Die GLP – nicht mehr aufzuhalten?

GLP-Nationalrätin Katja Christ hatte am Montag ihren «Letzten» als Basler Parteipräsidentin. Im Interview erklärt sie, was sie von einer modernen Medienförderung erwartet und spricht über ihr Erfolgsrezept.

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Katja Christ gibt das Basler GLP-Präsidium ab: «Ich habe viel investiert, konnte aber noch mehr ernten: die Fraktionsstärke, Esther Keller als Regierungsrätin, das Nationalratsmandat, das sind alles Erfolge, die ich mitnehme.»

Kurz nach den nationalen Wahlen hat GLP-Nationalrätin Katja Christ bekannt gegeben, dass sie das Basler GLP-Parteipräsidium nach acht Jahren abgibt. Die Riehenerin hatte die Partei in einer schwierigen Situation übernommen und danach einen Erfolg nach dem anderen verbucht: Seit sie die Partei präsidiert, hat diese Fraktionsstärke im Grossen Rat, einen Nationalratssitz und eine Regierungsrätin, in der Person von Esther Keller, gewonnen. Im Herbst konnte Christ Ihren Sitz verteidigen. Die Juristin geht also, wenn es am schönsten ist. Ihren Entscheid begründete Christ, die unter anderem durch Bildungsthemen politisiert wurde, vor allem damit, dass es in Bundesbern für die bevorstehende Legislatur «ihre ganze Kraft und ihr volles Engagement» benötige. Doch auch im Kanton brauche es im Hinblick auf die kommenden Wahlen viel Energie.

Wir treffen Christ auf ein Sprudelwasser in ihrem Büro an der Gerbergasse.

Frau Christ, in Basel-Stadt feiern die Grünliberalen Erfolge, auf nationaler Ebene verliert alles, was Grün nur schon im Namen trägt. Was ist Ihr Rezept? Unterlisten und Tramwerbung?

Nein, natürlich nicht (lacht). Unsere Kampagne für die nationalen Wahlen hatte früh gestartet, wir waren omnipräsent und haben uns unter die Leute gemischt. Wir haben unsere Bewegung sichtbar gemacht. Dass die Basis so motiviert mitgemacht hat, ist vielleicht auch meiner Arbeit der letzten Jahre zu verdanken. Ich verbildliche den Weg zu unserem Wahlerfolg gerne mit einem Koloss, einem Stein, der wie bei Asterix und Obelix den Hang hinuntergerollt ist – und niemand konnte ihn mehr aufhalten.

Sie sagen gerne: «Wir sind eine Bewegung.» Die GLP sei ein grosses Team und «jeder kann mitreden». Wie erzeugen Sie dieses Gemeinschaftsgefühl?

Es kommt darauf an, was man für eine Vision hat, wie man den Verein führen will. Eine Partei ist kein Unternehmen und man hat keine Weisungsbefugnis, alle sind Mitglieder, man kann also keine Befehle erteilen. Ich habe mir schon früh die Frage gestellt, wie ich die Community in Bewegung bekomme. Das funktionierte nicht nur mit IQ, sondern vor allem mit EQ. Also emotionaler Intelligenz. 

Puh. Das müssen Sie ausführen. 

Alle Menschen funktionieren anders, wo eine Flämmchen zum Brennen gebracht werden kann, soll das Feuer entfacht werden. Kleine, negative Gluten müssen hingegen rasch gelöscht werden. Dies braucht nicht zuletzt Präsenz. Der Erfolg des Teams im Wahljahr dürfte auch daraus resultieren, dass ich als Mensch Akzeptanz geniesse.

Apropos Emotionen: Wie oft haben Sie sich das Video des Wahltages von vergangenem Oktober angeschaut? Mehr Pathos ging ja nicht. Aber ich muss zugeben: Es gibt für mich wenig derart emotionale Polit-Videos.

Ich habe es oft angeschaut (schaut nachdenklich). 

