Das wird kein Spaziergang für Rösti

Die SRG müsste 900 Stellen sparen, wenn die Abbaupläne von Medienminister Albert Rösti umgesetzt würden. Unsere Leser*innen sind jedoch klar der Meinung, es brauche mehr, nicht weniger Service Public. Ansonsten sei die Demokratie in Gefahr.

Schweizer Radio und Fernsehen (Studio Zuerich Leutschenbach) spiegelt sich in einer Hausfassade am Sonntag, 11. Oktober 2020, in Zuerich.
900 Stellen müssten bei der SRG gestrichen werden, wenn die Abbaupläne von Medienminister Albert Rösti (SVP) kommen. (Quelle: Keystone)

Auf die Hinterbeine hat sich die SRG am Montag gestellt und ist auf Konfrontation mit dem Bundesrat gegangen: Die Leitung des öffentlich-rechtlichen Mediums der Schweiz hat vorgerechnet, was die von Medienminister Albert Rösti (SVP) vorgeschlagene und faktisch bereits beschlossene Kürzung der Radio- und TV-Abgaben für das Unternehmen bedeuten würde: 900 Stellen müssten gestrichen werden. Auch der Standort Basel und mit ihm das SRF-Regionaljournal wären betroffen (Bajour berichtete). 

In unserer Frage des Tages wollten wir von unseren Leser*innen wissen, ob sie sich mehr oder weniger Service Public wünschten. Zur Erinnerung: Bundesrat Rösti lehnt die Halbierungsinitiative «200 Franken sind genug», lanciert von Vertreter*innen der SVP und des Jungfreisinns, seit er im Bundesrat sitzt, ab. Er möchte aber die Abgabe in Eigenregie kürzen – von 335 auf 300 Franken (statt auf 200 Franken, wie von den Initiant*innen gefordert). 

Kahlschlag in der Medienbranche

Das Verdikt unserer Leser*innen ist klar: Knapp 90 Prozent finden, es brauche mehr Service Public, unter anderem, weil die Medien immer mehr abbauten. Erst Anfang November wurde beispielsweise bekannt, dass der Medienverlag CH Media 10 Prozent der Personalkosten sparen möchte, was 150 Vollzeitstellen entspricht. Und Tamedia teilte bereits Ende September mit, 20 Stellen in der Deutschschweiz zu streichen. Die Schere nach unten scheint inzwischen offen zu sein. Der Umsatz wird wohl kaum auf dem heutigen Niveau bleiben und es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis weitere Sparrunden folgen.

Sarah Wyss klein
SP-Nationalrätin Sarah Wyss (Quelle: zVg)

«Wer freie, unabhängige und tiefgründige Informationen und eine starke Demokratie will, muss Medien und damit auch SRG als Service Public stärken!» 

Die Kommentare in den Kommentarspalten sowie auf unserer Website zeigen: Für Rösti wird es kein Spaziergang. Viele Leute sind der SRG gegenüber inzwischen sehr positiv eingestellt. Haben die SVP und die Verleger ihr SRG-kritisches Fenster verpasst? Es scheint fast so.

Klaren Support erhält die SRG wenig überraschend von links. So meint SP-Nationalrätin Sarah Wyss, die Herausforderungen für die Medienwelt seien bereits gross genug: «Die zunehmende Verschiebung der News-Konsumation in die Sozialen Medien, die steigende Anzahl Fake-News und das rasante Tempo von sich überschlagenden Ereignissen. Das alles fordert die freie und kritische Berichterstattung. Daher braucht es eine Gegenbewegung von starken Medien und hierfür noch stärkeren Journalismus. Wer frei, unabhängige und tiefgründige Informationen und eine starke Demokratie will, muss Medien und damit auch SRG als Service Public stärken!» 

Private springen nicht in die Lücke

10 Prozent der Leser*innen finden derweil, es brauche weniger Service Public, die Privaten würden die Lücken schon füllen. Doch dieses Lückenfüllen durch Private hat eben auch seine Tücken. So schreibt Mitte-Politikerin Beatrice Isler-Schmid, sie sei «absolut gegen einen Abbau der SRG. Ich möchte mich nicht auf private Sender verlassen müssen, denn diese können ja i.d.R. nur existieren, wenn grosse Geldgeber dahinter stehen (Unabhängigkeit adee).» Auch Leserin Esther Kaufmann spricht sich gegen einen Abbau der SRG aus, «da private Medien tendenziell von reichen Menschen mit ihren eigenen Interessen finanziert werden. Da kann es schon vorkommen, dass da diese Medien nicht ganz unabhängig berichten.» 

