«Kunst kann im stillen Kämmerlein stattfinden, zur Kultur wird sie erst im Dialog»
Die Neugestaltung der Kulturberichterstattung der Basler Zeitung bewegt die Gemüter. Bei unserer Frage des Tages, ob es das überhaupt brauche, äusserten sich wichtige Exponent*innen der lokalen Branche.
Wie weiter mit der Kulturberichterstattung in Basel? Die Umstrukturierung des Kulturjournalismus bei der Basler Zeitung sorgt in Basel für mächtige Diskussionen. Unsere Redaktorin Ina Bullwinkel hat das zum Anlass genommen, um in einem Artikel dem langsamen Eindampfen des Kulturjournalismus auf den Zahn zu fühlen – es folgte prompt eine Replik von bz-Kulturleiterin Mélanie Honegger.
Und wir nahmen die Debatte zum Anlass, um sie zu unserer «Frage des Tages» zu machen: «Braucht's Kulturberichterstattung in Basel?» Das Votum fällt klar zugunsten mehr Kulturberichten aus (und gar nicht mal so wenigen, die finden, wir sollten uns auch verstärkt aufs Parkett wagen 👀). Es äusserten sich viele Exponent*innen aus der Kulturbranche, wir haben ihre Antworten in diesem Artikel zusammengetragen.
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Die neusten Entwicklungen bei der BaZ beunruhigen im Basler Kunstmuseum sehr, sagt deren Direktor Josef Helfenstein. Dass die Kulturberichterstattung in den lokalen (wie auch den nationalen) Medien abnimmt, beobachtet er schon seit Jahren mit Sorge: «Der Platz dafür in den Zeitungen, aber auch auf deren Onlineportalen wird zusehends kleiner.» Vakante Stellen würden nicht besetzt und die klassische Kulturberichterstattung an den Rand gedrängt, mit Lifestylethemen verschmolzen «oder regelrecht eliminiert» werden.
«Gerade für eine Stadt wie Basel, die sich gerne und zu Recht ‹Kulturstadt› nennt, ist der langsame Tod der Kulturberichterstattung verheerend.Josef Helfenstein, Direktor Kunstmuseum Basel
«Ohne Kultur wird’s düster. Man muss sie geniessen. Erleiden. Darin abtauchen. Weg vom Alltag, von den ewig schlechten News. Über Kultur muss man reden. Sie diskutieren. Sie ist systemrelevant. Warum also sollte man darüber nicht mehr schreiben oder lesen wollen?»Karen N. Gerig, ehemalige Kulturjournalistin
«Berichte über unsere Arbeit und das, was wir hier schaffen, dienen der Meinungsbildung – besonders in einer Kulturstadt wie Basel darf dies nicht fehlen.»Benedikt von Peter, Intendant Theater Basel
Nicht nur der Intedant Benedikt von Peter, auch der Verwaltungsratspräsident des Theaters Basel, Michael Willi, hat mitdiskutiert. Er findet, dass Kultur – und damit auch Theater – eine öffentliche Auseinandersetzung und Diskussion über gesellschaftlich und politisch relevante Themen und Meinungen ermögliche: «Gewaltfrei (!), manchmal anspruchsvoll, manchmal unterhaltend oder auch beides.»
«Damit stärkt Kultur unsere Demokratie und unseren Zusammenhalt. Genau das versprechen auch Medien zu tun, um ihren Nutzen und staatliche, finanzielle Unterstützung als Service Public zu rechtfertigen.»Michael Willi, Verwaltungsratspräsident Theater Basel
Für die BaZ und ihre Besitzerin Tamedia aus Zürich gebe es deshalb durchaus eine Verpflichtung, das kulturelle Leben in Basel kompetent zu begleiten und damit auch zu fördern. «Relevanz und Qualität der kulturellen Aktivitäten sollten dabei im Vordergrund stehen und nicht aus der Zeit gefallene Schubladisierungen», schreibt er. Doch die Neugestaltung der Kulturberichterstattung können auch eine Chance für die BaZ selbst und das Kulturleben in unserer Stadt sein. «Wir hoffen, dass wir diesbezüglich einen Dialog führen können.»