Kommen Ihnen heute noch Freudentränen dabei?

Nun ja, es war wirklich ein sehr emotionaler Moment, weil er zeigt, wie das Unmögliche möglich gemacht werden kann. 

Und mittlerweile reisen Sie nach Zürich und dürfen den GLP-Gründer*innen erklären, was Ihr Rezept ist für den Erfolg in Basel…

Ja, gestern Abend war ich eingeladen, um über die Wahlkampagne zu sprechen. Das war tatsächlich ein Highlight. Wir sind hier in Basel mit 4-5 Prozent gestartet und haben zu den Kolleg*innen im Kanton Zürich lange hinauf geschaut. Die Wertschätzung freut mich sehr, sie ist das Lebenselixier der unbezahlten Arbeit einer Parteipräsidentin.

Der Noch-Parteipräsident der Grünen, Balthasar Glättli, hatte kürzlich gesagt, ein Parteipräsident sei wie eine Laterne, man werde unten angepinkelt und oben müsse man scheinen. Fühlen Sie sich angepinkelt?

Nein. Ich habe viel investiert, konnte aber noch mehr ernten: die Fraktionsstärke, Esther Keller als Regierungsrätin, das Nationalratsmandat, das sind alles Erfolge, die ich mitnehme. Ich möchte auch meinen Kindern etwas mit auf den Weg geben. Als Präsidentin hat man die Chance, zu gestalten und zu prägen. Das Bild der Laterne passt für mich demnach nicht so gut.

End
Während sich Basel im Wahlkampf befindet, veranstaltet die GLP eine Popcorn-Party.

Derzeit ist es still um die GLP, die Partei lehnt sich eher zurück und isst Popcorn. Spart die Basler GLP Energie für den Herbst?

Das Image, wonach wir uns zurücklehnen, wird uns auferlegt. Esther Keller hat sich aus dem Rennen fürs Regierungsratspräsidium genommen – und wir beanspruchen im Moment auch keinen zweiten Sitz. Dadurch können wir jetzt Ressourcen sparen. Am Montagabend ist Mitgliederversammlung und es wird eine neue Parteispitze gewählt. Das ist für eine Partei eine grosse Umwälzung und braucht viel Energie, das darf nicht unterschätzt werden. Wir brauchen die Ressourcen gegen innen. 

Was raten Sie Ihrer Nachfolge? 

Ich gebe der neuen Präsidiumsperson viel Gelassenheit mit auf den Weg. Weil: Wir werden nunmal immer und von allen Seiten angegriffen. Das war uns schon immer klar. Und auch das Baudepartement, dem Esther vorsteht, steht schon seit jeher in der Kritik. Ich empfehle daher, bei Angriffen mit Bedacht zu reagieren. Zudem: Für mich als Präsidentin war es immer wichtig, jede Meinung zuzulassen. Ich greife keine politischen Personen an, auch keine Parteien. Aber ich debattiere hart in der Sache. Grosse Linien würde ich keine mitgeben wollen. Mit dem neuen Präsidium erhält die Partei ein neues Gesicht. Mir ist wichtig, dass eine neue Truppe, eine neue Generation das Amt nun auch frei gestalten kann. 

Die Basler Grünen stellen das rot-grüne Erfolgskonzept in Frage: Präsidentin Raffaela Hanauer schliesst eine Zusammenarbeit mit Bürgerlichen nicht aus – was halten Sie von einer Fusion mit den Grünen?

Diese Idee kann ich verwerfen. Der Grund, warum die GLP gegründet wurde, war ja eben genau, weil wir andere politische Ansichten haben als die Grünen. Genauso wenig könnten wir mit der LDP oder der FDP oder sonst einer Partei fusionieren.

«Ich gebe der neuen Parteispitze viel Gelassenheit mit auf den Weg.»

von GLP-Nationalrätin Katja Christ

Die GLP steht für grün und liberal, dennoch hat man den Eindruck, das GLP-Herz würde in diesem Ersatz-Wahlkampf eher für den SPler Mustafa Atici schlagen, irre ich mich?

