Weniger ist mehr

Basel ohne Tauben kann man sich kaum vorstellen. Aber ein bisschen weniger dürften es schon sein. Das fordert jetzt eine Initiative, die heute eingereicht wird. Die Stadttauben-Population soll um die Hälfte reduziert werden.

Taube
Die über 3000 gesammelten Unterschriften werden heute Mittag eingereicht.

Heute wird die Taubeninitiative eingereicht. Die Volksinitiative will die städtische Taubenpopulation langfristig reduzieren. Wenn du dabei an Szenen wie im Wilden Westen denkst, liegst du falsch. Ziel der Initiant*innen ist nicht Gewalt. Ganz im Gegenteil: Die Tiere sollen in Taubenschlägen untergebracht werden. Das würde eine artgerechte Fütterung und das Austauschen von Eiern der Vögel gegen künstliche möglich machen.

Genauer erklären kann das Christoph Uebersax. Er ist Taubenzüchter, Vize-Präsident des Klubs für Schweizertauben und Befürworter der Initiative. «In vielen anderen Städten hat sich das Konzept der betreuten Stadttaubenhaltung bewährt. Dabei werden die Tauben an festen Standorten gefüttert und ihnen werden Ruheplätze zur Verfügung gestellt.» So lasse sich die Population kontrollieren. Die Taubeneier würden dabei beispielsweise durch Gipseier ersetzt – «und auch dem Vorbeugen von Krankheiten kann entgegengewirkt werden», erklärt Uebersax.

Das will das Initiativ-Komitee

Die Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, die städtische Taubenpopulation langfristig auf 3000-4000 zu reduzieren, das wäre geschätzt die Hälfte der derzeitigen Population. Erreicht werden soll das durch örtliche Taubenschläge, in denen man die Eier der Vögel ersetzt. Dabei sollen keine Tauben zu schaden kommen, sondern verletzte Vögel von Tierärzt*innen behandelt und eine Fachstelle geschaffen werden. Am Fütterungsverbot ausserhalb der Taubenschläge soll festgehalten werden.

Ins Leben gerufen hat die Initiative Renée Winkler. Sie findet die momentane Situation nicht länger tragbar: «Die Bevölkerung ist sehr gestresst, was die Tauben betrifft. Sie nisten auf ihren Balkonen und an ihren Hausfassaden. Die Betroffenen erhalten von der Stadt Basel keine Unterstützung. Sie sind genervt vom Taubenkot und haben zudem Angst, dass Krankheiten übertragen werden könnten», sagt Winkler.

Die Angst vor Zoonosen (vom Tier auf den Menschen übertragbare Krankheiten) ist aber im Falle der Tauben grösstenteils unbegründet. Das bestätigt Nina Wolfrum von der Universität Zürich. Sie sagt: «Meiner Meinung nach ist das Risiko einer von Stadttauben ausgehenden Zoonose in der Tat nicht sehr hoch. Dies bezieht sich allerdings nur auf den ‹normalen› Kontakt mit den Tauben. Bei engem Kontakt, wie ihn zum Beispiel Taubenwärter*innen bei der Betreuung der Taubenschläge haben, sind gezielte Sicherheitsmassnahmen (Mundschutz, Handschuhe, etc.) dringend empfohlen.»

Das Initiativ-Komitee ist nicht zufrieden mit den bisherigen Versuchen, die Taubenpopulation zu regulieren. Es brauche «ein neues, zeitgemässes Stadttaubenkonzept», heisst es auf der Website des Initiativ-Komitees. Initiantin Renée Winkler sagt: «Nach dem tragisch gescheiterten Taubenkonzept in Basel und den vielen Gesprächen mit Betroffenen bin ich letztendlich zu der Überzeugung gekommen, dass wir als Bevölkerung handeln müssen.»

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Tauben sind für viele Städter*innen eine Plage.

