Von Wollnasen und Gackerhühnern

Hunde, Katzen und andere Kleintiere sind auch in der Stadt keine Seltenheit. Beim Entdecken von Schafen im Wettsteinquartier kam jedoch Verwunderung auf: Wiederkäuer hier? Wir haben die Schäfchen und weitere ungewöhnliche «Stadttiere» besucht.

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Huch, wer ist denn da im Wettsteinquartier? Knapp 20 Schäfchen. (Quelle: Jeanne Wenger)

Schafe mitten im Wettsteinquartier: Was für Landkinder alltäglich ist, ist für in der Stadt Lebende eine halbe Sensation. Wir staunen nicht schlecht, als wir die kleinen Wollknäuel im Kleinbasel auf einem Spaziergang entdecken. Bellende Hunde, mal eine streunende Katze oder lästige Ratten (der Lüfte) sind nicht ungewohnt, aber die knapp 20 Schafe, die durch die Gebüsche der Alterswohnungen des Wettsteinparks linsen, fallen auf – auch wenn kein Glöckchen oder «Mäh» zu hören ist.

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Den Bewohnerinnen gefällt der flauschige Besuch. (Quelle: Jeanne Wenger)

Dass sie keinen Lärm machen, gefällt auch den Bewohner*innen der Alterswohnungen. Voller Begeisterung schwärmen fünf Frauen von den flauschigen Gästen: «Jetzt haben wir immer etwas zum Schauen.» «Sogar in der Nacht beobachte ich sie manchmal.» «Die friedliche Stimmung, die sie ausstrahlen, gefällt mir.» Vor lauter Stimmengewirr muss Pia Maissen, Leiterin der Alterssiedlung, ihre eigenen «Schäfchen» daran erinnern, dass nicht alle zur selben Zeit sprechen können. 

Auch der Gärtner der Alterssiedlung freut sich über die Unterstützung «seiner Mitarbeiter», wie er sie liebevoll nennt. Für ihn gebe es weniger Aufwand, da sie helfen, die invasiven Pflanzen zu entfernen, die er sonst alle von Hand beseitigen müsse. Im Allgemeinen sei das Projekt super für die Biodiversität, erklärt Maissen: «Die Schafe fressen nur bestimmte Pflanzen und auch nicht komplett weg, sodass sie wieder nachwachsen können.»

Die Schafe gehören der Firma «Naturpflege GmbH» und werden von Michael Dieterle betreut. Sie mähen den Rasen der Alterssiedlung auf natürliche Art. Das Mähen mit den Wiederkäuer sei vor allem für die kleineren Lebewesen auf den Grünflächen sinnvoll, da der Lebensraum nicht vollständig zerstört werde, erklärt der Schäfer. Neben dem ökologischen Aspekt stehe aber auch der soziale im Vordergrund: «Besonders ältere Menschen haben Freude an den Tieren, da gerade diese in Erinnerungen schwelgen können.»

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Auch die Schäfchen fühlen sich hier wohl. (Quelle: Jeanne Wenger)

Und damit hat er recht. Frau Volk mag besonders daran, dass sie einen «grossen Frieden» bringen und Frau Meier hat sich besonders gut über die Tierchen informiert, wie sie mit ihrem Wissen zur Verarbeitung der Schafwolle zeigt. «Nicht jede Wolle eignet sich zum Stricken», erklärt Frau Meier der Runde. Dass die Schäfchen teilweise ein unangenehmes Düftchen ausströmen oder die farbigen Blumen abbeissen, störe die meisten Bewohner*innen nicht. Nur manche freuen sich nicht ganz so stark über den flauschigen Besuch, meint Maissen. Man habe sich aber auch bewusst damit auseinandergesetzt, welche Tiere sich eignen und möglichst unauffällig grasen. «Die Tiere tragen keine Glocken und verstehen sich gut untereinander», erklärt der Schäfer Dieterle. 

Die Bewohner*innen seien aber auch froh, dass die Tiere nur zwischen 10 und 14 Tagen bleiben. Nicht, weil sie stören, sondern weil der Abschied zu schwer fallen würde, wenn sie die Tiere noch besser kennenlernen könnten, sagen die Frauen. Die Freude sei aber umso grösser, wenn sie im Frühling wiederkommen. 