Das ist Ihr Eindruck. Der Vorstand möchte keine Empfehlung abgeben und wir werden heute Abend sehen, ob die Basis diesem Vorschlag folgen wird. Alle drei Kandidaten sind wählbar, haben mit uns gemeinsame Positionen, aber eben auch unterschiedliche. Auch bezüglich Rucksack trauen wir das Amt allen zu. Aber natürlich gibt es Freundschaften oder persönliche Präferenzen zum einen oder anderen Kandidaten.

Wo werden Sie in Bern nun «Mut zur Lösung» beweisen? Und Ihr Profil weiter schärfen?

Ich werde mich nicht zwingen lassen, unauthentisch zu werden, nur weil mir im Wahlkampf 2023 zu wenig Profil vorgeworfen wurde, genauso wie im jetzigen Wahlkampf um den frei gewordenen Regierungsratssitz den Kandidaten ein zu grosser Fokus auf einzelne Themen vorgeworfen wird. Wie auch die letzten vier Jahre werde ich mich für Themen einsetzen, die mich beschäftigen und mir am Herzen liegen.

«Alle drei Kandidaten sind wählbar, haben mit uns gemeinsame Positionen, aber eben auch unterschiedliche.»

von GLP-Nationalrätin Katja Christ

Sie fordern eine zukunftsgerichtete Medienförderung. In Bern wartet man derzeit auf die Antwort des Medienministers auf ihre Anfrage. Albert Rösti hat in einem Interview allerdings bereits angekündigt, auch Gratisanzeiger fördern zu wollen. Macht das für Sie Sinn?

Ich kenne die Antworten auf mein Postulat noch nicht, diese sollten im Frühling kommen. Derzeit stehen vor allem die Halbierungs-Initiative der SVP sowie der Gegenvorschlag auf Verordnungsstufe im medialen Fokus. Aber ja, ich könnte mir vorstellen, dass alle Medien einbezogen würden, also auch Gratisanzeiger. 

Das klingt jetzt nicht super zukunftsgerichtet…

Es dürfte nicht entscheidend sein, ob sich ein Medium durch Werbung, über Abonennt*innen oder Gönner*innen finanziert. Wir müssen vom Endziel ausgehen – und uns dann erst fragen: In was investieren wir? 

Während gedruckte Medien wie BaZ oder bz, aber auch die Kleinbasler Zeitung bereits vom Staat gefördert werden und auch Lokal-TV-Sender und Radios, die jetzt stark auf Online setzen, wie etwa Baseljetzt, weiter mit Subventionen rechnen können, werden reine Online-Medien wie Bajour oder Onlinereports öffentlich nicht gefördert. Was muss Ihrer Meinung nach passieren?

Wie gesagt, es geht darum, alle Medien einzubeziehen. Dabei geht es in erster Linie um qualitativ hochwertigen Inhalt. Es geht also auch nicht darum, ob das Medium online oder in gedruckter Form erscheint. Es sollte möglichst jeder Medienfranken in einem Buchstaben resultieren. 

Muss Bajour seine Inhalte also in Zukunft drucken lassen und den Leuten vor die Haustür legen, damit wir Medienförderung bekommen?

Das wäre für mich absurd. Ich habe zwei jugendliche Kinder, die keine gedruckten Zeitungen mehr lesen. Auch ich konsumiere Zeitungen online. Die Zukunft ist digital, aber natürlich: Es braucht eine Übergangsphase, in der auch noch gedruckte Zeitungen finanziert und produziert werden. Dabei braucht es jedoch Anreize, um die Verlage in Bewegung zu bringen in der Transformationsphase von print zu online. Also eine dynamische Medienförderung.  

Mit dem Stichwort Bewegung wären wir wieder am Anfang des Gesprächs, herzlichen Dank, Katja Christ.

Danke.

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