SVP zurück im Basler Regierungsrats-Rennen?

Bald stehen Regierungsratswahlen an. Wie immer fragt man sich bei den Bürgerlichen: mit der SVP oder ohne? Der Freisinn scheint einer Zusammenarbeit offen gegenüber zu stehen. Dafür steht vielleicht die GLP dann alleine da.

Titelbild Barth Messerli
Johannes Barth und Pascal Messerli.

Die Beziehung des Freisinns mit der SVP ist mehr oder weniger innig, häufig aber kompliziert. Letztere macht der FDP mit ihrer Politik der geschlossenen Grenzen ja seit Jahren Wähler*innen abspenstig, auch bei den Wahlen am 22.Oktober.

Im Baselbiet überlegt Präsident Ferdinand Pulver gegenüber der Baz, ob Listenverbindungen bei der aktuell teilweise vorherrschenden Tonalität in Zukunft überhaupt noch eine Option sind.

In Zürich verweigern die FDP Frauen dem Ständeratskandidaten Gregor Rutz ihren Segen für den zweiten Wahlgang.

Und in Basel-Stadt?

Hier ist beim Basler Freisinn auf einmal überraschend viel Offenheit gegenüber der Rechtsaussenpartei SVP zu spüren, die neuerdings wieder die stärkste bürgerliche Kraft im Kanton ist. 

Letzte Woche freute sich FDP-Präsident Johannes Barth noch darüber, dass man sich bei den Nationalratswahlen von der SVP abgegrenzt und so zwei bürgerliche Sitze verteidigt hat (den der LDP und den der GLP, ansonsten hätte die SVP letzteren geholt). Punkto Regierungsratswahlen betont Barth jetzt aber sehr deutlich, er wolle eine Zusammenarbeit nicht ausschliessen: «Bei der Exekutive geht es um die Person, nicht in erster Linie um die Partei», sagt er. Die FDP mache eine Zusammenarbeit davon abhängig, wen die SVP bringe. 

Möglich, dass die SVP wieder mit Stefan Suter antritt. Der Anwalt, Grossrat und Riehener Gemeinderat ist auch für moderate Bürgerliche wählbar, «deshalb möchte ich es offen lassen, ob wir mit der SVP zusammenarbeiten», sagt Barth. 

Und wenn man sich ein bisschen umhört, gibt es für eine breite Mitte-Rechts-Koalition durchaus Sympathien im Freisinn. 

FDP muss angreifen

Es gibt zwei Szenarien für Regierungsratswahlen. Szenario eins: Beat Jans wird Bundesrat, und sein Präsidium wird frei, dann gibt es bereits im Winter Ersatzwahlen. Szenario zwei: Jans bleibt Regierungspräsident. Dann finden im Herbst 2024 die ordentlichen Regierungswahlen statt.

Egal, ob ein Sitz frei wird oder nicht: Die FDP muss fast eine*n Kandidat*in bringen. Schliesslich will sie weiterhin eine tragende Rolle in Basel spielen, obwohl sie sowohl ihren Nationalrats- als auch ihren Regierungssitz verloren hat. Mit einer breiten Mitte-Rechts-Koalition hätte die FDP mehr Chancen, so wohl die Hoffnung.

Ob die FDP bei den Partnern LDP und Mitte damit auf offene Ohren stiesse, ist fraglich. In den letzten Jahren haben die Bürgerlichen die SVP konsequent ausgeschlossen.

So positionierten sich die bürgerlichen Parteien im urbanen Basel als pragmatische und vernünftige Stimmen in Abgrenzung zur SVP, die Skepsis gegenüber den europäischen Beziehungen zeigte und die Einwanderung ablehnt, die für die Basler Wirtschaft so wichtig ist.

Es gab zwar immer wieder Stimmen, auch aus Freisinniger Sicht, die sich mehr Nähe zur SVP wünschten und so den bürgerlichen Block gegenüber den Linken stärken wollten. Doch diese Versuche scheiterten. 

