«Die Gelder müssen gerechter verteilt werden»
Mittwoch wird im Grossen Rat über die neue Basler Clubförderung entschieden. Sie ist Teil der Trinkgeld-Initiative, die für einige in der Branche nicht viel mehr ist als ein bescheidener Anfang.
Was lange währt, wird endlich gut? Diese Frage stellt sich, wenn es um die Trinkgeld-Initiative (TGI) geht, die das Stimmvolk vor knapp drei Jahren klar angenommen hat. Die Initiative wurde peu à peu umgesetzt – am 8. November nun soll der Grosse Rat des Kantons Basel-Stadt über den letzten Punkt, die Bewilligung von Staatsbeiträgen im Bereich Basler Clubförderung, entscheiden. Beschlossen sind bereits die Kulturpauschale, mit der Alternativkultur in Basel gefördert wird, und die Förderung der Jugendkultur.
«Wir machen eine Flasche auf»
Die Zustimmung zur Clubförderung wird von der Branche sehnlichst erwartet, denn bisher haben die Clubs kein Geld gesehen. «Wenn der Ratschlag angenommen wird, dann machen wir eine Flasche auf», sagt Sebastian Schlegel, Geschäftsleiter von Kulturstadt jetzt!. Erstmals sei nun eine substanzielle Förderung im Bereich der Club- und Nachtkultur möglich. Es handle sich um ein echtes Pionierprojekt, mit dem die Clubkultur staatlich gefördert und somit auch anerkannt würde, sagt Schlegel zu Bajour: «Das wäre wirklich ein grosses Projekt, denn es sollen ja nicht nur Kulturschaffende gefördert, sondern auch das Management der Nachtkultur soll verbessert werden.»
Basel-Stadt wäre dann der erste Kanton schweizweit, der das Nachtleben staatlich fördert. Auch Beat Jans machte sich Ende September an einer Podiumsdiskussion von Radio X für die Clubförderung stark, da sie ein guter Ort sei, um die Jugendkultur zu stärken: «Clubs sind die Orte, an denen viele Jugendliche Kultur geniessen. Viele junge Künstler*innen bekommen hier zum ersten Mal eine Bühne.»
Ein erster Schritt
Caroline Faust engagiert sich für die Kampagne «Musikvielfalt». Die ehemalige Co-Geschäftsleiterin des Unternehmen Mitte, des Polyfon-Festivals 2022 und aktuelle Betriebsleiterin der kult.kino AG ist Vorstandsmitglied der IG Musik. Auch sie hofft, dass die Clubförderung jetzt durchgewinkt wird. Dennoch ist für die IG Musik die TGI nicht viel mehr als ein erster Schritt in die richtige Richtung. Warum die Initiative noch nicht ausreichend ist, veranschaulicht sie so: «Wenn die Trinkgeld-Initiative der Vaterschaftsurlaub ist, dann wollen wir die Elternzeit.» Die IG Musik hat deshalb eine weitere Initiative lanciert. Ihre Initiative für mehr Musikvielfalt soll garantieren, dass das Kulturfördergesetz umgesetzt wird, nach dem Basel-Stadt für ein vielfältiges Musikschaffen und -angebot sorgen soll. «Tut es aber nicht», sagt Faust.
Der Regierungsrat empfiehlt die «Initiative für mehr Musikvielfalt» zur Ablehnung, die IG Musik hat mit einer Stellungnahme darauf reagiert.
Sind die Forderungen des Vereins zu radikal? Die TGI hat weniger Widerspruch geerntet. Sebastian Schlegel ordnet ein: «Wir haben uns bewusst mit der Trinkgeld-Initiative für einen Weg stark gemacht, der politisch machbar ist und der auch auf Verständnis und Zustimmung der Bevölkerung stösst.» Das Initiativkomitee habe eine moderate und eben keine radikale Forderung gewollt. «Die gut drei Millionen Franken, die nun der Alternativ- und Jugendkultur zugutekommen, sind ein grosser Schritt in die richtige Richtung», ist er sich sicher. «Wichtig ist mir auch zu betonen, dass jetzt, wo die Trinkgeld-Initiative umgesetzt wird, keine anderen Bereiche in der Kultur beschnitten werden.»
