziel aber ins Jahr 2037. Basel-Stadt wäre der erste Kanton mit dem Ziel Netto-Null bis 2037.
Gegen Initiative sowie Gegenvorschlag haben sich der Gewerbeverband, SVP, LDP und der Wirteverband ausgesprochen.
Der Euro-Airport selbst will auch aktiv gegen seine hohen Emissionswerte vorgehen. Aber nur in einem sehr beschränkten Umfang und nicht dort, wo die meisten dieser Emissionen entstehen, nämlich bei den Flügen: «Im Bereich der CO2-Emissionen, die der Flughafen direkt beeinflussen kann, soll das Ziel ‹Netto-Null-CO2-Emissionen› bereits 2030 erreicht werden», antwortet Anne Lagarde, Sprecherin des Euro-Airports, auf Anfrage.
Die direkten Emissionen des Euro-Airport belaufen sich jedoch auf lediglich 3% der jährlich 130’000 Tonnen CO2. Also auf 4’000 Tonnen. Für die weiteren 97% oder 126’000 Tonnen CO2 gibt es aktuell keinen Reduktionsplan.
Initiative und Gegenvorschlag ohne Flughafen
Der Basler Regierungsrat will in der Klimapolitik ebenfalls ambitionierte Ziele verfolgen, jedoch hält er die Forderung der Initiative, bereits innert acht Jahren Netto-Null zu erreichen, für «unrealistisch». Das sieht auch die Mehrheit des Parlaments so. Der Grosse Rat nahm Mitte September den Gegenvorschlag der Umwelt-, Verkehrs-, und Energiekommission (Uvek) mit 72 zu 15 Stimmen bei vier Enthaltungen deutlich an. Der Unterschied zur Initiative? Basel muss erst 2037 Netto-Null erreichen. «Das ist viel zu spät», sagt Agnes Jezler.
Gegner*innen der Initiative und des Gegenvorschlags aus dem bürgerlichen Lager befürchten dagegen «drastische Konsumverzichtsmassnahmen und Verbote», wie Beatrice Isler, Präsidentin der Mitte-Frauen Basel-Stadt, gegenüber der bz sagte. Auch sollten die geschätzten Mehrkosten von 2,3 Milliarden Franken in die Klimaforschung investiert werden, der Beitrag zur Lösung des Problems wäre weitaus grösser, wie Demi Hablützel von der Jungen SVP Basel-Stadt erklärt. So sieht es auch SVP-Grossrat Beat Schaller gegenüber SRF: «Es gibt keinen Grund, zu hyperventilieren. Im Gegenteil, je wärmer es wird, desto kühler müssen unsere Köpfe sein.»
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