Alle für Riebli

Die Baselbieter SVP hat einen neuen Parteipräsidenten: Dem kürzlich geschassten Fraktionspräsidenten Peter Riebli gelang der Turnaround – er liess seinen moderaten Konkurrenten Johannes Sutter links liegen. Zwischen Schlagerhits und vielen geschüttelten Händen kam in Aesch Hoffnung für einen Neuanfang auf.

Der neu als Kantonalpraesident gewaehlte Peter Riebli jubelt am Rednerpult an der Generalversammlung und am Parteitag der SVP Baselland in Aesch, am Donnerstag, 25. April 2024. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)
Peter Riebli geht als Sieger aus der Mehrzweckhalle in Aesch.

Vor dem offiziellen Beginn in der Mehrzweckhalle in Aesch ist Feierstimmung. Von der Bühne singt ein Duo Schlagerhits, es wird Bier bestellt und angestossen. Wobei, die Feierlaune trügt. Auf den zweiten Blick sieht man sie weibeln. Parteigrössen der Baselbieter SVP – dazu gehören Thomas de Courten, Sandra Sollberger, Thomas Weber – sind gekommen, schütteln Hände, klopfen auf Schultern. Es gilt, noch letzte Stimmen für die heute anstehende Wahl des Parteipräsidiums zu gewinnen.

Und wie ein Gespräch mit einem Parteimitglied draussen vor dem Eingang zeigt, ist das Weibeln berechtigt. Er sei seit 20 Jahren in der Partei, sagt der Mann, aber noch nie an einer Generalversammlung (GV) gewesen. Heute aber sei er hier, denn: «Der Unterhaltungswert ist garantiert», sagt er mit Augenzwinkern, bevor er wieder ernst wird. Für beide Kandidaten gebe es Pro und Contra, entschieden habe er sich noch nicht so richtig. Er hoffe aber, dass nach heute Abend alles wieder ruhiger werde um die internen Streitigkeiten. «Es gäbe so viel Wichtiges zu besprechen», sagt er, und auf Nachfrage: «Ja, Inhaltliches.»

Die Buehne an der Generalversammlung und am Parteitag der SVP Baselland in Aesch, am Donnerstag, 25. April 2024. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)
An der GV gabs Schlager und Schelte.

Viel zu reden gab die Baselbieter SVP in den letzten Wochen – und Inhalte standen nicht im Vordergrund. Der amtierende und als gemässigt geltende Parteipräsident Dominik Straumann wollte eigentlich wieder antreten. Doch dann zog er sich aufgrund interner Streitigkeiten zurück, sein Vize Johannes Sutter sollte es richten. Darauf entschied sich der konservative Flügel der Partei um Landrat und Fraktionspräsident Peter Riebli zu einer Kampfkandidatur mit Caroline Mall. Dann der nächste Hammer: Peter Riebli wird von seiner Fraktion im Landrat als Präsident abgewählt, woraufhin sich Caroline Mall aus dem Rennen fürs Parteipräsidium zurückzog und ankündigte, Peter Riebli in einer Kandidatur zu unterstützen. All dies wurde begleitet von Recherchen zu JSVP-Strategiechefin Sarah Regez, politische Ziehtochter Rieblis, und ihrer Nähe zu rechtsextremen Kreisen und einer Debatte zur Abgrenzung der SVP gegen rechts.

Der Wahl fürs Parteipräsidium ging also eine intensive Zeit voraus. Über 300 SVP-Mitglieder sind nach Aesch gekommen. Zum Start erheben sie sich alle für das Baselbieterlied. Bei den ersten Traktanden – Genehmigung des Jahresberichts und der Jahresrechnung – zeigt sich die Partei geeint mit einstimmigen Entscheiden.

Nach einer knappen halben Stunde dann: Traktandum 7. Peter Riebli und Johannes Sutter erhalten vom soeben gewählten Tagespräsidenten Dieter Völlmin je acht Minuten Redezeit, um sich den Anwesenden vorzustellen. Riebli betont seine grosse politische Erfahrung und seine Vernetzung und beschreibt sich selbst als beliebt, als «SVP-Identifikationsfigur» für die Öffentlichkeit und die Medien. Die Grundwerte der Partei, «Freiheit, Unabhängigkeit, Sicherheit und Eigenverantwortung» würden ihm als Richtschnur für die politischen Entscheide dienen. «Dass wir dafür ab und zu als Hardliner abgestempelt werden, soll und darf uns nicht stören», sagt er.