Bürgerliche Stimmen, die sich für die Abbaupläne des Medienministers oder für die Halbierungsinitiative aussprechen, waren in der Debatte auf unserer Website rar. Einzig FDP-Grossrat Luca Urgese schreibt: «Die entscheidende Frage in dieser Debatte ist, was überhaupt zum Service Public gehört. Und vor allem: Was nicht. Wer alles, was die SRG macht, per se als Service Public bezeichnet, der verweigert sich einer längst überfälligen Diskussion.» 

Tatsächlich gehören Landfrauen oder Glanz und Gloria und Co. nicht zum Informationsauftrag der SRG. Doch der Leistungsauftrag umfasst neben Sport und Kultur auch explizit die Unterhaltung - dies weil so ein Publikum gebunden werden kann, das sich vielleicht von sich aus nicht für die Sternstunde Philosophie interessiert, aber via Landfrauenküche darauf stösst

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FDP-Grossrat Luca Urgese

«Die entscheidende Frage in dieser Debatte ist, was überhaupt zum Service Public gehört. Und vor allem: Was nicht.» 

Auffällig ist in der Diskussion, wie kompetent die Bevölkerung inzwischen argumentiert. Das war vor wenigen Jahren noch anders, als der Souverän eine verstärkte Medienförderung letztlich bachab schickte. So schreibt Bajour-Leser Christoph Müller: «Wir sind alle verschieden und haben unterschiedliche Vorlieben, Interessen, Bedürfnisse. Diese Vielfalt zu spiegeln, ist Aufgabe der SRG. So funktioniert Demokratie. Die SVP greift die SRG an, um die Demokratie zu schwächen. Das ist ihr Kernanliegen, auch wenn sie das Gegenteil behauptet.»

Die Schwächung der SRG sei demnach eindeutig politisch motiviert, da die Rechte sich mehr Einfluss via ihre eigenen Kanäle erhoffe. So findet Leser Matthias Scheurer: «Die permanenten Angriffe der politischen Rechte auf die SRG-Gebühren sind für mich nichts anderes als der Versuch, die freie, unabhängige Meinungsbildung in unserem Land zu untergraben. Dass jetzt auch der Bundesrat eingeknickt ist, erachte ich als höchst bedenklich.» 

Breiter Informationsdiskurs hilft Zahlungsbereitschaft

Nicht nur die Rechten wollen die SRG schwächen. Auch die Verleger*innen haben offenbar Interesse daran, das Service Public Angebot stark abzubauen. So schrieb der Verband Schweizer Medien in seiner Medienmitteilung von Anfang November, die Online-Aktivitäten der SRG müssten eingeschränkt werden. Die Verlage versuchen also, die Konkurrenz auszuschalten. Das wird etwa im Kommentar von Tages-Anzeiger-Chefin Raphaela Birrer deutlich, und ist der Tenor diverser Artikel in den Medien der Schweizer Grossverlage. Allerdings liegt kein Beleg vor, dass ein schwächeres Angebot der SRG zu mehr Einnahmen bei den privaten Verlegern führen würde. Im Gegenteil. Verschiedene Studien belegen, dass die Bereitschaft, für private Medien zu bezahlen, in Ländern sogar höher ist, wenn ein starkes Service Public Angebot vorhanden ist und ein breiter Informationsdiskurs stattfindet.

Das Vorgehen von Bundesrat Rösti wird entsprechend scharf kritisiert. So fragt sich Leser Lukas Romer, ob man hier wirklich von einem Gegenvorschlag sprechen könne. Denn: «Der Änderungsvorschlag des Bundesrates erfolgt auf Verordnungsebene, was nicht einer Volksabstimmung unterliegt. Ob der Service Public eingeschränkt wird, steht also eigentlich nur zur Vernehmlassung und nicht wirklich zur Debatte. Der Gesamtbundesrat lässt sich also vor den Karren der SVP und ihres Bundesrats-Rösti, der ja im Initiativkomitee der Initiative war, spannen.»

Und da hat Leser Romer einen Punkt, den es jetzt zu klären gilt. Die SRG-Führung hofft jedenfalls, dass Rösti die Vorgabe noch einmal überdenkt. Der SVP-Bundesrat könnte sich verrechnet haben. Der Service Public der SRG ist zumindest den Bajour-Leuten offenbar was wert. Finanziell und emotional.

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