«Verleihen Sie meiner Stimme Geltung»
Riehen entscheidet am 3. März, ob auch 16-Jährige über Gemeinde-Angelegenheiten abstimmen dürfen. Wir haben zwei junge Menschen gefragt, was sie davon halten. Der 17-jährige Nils Gerber erklärt, wieso er gerne mitbestimmen möchte.
Liebe Leserinnen und Leser
Ich bin Nils Gerber, siebzehn Jahre alt und hier in Basel geboren. Ich besitze alleinig die schweizerische Staatsbürgerschaft und wohne schon mein ganzes Leben in Riehen. Meine obligatorische Schulzeit absolvierte ich in den öffentlichen Schulen von Riehen und Basel und derzeit besuche ich das Gymnasium Bäumlihof. In meiner Freizeit spiele ich Unihockey, bin aktiv in einer Basler Traditionsclique als Pfeiffer und engagiere mich im Jugendparlament Basel-Stadt.
Politik ist eine meiner grossen Leidenschaften. Ich investiere viel Zeit in Diskussionen mit Menschen unterschiedlicher politischer Überzeugungen, informiere mich über diverse politische Themen und bilde mir eine Meinung. Zudem nehme ich an Programmen teil, die das Ziel haben, Jugendliche für die politische Partizipation zu gewinnen (z.B. Jugendparlament). Ich motiviere mit Freude meine gleichaltrigen Mitmenschen sich für aktuelle Themen zu interessieren und sich damit auseinanderzusetzen.
In Riehen sollen bereits 16-Jährige über kommunale Dinge abstimmen können. Der Einwohnerrat sprach sich parteiübergreifend für das Anliegen aus. Weil aber die SVP das Referendum ergriff, entscheidet nun das Riehener Stimmvolk über eine mögliche Einführung.
Auch auf nationaler Ebene gibt es Bestrebungen, die in die gleiche Richtung zielen. So ist im Nationalrat ein Vorstoss der Basler Nationalrätin Sibel Arslan (Basta/Grüne) hängig, der 16- und 17-Jährigen das aktive Wahl- und Stimmrecht einräumen will.
All dies bereichert mein Leben mit vielen spannenden Erfahrungen. Jedoch muss ich am Ende des Tages mit Bedauern feststellen, dass all meine Aufwendungen keinen Einfluss auf das politische Mitgestalten in der Gegenwart und der Zukunft mit sich bringen, da mir das Stimm- und Wahlrecht bis zu meinem 18. Geburtstag verwehrt bleibt. Das einzige alternative Mittel, mit dem sich Minderjährige Gehör verschaffen können, sind meiner Meinung nach Demonstrationen (wie z.B. Klimademos). Aus meiner Sicht sind solche Aktionen bei politischen Debatten vielfach nicht zielführend.
Es stellt sich die Frage, welche Voraussetzungen eine stimmberechtigte Person auf kommunaler Ebene erfüllen muss, um ihrem Recht nachgehen zu dürfen. Aus rechtlicher Sicht muss eine abstimmende Person über den entsprechenden Wohnsitz verfügen, die schweizerische Staatsbürgerschaft besitzen und urteilsfähig sein. In der momentanen politischen Debatte dieses Themas geht es um die Frage der nötigen Reife der Urteilsfähigkeit für politische Entscheidungen. Meiner Meinung nach weisen die Jugendlichen ab 16 Jahren die nötige Kompetenz der Urteilsfähigkeit genauso auf, wie eine achtzehnjährige Person.
«Eine funktionierende Demokratie erfordert eine angemessene Vertretung der Bevölkerung.»Nils Gerber, 17
Das Fundament, um fundierte, politische Entscheidungen zu treffen können, ist Bildung. Als entsprechende Voraussetzung, um bei einer Abstimmung kompetent entscheiden können, sehe ich den Abschluss der obligatorischen Schulzeit, das Interesse an Politik und aktuellen Themenbereichen sowie das Beschaffen von differenzierten Informationen aus gesicherten Quellen. Nach der Sekundarstufe I beschreitet jede*r Jugendliche ihren*seinen individuellen Bildungsweg, jedoch können alle auf das während der obligatorischen Schulzeit vermittelte Wissen sowie Kompetenzen aller Art zurückgreifen. Insbesondere hier in Riehen können wir auf ein umfangreiches Schulangebot zählen, welches viele kompetente, junge, interessierte Menschen hervorbringt.
Eine funktionierende Demokratie erfordert eine angemessene Vertretung der Bevölkerung. In der Schweiz entspricht das Durchschnitts - und Medianalter der Wählenden und Gewählten nicht der Struktur der Bevölkerung. Wenn Sie sich für das Stimmrechtsalter 16 entscheiden, helfen Sie mit, einen grossen Schritt für mehr gesellschaftliche Balance zu machen.
Es gibt auch Jugendliche, die sich gegen ein Stimmrechtsalter 16 wehren. Die Argumente von Florian Guntrum liest du morgen bei bajour.ch.
Wenn Sie immer noch nicht überzeugt sind, möchte ich gerne auf das seit 2007 geltende Stimmrecht für 16-Jährige im Kanton Glarus aufmerksam machen, bei welchem seitdem viele positive Erfahrungen gemacht wurden. Das Gleiche gilt ebenso für unseren östlichen Nachbarn Österreich, wo sogar auf nationaler Ebene ein Stimmrechtsalter 16 besteht, dasselbe gilt für mehrere Staaten Lateinamerikas.
Da ich erst nach dem Sommer mein Stimm- und Wahlrecht erlangen werde, hoffe ich, dass Sie schon am 3. März 2024 mit Ihrer Stimme meiner Stimme und allen unter achtzehnjährigen Riehener Bürgerinnen und Bürgern Geltung verleihen! Ich danke Ihnen vielmals für Ihre Unterstützung und dafür, dass Sie meinen ersten Zeitungsartikel gelesen haben.
Nils Gerber, Riehen