Eine Stadt zum Reinbeissen: Basel soll über sich hinauswachsen

Eine Initiative will Flachdächer, Garagen und Hinterhöfe in Gemüsebeete verwandeln. Die Ernte geht zurück in die Quartiere. Ein Projekt mit Pioniercharakter.

urban gardening
Hinterhöfe, Dachterrassen, private Gärten: Potenzielle Grünflachen, um Basel klimafreundlicher zu machen. (Bild: Unsplash/Jon Tyson)

In Basel soll ein neues Projekt entstehen mit dem Ziel, die Klimaerhitzung zu verlangsamen. Die Idee ist einfach: Hinterhöfe, Dachterrassen, private Gärten, kurz, ungenutzte oder bislang vor allem dekorativ genutzte Stadtflächen sollen von Stadtbewohner*innen für den Anbau von Gemüse oder Früchten genutzt werden. Partizipative Landwirtschaft vor der Haustüre, sozusagen. Die Produkte dieser Landwirtschaft sollen dann als Gemüse-Abonnement unter die Leute gelangen. 

In ihren Einzelteilen ist das keine neue Idee. Gemüseabonnements sind bereits heute ein bekanntes wie beliebtes Konzept und werden beispielsweise vom Birsmattenhof in Therwil oder anderen Anbietern geliefert. Stadtfläche wird ebenfalls heute schon nutzbar gehalten. Im Gemeinschaftsgarten Landhof im Wettsteinquartier, zum Beispiel, treffen sich regelmässig Leute, um gemeinsam zu gärtnern. Schrebergärten wiederum sind seit dem 19. Jahrhundert Oasen des Kleinbürgertums. Stadtgärten sind also beileibe kein Novum.

Was bislang in Basel noch niemand getan hat: Das Bedürfnis für nachhaltigen Konsum direkt mit dem Erhalt von Grünflächen zu verknüpfen. Plankton will das jetzt ändern und zwar nach den Grundsätzen solidarischer Landwirtschaft. Plankton, wie die winzigen Organismen der Meere. So nennt sich die Gruppe von zirka zehn Personen, darunter Agrarwissenschaftler*innen, Permakulturgärtner*Innen, Kulturvermittler*innen, die zurzeit mit einem Crowdfunding um zusätzliche Unterstützung für die Umsetzung ihrer Pläne weibelt.

Willkommene Grasswurzel-Initiative

Sie trifft damit natürlich einen Nerv, der vor allem unter jungen, linken, urbanen Menschen nahe an der diskursiven Aorta der Klimabewegung verläuft. Heisst: Während die Schweiz, Europa, die Welt zuverlässig an sämtlichen Zielen zur Reduktion der CO2-Emissionen vorbeirasselt, steigt der Wunsch in der genannten Bevölkerungsgruppe, etwas zu tun, um dem systematischen Versagen individuell etwas entgegenzustellen. 

Einer der prägenden Slogans der Klimabewegung lautet: «Think global, act local». Plankton trägt diese Losung in die Quartiere – und hat damit erstmal alle Player auf seiner Seite. «Wir sind im Kontakt mit der Stadtgärtnerei», sagt Livia Matthäus vom Projekt Plankton. Und das Amt für Umwelt und Energie (AUE) unterstützt Plankton mit einer Starthilfe von 15'000 Franken.

Das Projekt passt gut zum «Milan Urban Food Policy Pact», den Basel-Stadt am 15. Oktober 2015 in Mailand unterzeichnet hat, und mit dem daraus resultierenden Massnahmenpaket «Nachhaltige Ernährung», erklärt Matthias Nabholz, Leiter Amt für Umwelt und Energie. 

«Das Bewirtschaften von Grünflächen auf Dächern kann im Kleinen ebenfalls einen Beitrag an ein besseres Stadtklima leisten», so Nabholz. Der Kampf gegen den Klimawandel könne nur dann klappen, «wenn alle Gesellschaftsbereiche ihren Beitrag leisten, Private, Wirtschaft, Politik und Verwaltung», schreibt der Leiter des AUE weiter. 

Matthäus sagt, noch stecke das Projekt in den Kinderschuhen. Aber es gebe bereits viele Interessent*innen, darunter grössere Basler Firmen («noch nicht spruchreif», sagt Matthäus), aber auch Private, die ganze Flachdächer von Lagerhallen oder ihre Blumengärten für eine landwirtschaftliche Nutzung zur Verfügung stellen würden. Matthäus sagt: «Mit diesem Projekt könnte Basel einen interessantes Vorbild werden für andere Städte, ebenfalls neu über die Nutzung von Boden nachzudenken». 

Radieschen als Hoffnungsträger

Belastbare Zahlen zur Wirkung Urbaner Landwirtschaft auf das Klima gebe es bislang noch nicht, sagt Matthäus. Zwar gebe es Indizien aus Vorläuferprojekten anderer Städte. In der Schweiz fehlten ähnliche Projekte bislang. Plankton sieht sich darum als Forschungsprojekt mit Pioniercharakter.

Ähnliche Initiativen wie die «Brookling Grange» in New York, bei dem Dachterrassen landwirtschaftlich genutzt werden, zeigten aber, dass zwischen Radieschen und Blumenkohl nicht nur frische Luft, sondern auch soziale Prozesse in Gang gesetzt würden. Darauf hofft Plankton ebenso. Dass Menschen in den Basler Quartieren zusammenarbeiten, die sich vorher nicht kannten.

Plankton hat sich zum Ziel gesetzt, mindestens 100 Gemüsekorb-Abonnent*innen aus den Stadtgärten beliefern zu können. Der Korb soll einen Fixpreis haben, aber finanziell wenig privilegierte Haushalte nicht ausschliessen. Ein Ausgleichskonto könnte das möglich machen. 

Damit die übrigen Lieferanten von Gemüsekörben, der Birsmattenhof, der Eulenhof, die Nuglargärten, nicht vor den Kopf gestossen wurden, hat das Team Plankton die Höfe früh informiert. Die Nachfrage sei ohnehin gross genug, das Angebot zu klein, sagt Matthäus. «Während Corona sagte uns einer der Höfe, sie hätten viele Haushalte auf der Warteliste für ein Gemüse-Abo».

Das Crowdfunding läuft noch 25 Tage, der Impact Fund 2021 unterstützt das Projekt bei Zustandekommen des Zielbetrags mit weiteren 25’000 Franken. Dann beginnt die Umsetzung. «Ziel ist, dass zu Beginn der kommenden Gartensaison die ersten Gärten beackert werden», sagt Matthäus. Ein Fixpunkt ist bereits klar: Das Dach der Oetlinger Buvette soll ab kommendem Frühling mit einem Kräutergarten begrünt werden. 

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Vermisst in Basel: Unfertigkeit. Alles muss hier immer sofort eingezäunt und befriedet und geputzt werden. Das nervt. Basel hat in vielem eine Fallschirmkultur aus der Hölle. Absichern bis der Gurt spannt. Ich bin schon oft aus Versehen eingeschlafen.

Interessensbindung: Vereinsmitglied beim SC Rauchlachs.

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