Eines wolle er aber «ein für allemal» festhalten: «Unsere Partei und auch ich persönlich habe mit Extremismus, mit allem, was ausserhalb unserer demokratischen Rechtsordnung steht, absolut nichts am Hut.» Man sieht Köpfe anerkennend nicken im Publikum. Riebli schliesst ein paar Minuten später mit einem Appell: Gemeinsam und vereint müsse man als Oppositionspartei den Kampf für die Sache führen. Die Sache: «Das wunderschöne Baselbiet, die einzigartige Schweiz und die Zukunft, die wir für uns selber, für unsere Kinder und unsere Enkel schaffen müssen.»

Auf grossen Applaus folgt wieder konzentrierte Ruhe. Sutter ist an der Reihe. Dieser zählt am Anfang seiner Rede Beleidigungen auf, die er in den letzten Wochen aus der eigenen Partei über sich gehört hat. Dazu zählen «Weichspülerpräsident», «Schlaftablette», «Nobody». So hätten Peter Rieblis Unterstützer*innen mobilisiert, gegen ihn, «gegen einen Parteikollegen». Er finde das bedenklich und sinnbildlich für den Zustand der Partei. «Das muss aufhören, und zwar sofort.» Sutter wiederholte, was er schon im Vorfeld oft gesagt hatte: Er wolle die Partei einen mit einer ausgewogenen Parteileitung, in der sowohl die Riebli-Seite, das «andere Lager» und «neutrale, konstruktive» Leute vertreten seien. Er betont, dass er mit der Absetzung von Riebli als Fraktionspräsident nichts zu tun gehabt habe. «Mehrheiten erreicht man nicht mit politischem Hüftanschlag», sagt er zum Schluss, sondern mit Strategie und gescheiten Allianzen. Auch er erntet Applaus.

Kandidat Johannes Sutter spricht an der Generalversammlung und am Parteitag der SVP Baselland in Aesch, am Donnerstag, 25. April 2024. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)
Johannes Sutter bei seiner Rede vor der Wahl.

Danach folgen engagierte kurze Voten von verschiedenen Parteiexponent*innen – Landrät*innen, Personen aus der SVP-Leitung, aus der Jungpartei und von der Basis. Nach einigen Voten für beide Kandidaten macht der Tagespräsident Völlmin eine Durchsage: Bei ihm angemeldet hätten sich noch 25 weitere Votant*innen: alle für Riebli. Vielleicht könne sich der eine oder andere nochmals überlegen, das Votum aus Zeitgründen zurückzuziehen. Die meisten ziehen nicht zurück und so folgen meist kurze Reden, die Riebli als «Macher» und «Chrampfer» loben.

Auch an angriffigen und tadelnden Stimmen gegen die aktuelle Parteileitung fehlt es nicht: Sie wird dafür verantwortlich gemacht, dass die internen Streitigkeiten der Partei nach aussen gelangen und dass Riebli als Fraktionspräsident abgesetzt wurde. Kritisiert werden auch die Medien. Und die amtierende Parteileitung für ihren Umgang mit den Medien im Fall der Jungen SVP («Im Fall Regez sind wir voll in den Hammer der linken Presse gelaufen»). Als Sarah Regez in ihrem Votum das Mikrofon in die Hand nimmt, sich Riebli zuwendet und ihm zuerst einen Dank ausspricht, gibt es Spontanapplaus.

Während in der Mitte des Raums Reden laufen, strecken Parteikolleg*innen Riebli ihre Hände entgegen, zur vorauseilenden Gratulation, scheint es. Und Riebli lächelt. Das Lager der aktuellen Parteileitung indes und die Fraktionsmitglieder, die noch vor Kurzem mit einer Richtigstellung zur Absetzung von Riebli an die Medien getreten waren, bleiben still.

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Nationalrätin Sandra Sollberger wirft ihre Stimme in die Urne.

