Alles unter einem Dach
Mit dem «Basel-baut-Zukunft»-Kompromiss im Rücken geht das Arealentwicklungs-Projekt «Dreispitz Nord» in die Planauflage.
Man kann den Medienanlass an diesem Freitag zum Bebauungsplan «Dreispitz Nord» nüchtern lesen: Die einmonatige öffentliche Planauflage beginnt jetzt. Damit auf dem heutigen, wenig charmanten Gelände zwischen Shopping-Bunker, Baumarkt und dem Parkplatz dazwischen ein neuer Stadtteil mit 800 neuen Wohnungen entstehen kann, müssen erstmal die Vorschriften geändert werden.
Aber es gibt auch eine politischere Lesart: An der Medienkonferenz zeigte sich recht gut, wie die Initiative «Basel baut Zukunft» die künftige Wohnbaupolitik in Basel geformt hat. Gerade mal eine Woche, nachdem der als Kompromiss titulierte Gegenvorschlag zur Initiative vorgestellt wurde, wird im Bau- und Verkehrsdepartement eine Arealentwicklung präsentiert, die sich brav an die in mühsamer Kommissionsarbeit beschlossenen Spielregeln hält: Von 800 neuen Wohnungen sollen 267 dauerhaft preisgünstig sein.
«Basel baut Zukunft» will die Rahmenbedingungen für die verbleibenden Arealentwicklungen in Basel setzen. Die Initiant*innen wollen, dass 50 Prozent der Bruttogeschossfläche, die durch die Umwandlung von Industriearealen wie Volta Nord und Klybeck+ in Basel entsteht, gemeinnütziger und preisgünstiger Wohnraum sein muss. Investor*innen sahen bei dieser Vorstellung rot: Sie brauchen Gewinnaussichten, wenn sie investieren wollen. Und Basel braucht die Investitionen, damit der dringend benötigte neue Wohnraum überhaupt entsteht.
Einen Kompromiss zu finden, ist eine Gratwanderung. Der Vorschlag der Regierung wurde von der Bau- und Raumplanungskommission (BRK) des Grossen Rats präzisiert. Die ⅓-Quote für günstigen Wohnraum und weitere Kompromisse könnten den Durchbruch darstellen. Die Initiant*innen zeigten die Bereitschaft, die Initiative zurückzuziehen, wenn mit diesem Vorschlag weitergearbeitet wird.
Für «Dreispitz Nord» sei von Anfang an ein Drittel preisgünstiger Wohnraum geplant gewesen, sagt zwar Beat von Wartburg an der Medienkonferenz. Der alt LDP-Grossrat ist Direktor der Christoph Merian Stiftung (CMS), einer grossen Playerin am Basler Wohnungsmarkt, die als Grundeigentümerin «Dreispitz Nord» entwickeln will. Doch ihm selbst ist die Erleichterung anzumerken, dass man den Kompromiss doch noch geschustert gekriegt hat. Er sagt: «Dreispitz Nord wäre unmöglich, wenn die Initiative angenommen würde.»
Dabei war es die CMS selbst, die den «Basel-baut-Zukunft»-Kompromiss fast gefährdet hätte: Es ging um eine Sonderregelung für die kleine Schwester von «Dreispitz Nord», das südlicher gelegene Areal «Dreispitz Mitte». Hier wollte die CMS partout nicht unter den Bedingungen von einem Drittel preisgünstigem Wohnraum entwickeln. Also wurde das Areal mit einer Sonderregelung von der Gemeinnützigkeits-Quote ausgeklammert: Erst ab 15'000 Quadratmetern soll die ⅓-Quote gelten.
Die CMS schätzt sich also glücklich, dass ihre Bedürfnisse so berücksichtigt wurden im politischen Areal-Poker. Entsprechend freudig stellte sie zur Planauflage das «Dreispitz-Nord»-Projekt vor, dass sie als Paradebeispiel einer Kompromiss-Lösung präsentiert. Die Kompromiss heisst in diesem Fall: Wir stapeln alle Bedürfnisse auf’s Dach.
Dörfs e bitzeli meh si?
Bei «Dreispitz Nord» wird der OBI in den heutigen M-Parc gequetscht, ein Parkhaus darauf gesetzt, und auf dem Dach entsteht ein öffentlicher, per Grünraum-Treppe erreichbarer Park samt Sekundarschulhaus für 600 Schüler*innen mit Sportanlagen, Turnhalle und Jugendzentrum. Wohnraum, Schulraum, Grünfläche, ohne Parkplatz-, Einkaufs- oder Arbeitsflächenverlust – bei «Dreispitz Nord» sollen wirklich keine Wünsche offen gelassen werden. Es wirkt, als hätten die Architekten bei Herzog und de Meuron das Prinzip der Verdichtung auf die Spitze getrieben.
Herzog und de Meuron lieben es, mit Hochhäusern ihre Handschrift auf Basels Skyline zu hinterlassen. Das ist auch auf dem Dreispitz nicht anders, deshalb sollen dort, wo jetzt der OBI steht, neben sieben Stadthäusern auch drei Chipsdosen-förmige Hochhäuser zwischen 124 und 150 Metern Höhe ihren Platz einnehmen. Ergänzt wird das Gelände durch einen weiteren Park: Da, wo heute der Parkplatz ist, soll die Margaretha Merian Anlage entstehen. Die heutige «Hitzeinsel» Dreispitz soll mit all dem Grünraum abkühlen.
Der Grünraum-Anteil stand zuletzt im medialen Fokus, als Anwohner*innen aus dem Gundeli forderten, es sollte noch mehr Grünfläche statt Wohnraum entstehen. Konfrontiert mit dieser Kritik, erklärte Projektleiter Marc Février am Medienanlass: «Es ist nicht die maximalmögliche Grünfläche, das stimmt. Aber wir haben versucht, einen Ausgleich zu finden zwischen den unterschiedlichen Bedürfnissen, die an eine solche Arealentwicklung bestehen.»
Das ist dann auch die Quintessenz von Kompromissen: 100 Prozent glücklich ist am Schluss niemand.