Ein Geschenk von der Stadt für die Stadt

Doch nicht ganz so verstaubt: Die Basler Stadtgeschichte endlich (mehr oder weniger) kompakt aufbereitet. In ihnen entfaltet sich nicht nur die Vergangenheit in einem noch nie dagewesenen Detailgrad, es werden auch aktuelle Fragen aufgeworfen.

Stadtgeschichte Basel
Tausende von Jahren Basler Stadtgeschichte werden in künftig neun Einzelbände und einem Überblicksband erzählt. (Bild: Departement Geschichte)

Basel musste sich lange gedulden, bis ihr eine ausführliche Stadtgeschichte zur Verfügung gestellt wurde. Für den Kanton Basel-Landschaft war bereits in den 1990er-Jahren eine umfassende Kantonsgeschichte erarbeitet worden, die 2001 – zum 500 Jahr-Jubiläum des Basler Beitritts zur Eidgenossenschaft – publiziert wurde. Jetzt aber ist es auch in der Stadt so weit: Soeben sind die vier ersten einer auf zehn Bände (neun Einzelbände und einen Überblicksband) ausgelegten Stadtgeschichte präsentiert worden. 

Die vergleichsweise späte Verwirklichung eines seit Langem bestehenden Desiderats hat den grossen Vorteil, dass die nun vorliegende Darstellung die inzwischen eingetretenen Entwicklungen berücksichtigen konnte – sowohl die jüngeren Jahre der Stadtgeschichte als auch ein aktualisiertes Geschichtsverständnis. 

Die nun vorliegende Darstellung hat den Vorteil, dass sie die inzwischen eingetretenen Entwicklungen berücksichtigen kann.

So können die Herausgeber*innen stolz feststellen, dass erstmals in der Schweiz für eine Kantonsgeschichte die dazugehörenden Forschungsdaten langfristig frei zugänglich seien, das heisst, dass neben der gedruckten und damit abgeschlossenen Ausgabe, eine Homepage zur Verfügung steht, die laufend mit zusätzlichen Angaben versehen wird.

Individuell und kollektiv

Die für die einzelnen Bände – und in ihnen – für die einzelnen Beiträge verantwortlichen Autor*innen werden namentlich ausgewiesen, dennoch ist die neue Stadtgeschichte auch ein Kollektivwerk, das sich die Stadt sozusagen selbst geschenkt hat. Das während Jahren erarbeitete Werk konnte sich auf eine breite Trägerschaft abstützen. 

Die Initialzündung ging von einem 2011 speziell zur Lancierung dieses Projekts gegründeten Vereins und von ähnlich ausgerichteten Vorstössen im Grossen Rat aus. Es dauerte aber bis 2016, bis der Grosse Rat insgesamt 4,4 Millionen bewilligte, aus dem Swisslos-Fonds kamen 1,6 Millionen hinzu, der Verein sammelte 3,3 Millionen Franken, von der Christoph Merian Stiftung (CMS), von der Privatwirtschaft und von einzelnen Privatpersonen.

Ansicht der Stadt Basel in der ersten Haelfte des 17. Jahrhunderts ab einem Kupferstich von Matthaeus Merian dem Aelteren (1592-1650). (KEYSTONE/PHOTOPRESS-Archiv/Str)
Basel im 17. Jahrhundert: Dieser Zeitraum der Basler Stadtgeschichte wird in Band vier ausführlich behandelt. (Bild: Keystone)

Es war naheliegend, das Departement Geschichte der Universität Basel mit der Realisierung und der wichtigen inhaltlichen Koordination zu betrauen. Involviert waren aber auch zahlreiche «Gedächtnisinstitutionen» des Kantons: die Denkmalpflege, die Archäologische Bodenforschung, das Grundbuch- und Vermessungsamt, Museen, Archive, Bibliotheken. Insgesamt waren über 50 Forschende und weitere Mitwirkende aus der ganzen Schweiz und der internationalen Nachbarschaft an der Erarbeitung beteiligt. Jeder einzelne Band und das ganze Oeuvre eine eindrückliche Kombination von intellektueller und organisatorischer Leistung.

Ein strukturiertes Ensemble

In acht chronologisch angelegten Einzelbänden wird die lange Stadtgeschichte von den ersten Spuren menschlichen Lebens in prähistorischer Zeit bis in die Anfänge des 21. Jahrhunderts dokumentiert, erzählt und illustriert. Der neunte Band setzt sich mit dem sozialen, das heisst gesellschaftlich Genutzten und durch diese Nutzung strukturierten städtischen Raum auseinander. Und der zehnte, für den Herbst 2025 vorgesehene Band wird mit einer Gesamtdarstellung einen Überblick über die gesamte Entwicklung geben. Das wird wohl der am häufigsten gelesene Band werden. 