Nach Abschluss der Voten gilt es ernst. Es gehen Wahlurnen rum und in der darauffolgenden Wartezeit bis zur Auszählung der Stimmen holt man sich Kaffee crème und Kuchen. Kurz vor 22 Uhr – zweieinhalb Stunden nach Beginn der GV – steht fest: Peter Riebli wird mit 180 von 313 Stimmen gewählt. «Peter, Peter, Peter», ertönt es im Raum und einige erheben sich. Seine neue zehnköpfige Parteileitung wird mit 188 Ja-Stimmen (16 Nein, 23 Enthaltungen) gewählt.

Nach der Wahl geht die GV zu Ende und als ob das nicht schon genug Programm für einen Abend gewesen wäre, beginnt nun noch der Parteitag, in dem die SVP BL ihre Parolen für die kommenden Abstimmungen fasst. Während es im Saal weitergeht, stehen die Journalist*innen im Vorraum für Kurzinterviews mit Riebli und Sutter an.

Johannes Sutter, rechts, gratuliert dem neu als Kantonalpraesident gewaehlten Peter Riebli, links, an der Generalversammlung und am Parteitag der SVP Baselland in Aesch, am Donnerstag, 25. April 2024. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)
Johannes Sutter (rechts) gratuliert Peter Riebli (links) zur Wahl.

Letzterem sieht man die Enttäuschung an. Es gehe ihm «gar nicht mal so schlecht», man müsse damit rechnen, dass man verliert, wenn man sich einem Wettkampf stelle. Ermando Imondi, der zweite Vizepräsident, und er würden jetzt auf dem «Zuschauerbänkli der einfachen Parteimitglieder Platz nehmen». Den Entscheid der Parteibasis gelte es zu akzeptieren.

Dass die Parteibasis hinter ihm stehe, habe er gespürt, sagt der Gewinner des Abends, Peter Riebli. Er habe Respekt vor der Aufgabe, sei aber sehr zuversichtlich, dass er diese Unterstützung weiterhin haben werde und die schwierige Aufgabe zusammen mit seiner Parteileitung meistern könne. Auf die Unruhe in der Fraktion angesprochen, sagt Riebli, er sei überzeugt, dass sie sich professionell zusammenraufen könne, nachdem das klare Ergebnis des Abends aufgezeigt habe, dass seine Politik mehrheitsfähig sei. «Ich bin überzeugt, dass die Fraktion das auch zur Kenntnis nimmt.»

Nach 23 Uhr kehrt langsam Ruhe in der Mehrzweckhalle ein, es ist Aufräumstimmung – diese dürfte die SVP Baselland noch einige Zeit begleiten. 

Kurzkommentar: Moderat ist nicht rechts genug

von Chefredaktorin Ina Bullwinkel

Nach seinem erzwungenen Abgang spielte Riebli erfolgreich die beleidigte Leberwurst, bekam medial viel Aufmerksamkeit. Warum plustert sich jemand so auf, der sich zurückziehen will, konnte man sich fragen. Spätestens gestern Abend ging Rieblis Strategie auf. Er hat sich zurückgekämpft. Was bedeutet nun seine Wahl zum Präsidenten? Zuerst einmal, dass sich der rechte Hardliner-Flügel der Baselbieter SVP durchsetzen konnte. Und dass es in der Parteibasis eine grosse Akzeptanz für diese Linie gibt.

Riebli half der umstrittenen Jungpolitikerin Sarah Regez bei der Lancierung der Genderverbot-Initiative und verpasste es in der Debatte um Regez' Nähe zu rechtsextremen Kreisen ganz bewusst, sich von ihr zu distanzieren. Und wieso sollte er auch – er war ihr politischer Ziehvater und weiss genau, für welchen Politikstil und für welche Positionen sie steht.

Riebli sagte am Parteitag: «Unsere Partei hat mit Extremismus absolut nichts am Hut.» Wie glaubwürdig ist diese Aussage in Anbetracht der fehlenden Distanzierung von Regez? Geschadet hat ihm die Debatte nicht, im Gegenteil. Riebli dürfte der Rausschmiss aus dem Fraktionspräsidium genutzt haben. Für viele war seine Absetzung schlechter Stil, Riebli konnte sich als Opfer inszenieren und Sympathien gewinnen.

Die Baselbieter SVP wird nun mit Vollgas den Kurs der Oppositionspartei fahren, während die bürgerlichen Parteien genau auf ihren liberalen Kompass schauen und sich überlegen müssen, wie sie sich zur – derzeit gespaltenen und weiter nach rechts gerückten – SVP positionieren wollen.

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