«Hoftiere», die ganzjährig in der Stadt wohnen, gibt es jedoch auch. Auf dem Erlenmatt-Areal hausen seit Sommer 2020 gackernde Hühner. Anwohner*innen stellten bei der Stiftung Habitat, der die Höfe gehören, einen Antrag und nachdem die Mehrheit nach und nach überzeugt werden konnte, startete das Projekt «Erlenhühner».

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Die fünf Hühner: Fritzi, Black, Weasley, Zwergli und Madame Huhn. (Quelle: Jeanne Wenger)

14 Küken wurden im anliegenden Kindergarten aufgezogen, sieben männliche und sieben weibliche waren dabei. Die männlichen mussten sie abgeben oder schlachten, da sie keinen Hahn halten können, erklärt Judith Cann, eine der Ansprechpersonen. Hähne machen zu viel Lärm und der Lärmschutz gehöre zu den Bedingungen, die sie von der Stiftung erfüllen müssen. Insgesamt leben momentan fünf Hühner in den Höfen: Fritzi, Blacky, Weasley, Zwergli und Madame Huhn. Die fünf Damen, darunter drei «Appenzeller Barthühner», ein «Andalusier» sowie ein «Australorps» können hier auf dem gesamten Areal frei herumspazieren – auch eine Begrenzung zur Strasse oder weiter ins Kleinbasel gibt es nicht. Die Hühner bleiben aber im Hof und laufen nicht weg, beschwichtigt Cann.

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Alle Hühner sind sehr menschenfreundlich. (Quelle: Jeanne Wenger)

Im Allgemeinen sind sie sehr zahm. Vor Menschen haben sie keine Angst und auch die auf sie zukommende Katze stört die Hühner nicht. Falls sie ungestört sein wollen, können sie sich in den Bereich der Voliere zurückziehen oder in den Holzstall gehen. Wegen der Vogelgrippe ist das vorgeschrieben, sagt Cann. Ansonsten sei die Haltung aber «recht unkompliziert». 

Probleme gebe es eigentlich nur wegen der Hitze: Die Hühnerrasse eigne sich besonders gut für kalte Orte, sodass die gackernden Tiere im Sommer phasenweise die Nacht im kühlen Keller verbringen mussten statt im stickigen Holzstall. Ansonsten seien sie aber sehr pflegeleicht und da jedes Haus abwechslungsweise «Huhn-Dienst» habe, halte sich der Aufwand für einzelne Personen in Grenzen. 

Das Projekt «Erlenhühner» funktioniere bis jetzt wunderbar und Kinder sowie die Erwachsenen haben grosse Freude daran.

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Die Hühner können frei spazieren, aber Rückzugsorte haben sie auch. (Quelle: Jeanne Wenger)

Hühner in der Stadt werden immer beliebter, wie Guido Vogel, Leiter der kantonalen Tierschutzfachstelle des Kantons Basel-Stadt, beobachtet: «Die Haltung von Hühnern liegt im Trend.» Sobald die Voraussetzungen wie bauliche Massnahmen oder die Vorgaben des Tierschutzgesetzes und Tierseuchengesetzes erfüllt werden, könne man durchaus Tiere wie Schweine, Schafe oder eben auch Hühner in der Stadt halten, meint Vogel weiter. Die Geruchs- und Lärmbelästigung der Nachbar*innen müsse man aber ebenfalls beachten, sodass sich schlussendlich nicht allzu viele Orte in der Stadt für eine solche Tierhaltung eignen.

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Im Stall verbringen die Erlenhühner die Nacht und legen Eier. (Quelle: Jeanne Wenger)

Dies weiss auch die Hauseigentümerin Gabrielle Chiarello. Ihre Schweine und Gänse musste sie genau deswegen schlachten lassen und auch mit den Hühnern sei es schwierig. Vor allem die Tier-Rechtliche Situation sei kompliziert: «Natürlich möchte auch ich, dass es den Tieren gut geht, aber nicht alle Vorschriften finde ich verhältnismässig», sagt Chiarello. Sie fände es gut, wenn man geeignetere Konditionen für Tierhalter*innen schaffen würde, damit man beispielsweise auch vermehrt quartier-gemeinschaftliche Projekte aufbauen könne. 

Wie diese genau aussehen sollen, erläutert Chiarello nicht. Dass solche Projekte aber durchaus funktionieren und bei den Bewohner*innen gut ankommen, zeigen die Schafe im Wettsteinquartier und die Hühner beim Erlenmatt.

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