Klassische Orchester profitieren
Die Kritik der IG Musik: Auch mit vollständiger Umsetzung der TGI werden 2024 immer noch 95 Prozent der Fördergelder in grosse Institutionen fliessen. Davon profitieren vor allem klassische Orchester. Professionelle Freischaffende aller Genres müssten sich nach wie vor mit weniger als zehn Prozent begnügen. «Die herkömmliche Förderpraxis muss neu überdacht und die Gelder müssen gerechter verteilt werden. Die Arbeitsbedingungen, die im Bereich Klassik vorhanden sind, sind auch für andere Musiksparten absolut erstrebenswert», sagt Caroline Faust.
- Kulturpauschale: Die neu konzipierte Kulturpauschale soll mehr Vielfalt im kulturellen Schaffens ermöglichen und die Alternativkultur stärken.Von Juli 2023 bis Ende 2026 sollen für diese knapp fünf Millionen Franken zur Verfügung stehen.
- Recherchebeiträge: Diese Förderung soll es Kulturschaffenden ermöglichen, unabhängig von einem konkreten Endprodukt neue Ideen zu entwickeln. Sie sollen so tiefer in Themen einsteigen können, ohne gleich eine fertige Projektbeschreibung für ein Fördergesuch vorlegen zu müssen. Die Abteilung Kultur Basel-Stadt lancierte im Oktober eine Pilotausschreibung für solche ergebnisoffenen Förderbeiträge in der Höhe von 5’000 bis 20'000 Franken
- Clubförderung: Der Regierungsrat schlägt dem Grossen Rat vor, dass Clubs mit Sitz in Basel-Stadt Fördergelder beantragen können, «sofern sie ihrem Publikum unabhängig von kommerziellen Mechanismen ein vielfältiges und qualitativ hochstehendes Live-Programm von Musik über Kleinkunst bis zu Spoken Word bieten». Bedingung ist ausserdem, dass sie faire Honorare und Gagen zahlen.
Die IG Musik könne die verhaltene Reaktion auf ihre Initiative nachvollziehen, aber: «Wir möchten keine Konkurrenzsituation schaffen. Alle Bereiche sind wichtig für die Musikstadt Basel. Unser Ziel ist eine gerechtere Verteilung der öffentlichen Gelder unter den diversen Genres.»
Das Thema nach einer gerechten Verteilung der Fördergelder wurde auch in unserer Frage des Tages diskutiert, in der es aus aktuellen Anlass um die Subventionen des Vereins Literatur Basel ging. Auch hier gibt es Voten wie die von Bajour-Leser Christian Mueller, der schreibt: «Ich finde: Kommerzielle Kultur benötigt weniger Subventionen, unkommerziellere mehr.» Es werde «vor allem klassische Kultur gefördert: Klassische Musik, Oper, klassische Kunst ...». Er stösst somit ins gleiche Horn wie Caroline Faust.
Nachtleben als Wirtschaftsfaktor
Sie sagt: «Es gibt in Basel 800 bis 1000 freischaffende Musiker*innen. Bisher können nur wenige von ihnen von ihrem Einkommen leben. Das muss sich ändern». Dieses Thema ist offenbar auch Beat Jans wichtig, der bekräftigte, dass es ein Anliegen sei, dass «anständige Löhne» gezahlt würden.
Auch wenn die Trinkgeld-Initiative für viele nur ein bescheidener Anfang ist, gibt sich Sebastian Schlegel optimistisch. Er sagt: «Ich hoffe, der Bogen, der vor drei Jahren gespannt wurde, schliesst sich nun bald.» Auch Beat Jans scheint klar zu sein, dass die TGI in der aktuellen Form nicht in Stein gemeisselt ist. Er betonte, dass sie ständig angepasst und verbessert werden könne. Vor allem verweist er aber auch auf die wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung der Nachtkultur in Basel, denn, so sagt er: «Wenn nachts nichts läuft, dann ist es ganz schlecht für den Wirtschaftsstandort.»
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