Sarah Regez’ Draht zu Staatsverweigerer*innen

Die Baselbieter SVP-Politikerin Sarah Regez steht wegen eines Treffens mit einer rechtsextremen Gruppierung in der Kritik. Recherchen von Bajour zeigen, dass Regez’ Besuch des Treffens nicht ihr einziger Draht zu extremistischen Kreisen ist.

Wahlplakate fuer Florence Brenzikofer (Gruene), links, und Sarah Regez (SVP), rechts, haengen in Liestal, am Dienstag, 12. September 2023. Am 22. Oktober 2023 finden die Schweizer Parlamentswahlen statt. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)
Sarah Regez hat im vergangenen Jahr für den Nationalrat kandidiert. (Bild: © KEYSTONE / GEORGIOS KEFALAS)

Sarah Regez bekommt derzeit mehr Aufmerksamkeit als ihr lieb sein dürfte. Die ihr vorgeworfenen Verbindungen zur rechtsextremen Szene haben eine Stosswelle in der Schweizer Politlandschaft losgetreten sowie eine Debatte darüber, ob die SVP sich stärker nach rechts abgrenzen müsse. Der Grund: Regez, SVP-Politikerin aus Baselland, war letztes Jahr im Mai bei einem Treffen von bekannten Rechtsextremen, das bestätigte sie in einem Interview.

Zur Autorin

* Lotta Maier ist ein Pseudonym. Ihren bürgerlichen Namen gibt die Autorin aus Sicherheitsgründen nicht preis. Lotta recherchiert seit Jahren zu den Themen Rechtsextremismus, Esoterik und Staatsverweigerung.

Während sechs kantonale Sektionen der Jungen SVP (darunter die JSVP Basel-Stadt) eine Sistierung von Regez’ Amt fordern und sich klar von extremistischen Inhalten distanzieren, geht Regez, erste Nachrückerin für den Nationalrat, nicht auf Abstand zur rechtsextremen Jungen Tat. Es sei ihre Aufgabe als Strategiechefin der Jungen SVP, verschiedene Meinungen zu hören. Ausserdem verortet sie das Treffen als eines von vielen politischen Veranstaltungen, die sie in jener Zeit, als sie aktiv im Anti-Corona-Massnahmenprotest war, besucht hat. 

Recherchen von Bajour zeigen, dass Regez’ Besuch des Treffens nicht ihr einziger Draht zu extremistischen Kreisen ist. Ihr Draht führt auch zur unbewilligten Belagerung der KESB Gelterkinden-Sissach, also in den Teil des Baselbiets, in dem die Dreissigjährige zu Hause ist.

Mahnwache
Impfgegner*innen und andere campierten über Wochen vor der KESB in Sissach. (Bild: Telegram)

Staatsverweigerer*innen, Impfgegner*innen und Rechtsextreme

Im vergangenen Herbst kamen vor der Behörde immer wieder Menschen zusammen, weil sie gegen den Bundesgerichtsbeschluss protestierten, dass zwei Kinder gegen den Willen der Mutter gegen Masern geimpft werden sollten. Die KESB in Sissach sollte diesen Entscheid umsetzen. Vierzig Tage und Nächte wurde die Behörde belagert, im Vorgarten biwakiert, Würstchen grilliert und Gebetsrunden veranstaltet. Als Folge wurde die KESB durch zusätzliches Sicherheitspersonal geschützt. Die Kosten wurden auf rund 60’000 Franken zulasten der Steuerzahler*innen geschätzt.

Im Spätsommer des letzten Jahres kam es zu einer grösseren Demo, bei der sich vor der KESB eine Gruppe von etwa 150 Menschen versammelte, eine Mischung aus bekannten Staatsverweigerer*innen, Impfgegner*innen und Rechtsextremen. Bei einer weiteren Demo im September war auch Regez zugegen. 

