Ab ins Wuselwunderland
Egal ob Lesebrille, saisonale Deko, Zahnseide oder ein ausgefallenes Outfit: Bei Anwar Hossain im Clara Colosseum findet man immer, was man (nicht) sucht.
Name: Clara Colosseum Hausnummer: 15 Eröffnungsjahr: 2007 Angebot: Kleider, Haushalt, Spielwaren, Deko, Krimskrams Inhaber*in: Anwar Hossain Das Besondere: Man findet hier Dinge, von denen man nicht gewusst hat, dass man sie braucht. |
«TOTAL AUSVERKAUF» prangt in grossen roten Buchstaben über dem Eingang zum Clara Colosseum. Rechts und links von der Tür stehen Ständer mit Postkarten und Schweizerkreuz-Merch für die Tourist*innen, die auf dem Weg zur Messe vorbeikommen. Daneben blinkt das grüne Kartenschlitz-Licht des ATM-Geldautomaten neben einem Regal mit der Aufschrift «jetzt 1/2». Je nach Saison stellt Inhaber Anwar Hossain mal Fussballtrikots oder einen Ständer mit Eurovision-Armbändeli nach draussen – auch wenn der ESC schon seit Wochen vorbei ist.
Schon von aussen lässt sich das Versprechen dieses Ladens erahnen. Egal was man sucht, die Chance ist gross, im Clara Colosseum fündig zu werden. Ein neues Tischtuch ab der Meter-Rolle, eine rote Federboa, Handtaschen, ein kitschiges Osterhäsli aus Porzellan, Zahnseide, eine elektrische Multifunktions-Pizza-Gyros-Paella-Pfanne? Verkauft Anwar Hossain alles.
Ein Blickfang waren auch die Elektroroller, die vor seinem Geschäft auf dem Trottoir standen. «Jetzt verkaufe ich sie nur noch online, wegen der Baustelle in der Strasse», erklärt er einem Mann mit neonfarbiger Arbeitsjacke, der sich danach erkundigt. Die Baustelle ist nicht gut fürs Geschäft, deshalb ist Hossain froh, dass aufgrund der Grossveranstaltungen ESC, Art Basel und Women’s Euro jetzt gerade nicht gebaut wird.
Ein anderer Kunde kommt mit einer Uhr zur Tür rein. Sie funktioniere nicht, sagt er. Hossain zückt ein kleines Werkzeug und tauscht die Batterie aus. «Ich bin eigentlich Uhrmacher», sagt er erklärend über die Schulter. Als er vor 30 Jahren aus Bangladesch in die Schweiz kam, habe er eine Ausbildung bei Rolex gemacht. Viel Geld habe er früher verdient, dann aber fast alles verloren. «Corona», sagt Hossain erklärend. «Und die Börse.»
Hossain hat schon viel erlebt. Mit dem Uhren-Kunden erinnert er sich an die Zeit, als das Clara Colosseum noch ein paar Hausnummern weiter vorne an der Clarastrasse war. Heute ist die Confiserie Beschle in «seinem» ehemaligen Laden. Er habe die Miete dort nicht mehr bezahlen können, sagt er. Seit acht Jahren ist er deshalb jetzt an der Hausnummer 15 einquartiert. Seine Kundschaft hier besteht vor allem aus Leuten, die kein grosses Portemonnaie haben. Aber auch Läden aus der Nachbarschaft würden Kund*innen hierher schicken, wenn sie etwas Spezifisches suchen, das sie nicht selbst im Angebot haben.
Im Colosseum ist nicht immer intuitiv erkennbar, was wo versorgt ist. Vor manchen Regalen stehen halb geöffnete Kartonverpackungen. Mit seinem wuseligen Konzept wirkt das Geschäft ein bisschen aus der Zeit gefallen. Oder wie eine altmodische Brocki. Keine Einkaufsmusik, selbstgedruckte Reklameschilder, ein Ventilator bläst leise brummend die Preisschilder der aufgehängten Sonnenbrillen an. Im Untergeschoss riecht es nach Räucherstäbchen.
«Die Räucherstäbchen sind aus Bangladesch.» Hossain lächelt stolz. «Viele Leute hier kaufen sie.» Er wiederum kauft überall auf der Welt ein: Italien, Frankreich, Deutschland, Indien, Pakistan, China. Was läuft am besten? «Einkaufstrolleys», sagt er. «Und diese Lesebrillen. Manche Leute kaufen gleich mehrere auf einmal.» Er zeigt auf eine Plastikverpackung mit einer schlichten Brille darin. Wer nicht weiss, dass diese hier verkauft werden, findet sie im Drehregal in der Nähe der Kasse vermutlich eher zufällig. Aber Hossain hilft gerne beim Suchen.