Das Werk wird von einer gemeinsamen, durch das gegenwärtige Wissenschaftsverständnis geprägten Auffassung getragen. Die thematischen Schwerpunkte und Strukturen der einzelnen Bände sind aber, abgestimmt auf die Eigenheiten der jeweiligen Zeiträume, autonom gesetzt worden. Die in den Bänden berücksichtigten Zeiträume werden immer kürzer. Dies darum, weil der Gang der Geschichte im Laufe der Zeit einen beschleunigten Wandel erfährt und weil pro Epoche mehr und mehr überliefert wird und es entsprechend mehr zu beachten und berichten gibt. 

In Band 2 sind es noch gut 450 Jahre, in Band 5 bleiben noch 100 Jahre und in Band 8 etwas über 40 Jahre.

Jetzt erschienen

  • Band 1: Auf dem langen Weg zur Stadt, 50'000 v. Chr.-800 n. Chr.
  • Band 2: Eine Bischofsstadt zwischen Oberrhein und Jura, 800-1273
  • Band 3: Stadt in Verhandlung, 1250-1530
  • Band 4: Aufbrüche, Krisen, Transformationen, 1510-1790

Erscheinen im Oktober 2024

  • Band 5: Hinter der Mauer, vor der Moderne, 1760-1859
  • Band 6: Die beschleunigte Stadt, 1856-1914
  • Band 7: Stadt an der Grenze einer Zeit der Gefährdung, 1912-1966

Erscheint im März 2025

  • Band 8: Auf dem Weg ins Jetzt, seit 1960
  • Band 9: Stadträume. Offen und begrenzt, gestaltet und umkämpft

In vielfacher Weise neu

Die insgesamt zehn Bände werden zusammen 3'300 Seiten umfassen und eine Gesamtdarstellung in einem bisher nicht zur Verfügung stehenden Detaillierungsgrad vermitteln. Wichtiger als die Quantität ist die Qualität dieser in mehrfacher Hinsicht neuen Geschichte: Selbstverständlich werden neue Forschungsergebnisse vermittelt und diese in neuen Textformen präsentiert. Ebenso selbstverständlich sind die zahlreichen bereits vorliegenden Vorarbeiten ausgewertet. 

Aber es werden, ausgehend von aktuellen Interessen auch neue Fragestellungen angegangen: etwa die Frage nach dem Verhältnis «Mensch und Nicht Mensch», welche die prägende Koexistenz von Menschen und Tieren in den Blick nimmt; oder die Frage nach «Verflechtung und Multilokalität», die sich für die Bezüge regionaler, überregionaler, internationaler und globaler Art interessiert. Sicher führt das Erleben der Gegenwart auch zu einer vermehrten Beachtung zunehmender Mobilität und Migration. 

Wichtiger als die Quantität ist die Qualität dieser in mehrfacher Hinsicht neuen Geschichte.

Die neue Basler Geschichte ist ein inspirierender Ausgangspunkt sowohl für die weitere wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem reichhaltigen Fundus dieser Vergangenheit. Ihr Hauptzweck besteht aber darin, dass sie einem breiteren Publikum Gelegenheit gibt, am Beispiel der eigenen Stadt eine zeitgemässe Vorstellung vergangener Zeiten zu erwerben, was bekanntlich auch einem besseren Verständnis der Gegenwart zugutekommt. Der Band zur jüngsten Zeit führt, wie sein Titel ankündigt, ins «Jetzt». Dieses Jetzt wird sich sicher weiterentwickeln, und da wird eine gewisse Vertrautheit mit dem historischen Wandel von Nutzen sein.

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Stadtgeschichte Basel. Christoph Merian Verlag 2024/25, Preis pro Einzelband CHF 39.- Gesamtausgabe CHF 261.- statt CHF 351.- 

Öffentliche Vernissage für die ersten vier Bände:

Montag, 11. März 2024, 18.30 Uhr, im Historisches Museum Basel, Barfüsserkirche, Barfüsserplatz 7, Basel

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Georg Kreis ist Historiker und emeritierter Professor für Neuere Allgemeine Geschichte und Geschichte der Schweiz an der Universität Basel. Bis Mitte 2011 leitete er das Europainstitut Basel und bis Ende 2011 präsidierte er die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR).

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