Initiiert wurden die sogenannten Mahnwachen auch über einen Kanal des Messenger-Dienstes Telegram. Der Kanal heisst «Staatskinder & Staatsimpfung», hat mehr als 4000 Follower*innen und wurde vom «Verein PIU» mit Sitz in Bellinzona ins Leben gerufen. Eine der Administrator*innen dieses Kanals ist Sarah Regez.

Screenshot Regez Telegram Admin
Im Telegram-Kanal «Staatskinder & Staatsimpfung» ist «Sarah_Regez 💚» als Admin gelistet. (Bild: Screenshot/Bajour)

Regez setzt sich als Jungpolitikerin und ausgebildete Primarlehrerin für Familienpolitik und Bildung ein. Die Politik- und Jura-Studentin wird mitunter als «Shootingstar» der SVP bezeichnet und erntete viel Aufmerksamkeit mit grenzwertigen Kampagnen. Als Präsidentin der sogenannten Kinderschutzinitiative will sie etwa gegenderte Sprache in Schulen und Kindergärten bekämpfen. Die Symbolik der Kampagne wurde von einem Antisemitismus-Experten als antisemitisch eingestuft, Regez widerspricht dieser Einordnung.

In einem anderen Telegram-Chat zu den Mahnwachen in Sissach ist eine Nachricht von der Userin «Sarah_Regez 💚» zu lesen. Wenige Tage vor den Nationalratswahlen im vergangenen Oktober, bei denen Regez als Kandidatin auf der Liste der Baselbieter SVP stand, heisst es darin in Bezug auf den Beschluss des Bundesgerichts, den die KESB Sissach umsetzen sollte:

«Dem Gemeinderat ist es EGAL, was mit den beiden zu impfenden Kindern passiert.» Weiter führt sie aus: «Nun kommt ihr ins Spiel, liebe Mahnwächtler. Wir MÜSSEN DAFÜR SORGEN (und das macht ihr btw. formidabel), dass sich diese ‹Gewählten› mit der Situation auseinandersetzen MÜSSEN.»* Dies schrieb sie offenbar nach einer Gemeinderatssitzung, in der die verfügte Impfung Thema war. 

Warum beteiligt sich eine Politikerin, die theoretisch bald im nationalen Parlament sitzen könnte, am Protest gegen die KESB, einer staatlichen Behörde? Warum ist sie Admin des Chats? Was möchte sie damit erreichen? Sarah Regez liess Bajours Fragen dazu unbeantwortet. Auch schwieg sie darüber, was ihr Verhältnis zum Verein PIU ist, der den Telegram-Kanal gründete. 

Verein PIU

PIU ist ein Verein, der sich in seinem Verständnis für Kinderrechte, Kinderschutz und Homeschooling stark macht. Der Verein ist der Überzeugung, dass in der Schweiz Kinder unter «Sklaverei» und «Leibeigenschaft» stehen und Schule und Impfungen für diese eine Gefahr darstellen. Während der Pandemie bezeichnete er in einer selbst formulierten «Kinderrechtskonvention Lugano» Impfungen als Völkermord und setzen diese in dem genannten Telegramkanal mit dem Holocaust gleich. Der Verein setzt sich für Homeschooling ein. Sie betreiben mehrere Kanäle auf Telegram zu diesem Thema und empfehlen, verschiedene Verschwörungstheorien in den wissenschaftlichen Lehrplan einzubauen, darunter die Lehre über Chemtrails und Regen auf Knopfdruck. Diese Mär beinhaltet, dass das Wetter von Eliten gelenkt würde – eine antisemitische Verschwörungstheorie, da hinter den Eliten Juden und Jüdinnen vermutet werden. Ausserdem werden Empfehlungen für Unterrichtsinhalte von YouTube-Beiträgen gegeben, darunter KenFM, einer der grössten antisemitischen Verschwörungskanäle.