Sie sieht keine andere Lösung fürs Problem. «Wir dürfen nicht ausser Acht lassen, dass den Strassentauben über viele Jahrhunderte ein Brutzwang angezüchtet wurde. Dies zwingt die Stadttauben, bis zu achtmal im Jahr zu brüten.» Normalerweise brüte eine Taube ein- bis zweimal im Jahr, erklärt sie. «Man kann einfach hochrechnen, wie rasant die Vermehrung stattfindet.» In den Taubenschlägen erhielten die Vögel artgerechtes Futter und Wasser, «denn sie benötigen einen Anreiz, um freiwillig in die Taubenschläge zu kommen», sagt Winkler. «Wenn sie sich in diesen Schlägen wohl fühlen und ihn als einen sicheren Nistplatz annehmen, verweilen die Tauben auch die meiste Zeit dort», ist sie überzeugt.

Winkler ist mit ihrem Anliegen nicht alleine. «Glücklicherweise habe ich gleichgesinnte Menschen gefunden, die sich dankenswerterweise als Komiteemitglieder für die gemeinsame Sache engagieren, um eine Veränderung herbeizurufen.» Das Komitee hofft nun auf eine zeitnahe Abstimmung.

Heidi Mück
«Die Tauben sind vielleicht weniger das Problem, als unser Umgang mit ihnen.»

– Heidi Mück, Grossrätin Basta

Basta-Grossrätin Heidi Mück gehört zu den Befürworter*innen der Initiative. Sie sagt, das Problem seien weniger die Tauben, sondern unser Umgang mit ihnen. «Bei mir im Quartier, aber auch in anderen Stadtteilen sehe ich zunehmend ganze Häuserfronten inkl. Balkons, die mit Vogelnetzen zugehängt wurden, oder Fenstersimse mit Metallstacheln. Das ist kein schöner Anblick von aussen und ich stelle mir vor, dass es auch für die Bewohner*innen dieser Häuser nicht so toll ist.»

Roger Stalder SVP-Grossrat
«Das Anliegen ist so breit abgestützt, weil es uns alle täglich betrifft.»

– Roger Stalder, Grossrat SVP

Die Tauben finden nicht auf politisch linker sondern auch auf rechter Seite Anklang. SVP-Grossrat Roger Stalder unterstützt die Taubeninitiative, «weil durch das Nichtstun die Anzahl der Tauben sehr angestiegen ist». Er glaubt, dass die Taubenschläge dies auf ein vernünftiges Mass reduzieren können. «Das Anliegen ist so breit abgestützt, weil es uns alle täglich betrifft. Seien es Liegenschaftsbesitzer, für die es eine Plage ist, oder Bürger, die sich am Taubenkot stören», sagt Stalder.

Auf die Frage, ob es keine drängenderen Probleme gibt, stellt Heidi Mück eine Gegenfrage: «Ist das ein Grund, die Initiative nicht zu unterstützen?» und Ratskollege Roger Stalder meint: «Klar kann man sagen, dass es auch noch andere wichtige Anliegen gibt. Aber auch dies ist ein Problem aus der Bevölkerung und darum gilt es auch, solche Dinge ernst zu nehmen als Politiker.»

«Alle wollen eine nachhaltige Lösung des Problems.»

von Renée Winkler, Initiantin

Die Befürworter*innen glauben, die Chancen der Taubeninitiative stehen gut. «In den vergangenen Monaten waren wir jedes Wochenende auf der Strasse», sagt Renée Winkler. «Wir haben viele intensive Gespräche führen können, bei denen auch viele von der Problematik direkt Betroffene darunter waren. Alle wollen eine nachhaltige Lösung des Problems.» Heidi Mück hofft, dass das Anliegen vom Regierungsrat aufgenommen und rasch umgesetzt wird, so dass die Initiative obsolet wäre. «Die Hoffnung stirbt zuletzt», meint sie mit einem Zwinkern. Und Roger Stalder glaubt an ein Ja seitens der Bevölkerung. «Da es uns alle betrifft in irgendeiner Form.»

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