Aktuell sind LDP und Mitte allerdings angeschlagen. Die LDP hat gerade 4,5 Prozent Wähler*innenanteil verloren. Die Mitte gewann zwar deutlich Stimmen, schiffte aber bei den Ständeratswahlen ab. Die FDP dagegen gewann leicht dazu.

Ob das Mitte und LDP bezüglich einer Freundschaft mit der SVP etwas milder stimmt? Die LDP müsse entsprechende Gespräche noch führen, hiess es in der «Basler Zeitung». Balz Herter war für Bajour nicht erreichbar.

Veränderung
Wähleranteile Hauptlisten.

Die SVP wäre froh um Freisinnige Freundschaft. Sie pocht seit Jahren auf eine Zusammenarbeit. Klar. Mit einer Listenverbindung hätte die SVP ihren Nationalratssitz wohl nicht verloren. SVP-Präsident Pascal Messerli sagt: «Gespräche wären angezeigt, das zeigt auch unser Wahlresultat.» Auch könne er nicht nachvollziehen, warum die LDP seiner Partei die kalte Schulter zeige und ihren Umgangston kritisiere. Bei einer Parteiversammlung der Liberalen Anfang Jahr nannten LDP-Politiker die SVP «Sauhaufen» und es kam zu einem Insektenvergleich, danach zu einer Entschuldigung. «Jetzt kann sich die LDP doch nicht mehr glaubwürdig als Moralapostel aufspielen», sagt Messerli. 

Tatsächlich versucht der SVP-Präsident seine Partei regelmässig gegenüber extremen Tendenzen abzugrenzen. Aber nicht immer gleich konsequent: So stand er im Sommer hinter seinem Parteikollegen Joël Thüring, der mit diffamierenden Aussagen jenseits des Sagbaren aufgefallen war.

Katja Christ Wahlsonntag 23
Katja Christ am Wahlsonntag.

Allein, aber nicht einsam

Und was ist eigentlich mit der GLP, welche der SVP vor vier Jahren den Nationalratssitz weggeschnappt hat? Dass diese auch bei einem gemeinsamen Auftritt bei den Regierungsratswahlen dabei sein wird, ist fraglich. Regierungsrätin Esther Keller hatte bei den letzten Wahlen knapp am wenigsten Stimmen der Gewählten. Gut möglich, dass die Bürgerlichen ihr Stimmen abjagen möchten.

GLP-Präsidentin Katja Christ sagt auf Anfrage, sie sei offen für Gespräche, habe bisher aber noch keine Einladung erhalten. Sollten die Bürgerlichen mit der SVP gehen und die GLP ausschliessen, würde Christ deswegen wohl nicht in Tränen ausbrechen. Die GLP trat schon vor vier Jahren alleine an – und holte mit Esther Keller erstmals einen Sitz. «Wir sind es uns gewohnt, in einer Position aus der Mitte zwischen zwei Polen anzutreten.» So stelle die GLP eine Alternative dar, das gebe man nicht so schnell auf. Ausserdem seien Regierungsratswahlen Majorzwahlen: «Da braucht es keine gemeinsame Wahlempfehlung.» 

Aktuell hört man häufig, Esther Keller wäre die perfekte Regierungspräsidentin, sollte Beat Jans Bundesrat werden. Sie ist eine hervorragende Kommunikatorin – eine der Kernqualitäten, die dieses Amt erfordert. Findet Christ das eine gute Idee oder ist das nur Wunschdenken einiger Konkurrent*innen, die Keller in das unbedeutendste Amt abschieben und selber ein Amt mit mehr Einfluss erobern wollen?

Christ winkt ab: «Diese Diskussion ist viel zu früh.» Jans sei noch nicht einmal auf dem Ticket der SP-Fraktion.

Auch wenn FDP-Präsident Barth sich jetzt offen zeigt: Gut möglich, dass es am Schluss bei der guten, alten Freundschaft zwischen Mitte, FDP und LDP bleibt. Wobei Prognosen bekanntlich dazu da sind, von der Realität überholt zu werden.

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