Der Verein, der sich nach eigener Definition für Kinderschutz einsetzt, bietet auch Familienunterstützung an. In der Praxis bedeutet das, dass Marek Schäfer, Mediensprecher und Familienmediator des Vereins, Familien beim Kampf gegen die KESB unterstützt. So auch die Familie aus dem Raum Sissach, die wegen der Masernimpfung stritt. Eine Anfrage von Bajour zu den Hintergründen der Mahnwache beantwortete Schäfer nicht. 

Im bereits erwähnten Telegram-Kanal des Vereins, in dem auch Sarah Regez aktiv ist, werden zahlreiche Schreiben an die KESB und Behörden geteilt. In anderen Telegram-Kanälen, die mit diesem eng verwoben sind, wurden lange Excel-Tabellen mit den Namen von Angestellten der zuständigen Behörden (wie der KESB) geteilt und auch Name und Adresse des Arztes, der die Kinder impfen sollte. Diese Daten liegen Bajour vor. Warum werden die Kontaktdaten verbreitet? Die Angestellten und der Arzt sollten offenbar eingeschüchtert und verunsichert werden – eine typische Taktik in diesen extremistischen Kreisen. 

In den Fokus der Telegram-Gruppen rückte auch ein Rentner, der sich in einem Zeitungsbeitrag kritisch zur Mahnwache äusserte. Es dauerte nicht lange und seine privaten Daten wurden in den verschiedenen Telegram-Kanälen geteilt: sein Name mit dem Titel «KESB Fan» und eine Telefonnummer. Der Mann wurde daraufhin telefonisch belästigt. Der zuständige Arzt bekam Post des Vereins PIU, ihm wird darin mit Strafanzeige gedroht, sollte er die Kinder impfen. Als Arzt habe er die Pflicht, sich zu informieren, heisst es im Schreiben. Ausserdem wurde ihm eine DVD zugesendet mit angeblichen Beweisen dafür, dass die Impfung krebserregend sei.

Juso ruft zur Demo auf

Wer ist Teil dieses Telegram-Kanals, der dazu beiträgt, dass Menschen belästigt und personenbezogene Daten geteilt werden?

Die Unterlagen, die Bajour vorliegen, zeigen: Im Oktober versendet Chat-Administratorin Sarah Regez rund 60 Einladungen, dem Kanal beizutreten. Dies ist im Chat sichtbar, die Belege liegen Bajour vor. Die Einladungen gingen an Mitglieder, die der rechtsextremen Szene zugeordnet werden können, sowie Mitglieder der Führungsspitze der Corona-Massnahmen-Proteste. Unter denen, die die Einladung angenommen haben, ist Wilhelm Wyss. Er war Vorstandsmitglied der SVP Münchenstein/Arlesheim und begrüsst wiederholt die völkerrechtswidrige Annexion ukrainischer Gebiete durch Russland sowie Putins Politik. Wyss trat aus der SVP aus, nachdem ihm mit einem Parteiausschluss gedroht worden war. Unter den Hinzugefügten war aber zum Beispiel auch ein Mitglied aus dem harten Kern der Mahnwache: Albert Knobel, welcher vor der Kesb campierte.

Kurz nachdem wir Sarah Regez und den Verein PIU mit den Ergebnissen unserer Recherche konfrontiert hatten, wurden etwa zehn Personen aus dem Chat entfernt. 

Derweil hält die Kritik an Regez an. Sie muss sich laut Primenews der Baselbieter SVP-Leitung zu einer «Anhörung» stellen. Ausserdem ruft die Baselbieter Juso für kommenden Samstag zu einer Demo gegen Rechtsextremismus auf. Die Jungpartei kritisiert die Verbindungen der Jungen SVP zu Rechtsextremen und bezieht sich auch auf die JSVP-Strategiechefin: «Die direkten Verbindungen von Regez zu rechtsextremen Kreisen sind eine Gefahr für unsere Demokratie.»

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*Korrektur, 11.4.2024, 13 Uhr: In einer früheren Version stand im Zitat das Wort «grossartig» statt «formidabel», wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

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