Die Antwortoption «Was nicht klickt, kann weg» erinnert Marcel Falk an die Frage «Ist das Kunst oder kann das weg?» Der Direktor des Kammerorchesters Basel fragt sich, was bleibt, wenn nur noch klickbare Inhalte produziert werden: «Das, was sowieso tagein tagaus auf allen Portalen, ob digital oder analog zu finden ist?» Das Ressort «Leben und Gesellschaft» hält er für eine Ansammlung von «Geschichten von Stars und Skandälchen, austauschbar und omnipräsent abrufbar; von jeglicher Relevanz weit entfernt». Ein Echo oder eine Auseinandersetzung darüber erübrige sich.
«Kunst kann im stillen Kämmerlein entstehen, zur Kultur wird sie erst im Dialog und in der Auseinandersetzung mit einer Öffentlichkeit. Und damit letztere stattfinden kann, braucht es Vermittlung, von unterschiedlicher Seite. Seitens der Medien findet diese trotz einer mehr als beeindruckenden Kulturlandschaft in Basel deutlich weniger statt.
«Kunst kann im stillen Kämmerlein entstehen, zur Kultur wird sie erst im Dialog und in der Auseinandersetzung mit einer Öffentlichkeit.»Marcel Falk, Direktor Kammerorchester Basel
Damit diese Auseinandersetzung stattfinden könne, brauche es Vermittlung von unterschiedlicher Seite. Seitens der Medien findet diese trotz einer mehr als beeindruckenden Kulturlandschaft in Basel deutlich weniger statt, findet Falk. Auch er betrachtet wie Willi die Neuaufstellung der Kulturberichterstattung bei der BaZ als Chance. «Bleibt zu hoffen, dass an den richtigen Stellschrauben gedreht wird.
Kathrin Signer stimmt der Aussage von Marcel Falk zu: «Wir dürfen keinesfalls verlernen, darüber, was im stillen Kämmerlein entstanden ist, zu sprechen und in den Dialog zu treten.» Denn auch die Journalistin und Sängerin beobachtet eine Tendenz zum «sedierenden Konsumieren von Kunst», die unter anderem durch algorhythmisches Streamen verstärkt werde.
Es wäre fatal, diesen Diskurs zu verlieren, «gerade in einer Zeit, in der das Verlangen nach einfachen Antworten auf komplexe Probleme so gross ist. Gerade Kultur und eben auch ihre Berichterstattung ist nicht profit- und damit klickorientiert (beziehungsweise sollte es nicht sein). Stattdessen werd ein gesellschaftsanalytischer Dialog geführt, der sich nicht auf «sex and crime»-Schlagzeilen herunterschreiben lasse. Diesen Diskurs zu verlieren wäre fatal, so Signer – gerade in einer Zeit, in der das Verlangen nach einfachen Antworten auf komplexe Probleme so gross ist.
«Durch die ‹Vermantelung› von Regionalmedien beschränkt sich der Kulturteil vermehrt auf internationale Namen und verliert die lokalen Kunstschaffenden aus dem Blick.»Kathrin Signer, Journalistin und Sängerin
Signer fragt sich, warum wir ausgerechnet beim Lokalen nicht mehr hinschauen wollen: Es brodelt und köchelt in einer Kulturstadt wie Basel an allen Ecken. «Und im Gegensatz zu einem Aboprogramm zeigt sich doch genau da im Kleinen, was die Baslerinnen und Basler umtreibt und wie es sich in ihrer Kunst äussert.»
Basil Thüring, Co-Direktor des Naturhistorischen Museums Basel, beobachtet die aktuelle Entwicklung in den Medien mit Sorge. Kultur brauche Berichterstattung, sonst werde sie still und einsam. Er bringt es knapp auf den Punkt:
«Kultur ist relevant. Information ist relevant. Kritik ist relevant.»Basil Thüring, Co-Direktor Naturhistorisches Museum
Es sei ein Armutszeichen und Alarmzeichen, dass wir in der Stadt Basel eine solche Frage beantworten müssen, findet Raphael Immoos, Künstlerischer Leiter des Vocalensembles Basler Madrigalisten. Der Professor für Chorleitung bittet Bajour, mehr in diesem Bereich zu tun. Denn:
«Eine Kulturstadt, die ihre lokale Kulturberichterstattung nicht mehr mit der Öffentlichkeit teilt, ist keine Kulturstadt mehr.»Raphael Immoos, Künstlerischer Leiter Basler Madigalisten
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