«Wahlkampf im Klassenzimmer ist eine schlechte Idee»

Riehen entscheidet am 3. März, ob auch 16-Jährige über Gemeinde-Angelegenheiten abstimmen dürfen. Wir haben zwei junge Menschen gefragt, was sie davon halten. Der 19-jährige Florian Guntrum erklärt, weshalb er dagegen ist.

IMG_9682
Florian Guntrum,19 : «Die Gesellschaft ist klar der Meinung mit 16 soll man einige Entscheidungen nicht selbst treffen dürfen.»

Mein Name ist Florian Guntrum, ich bin 19 Jahre alt und ein Gymnasiast, wohnhaft in Riehen und seit rund einem Jahr bin ich Mitglied bei den Jungliberalen. Wenn ich mich nicht mit der Schule befasse, verbringe ich meine Freizeit auf dem Tennis- oder Fussballplatz und bin seit einiger Zeit begeisterter FCB-Fan.

Stimmrechtsalter 16

In Riehen sollen bereits 16-Jährige über kommunale Dinge abstimmen können. Der Einwohnerrat sprach sich parteiübergreifend für das Anliegen aus. Weil aber die SVP das Referendum ergriff, entscheidet nun das Riehener Stimmvolk über eine mögliche Einführung.

Auch auf nationaler Ebene gibt es Bestrebungen, die in die gleiche Richtung zielen. So ist im Nationalrat ein Vorstoss der Basler Nationalrätin Sibel Arslan (Basta/Grüne) hängig, der 16- und 17-Jährigen das aktive Wahl- und Stimmrecht einräumen will.

Mit 16 Jahren besuchen die meisten Jugendlichen noch eine Schule. Sie bezahlen keine Steuern, dürfen nicht Autofahren und einen Gin Tonic bestellen dürfen sie auch nicht, im Coop gibts nicht mal ein Bier. Seit neustem dürfen sie auch nicht mehr mit Werbung für Tabakprodukte konfrontiert werden.

Minderjährige werden strafrechtlich anders behandelt, dürfen nicht heiraten und gewisse Verträge können sie noch nicht gültig abschliessen. Die Gesellschaft ist also klar der Meinung mit 16 soll man einige Entscheidungen nicht selbst treffen dürfen, auch wenn sie ausschliesslich einem selbst betreffen. Auch die kritische Betrachtung einer Zigarettenwerbung traut man ihnen nicht mehr zu.

«Wer noch keine individuelle Verantwortung wahrnehmen kann oder darf, der sollte auch nicht für alle entscheiden können.»

von Florian Guntrum,19

Nun will man in Riehen das Stimmrechtsalter 16 einführen. Schlüssig ist das nicht. Die individuelle Verantwortung traut man den Jungen nicht zu, die kollektive aber schon? Über Millionen-Projekte abstimmen, bevor man Tabakwerbung sehen darf, das geht nicht auf. Es müsste eigentlich genau umgekehrt sein.

Es stellt sich zudem die Frage, ob wir wirklich wollen, dass Parteien sich noch stärker als heute schon auf Jugendliche in den Schulen konzentrieren und um Stimmen weibeln. In Schulen herrscht nicht selten ein Gruppendruck, auch politisch. Es ist wichtig die politische Bildung in den Schulen zu stärken, aber Wahlkampf im Klassenzimmer? Das halte ich für eine schlechte Idee.

Stimmrechtsalter 16 – Pro & Contra-1
Pro

Der 17-jährige Nils Gerber sieht das anders. Er weibelt für das Stimmrechtsalter 16. Hier erklärt er, weshalb er gerne mitbestimmen würde.

zum Artikel

Es ist für das politische Interesse vieler Jugendlichen sicher nicht förderlich, wenn sie an der Schule solchem Gruppendruck ausgesetzt sind. Auswertungen aus dem Kanton Glarus zeigen, dass das Interesse unter 16- und 17-Jährigen an lokaler Politik trotz Stimmrechtsalter 16 unterdurchschnittlich ist. Der erhoffte Effekt der stärkeren politischen Partizipation der Jungen ist also wohl eher Wunschdenken als Realität.

Die Einführung eines Stimmrechtsalter 16 wäre nicht der Untergang der Demokratie und es sind auch nicht wie manche meinen alle Jugendlichen links und ideologisch unterwegs. Trotzdem ist es abzulehnen, denn wer noch keine individuelle Verantwortung wahrnehmen kann oder darf, der sollte auch nicht für alle entscheiden können.

2023-06-23 Frage des Tages
Weitere Stimmen

... dafür und dawider findest du in userem Frage-des-Tages-Archiv.

zur Debatte

Basel Briefing

Das wichtigste für den Tag
Jetzt Abonnieren
Jetzt Member Werden

Das könnte dich auch interessieren

Vorher Nachher Dreispitz Nord Arealentwicklung

David Rutschmann am 26. April 2024

Alles unter einem Dach

Mit dem «Basel-baut-Zukunft»-Kompromiss im Rücken geht das Arealentwicklungs-Projekt «Dreispitz Nord» in die Planauflage.

Weiterlesen
Der neu als Kantonalpraesident gewaehlte Peter Riebli jubelt am Rednerpult an der Generalversammlung und am Parteitag der SVP Baselland in Aesch, am Donnerstag, 25. April 2024. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)

Michelle Isler am 26. April 2024

Alle für Riebli

Die Baselbieter SVP hat einen neuen Parteipräsidenten: Dem kürzlich geschassten Fraktionspräsidenten Peter Riebli gelang der Turnaround – er liess seinen moderaten Konkurrenten Johannes Sutter links liegen. Zwischen Schlagerhits und vielen geschüttelten Händen kam in Aesch Hoffnung für einen Neuanfang auf.

Weiterlesen
Dominik Straumann Pantheon Muttenz

David Rutschmann am 22. April 2024

«Eine Abspaltung wäre für beide Seiten sehr dumm»

Dominik Straumann gilt als moderater SVPler, den jetzt der extreme Regez-Flügel als Parteichef im Baselbiet zu Fall gebracht hat. Hat er die Hardliner*innen selbst zu lange geduldet? Ein Interview über chaotische Tage in der Kantonalpartei, den Weg aus der Krise und warum es bei der SVP kein Co-Präsidium geben wird.

Weiterlesen
Familie Geburtenrate

Ina Bullwinkel am 19. April 2024

Angst vor Kindern

So wenige Kinder wie jetzt sind noch nie in der Schweiz geboren. Es ist höchste Zeit, dass das Land familienfreundlicher wird, meint Chefredakteurin Ina Bullwinkel. Besonders attraktiv ist das Elternwerden nämlich nicht, und eine Gesellschaft, die sich nicht reproduziert, verarmt.

Weiterlesen

Kommentare