Das Gesundheitswesen ist krank
Die heutigen Probleme wie der Pflegenotstand, die Unter- und teilweise Überversorgung sind hausgemacht. Doch es gibt Lösungen, ist SP-Nationalrätin Sarah Wyss überzeugt. Ihr Ziel: Eine Gesundheitsversorgung für alle.
84 Milliarden Franken betragen die Ausgaben im Gesundheitswesen. Damit ist die Gesundheit der grösste Wirtschaftszweig. Doch Gesundheit selbst ist nur wenig lukrativ, Geld verdient wird mit der Krankheit. Die heutigen Probleme wie der Pflegenotstand, die Unter- und teilweise Überversorgung sind hausgemacht.
Die gute Nachricht: Es gibt Lösungen, und genau an diesen arbeite ich seit Jahren politisch. Es sind einzelne Puzzleteile, welche im Gesamtbild eine Gesundheitsversorgung für alle ergeben.
Was haben unsere Vertreter*innen in Bern zu sagen? Im Wahljahr überlassen wir regelmässig unseren nationalen Politiker*innen den Platz. Heute Sarah Wyss. Sie ist SP-Nationalrätin und Präsidentin von Garanto, der Gewerkschaft des Zollpersonals. In Bundesbern setzt Wyss sich für Veränderungen im Gesundheitswesen ein, beispielsweise für die Umsetzung der Pflegeinitiative. Sie wohnt in Basel und arbeitet als Leiterin der ärztlichen Direktion der universitären psychiatrischen Dienste Bern.
Fachkräftemangel
Während Corona wurde uns bewusst, wie wichtig die Gesundheitsfachpersonen fürs System sind. Es wurde viel geklatscht. Mein Vorstoss für Corona-Prämien zur Anerkennung dieser Leistung wurde schlussendlich vom Basler Grossen Rat verwehrt. Das war unsäglich. Eine Ohrfeige.
Gerade in der heutigen Zeit stösst mir dieses Zeichen der politischen Mehrheit nochmals sauer auf: Während wir damals – vor über 3 Jahren – einen substantiellen Anerkennungsbonus wollten, sprechen wir heute über 109 Milliarden für die CS und darüber, ob die Boni in Millionenhöhe gerechtfertigt seien.
Nein, sind sie nicht. Sie sind unanständig. Doch zurück zum Gesundheitspersonal: Zuschauen, wie monatlich 300 Personen den Pflegeberuf verlassen, weil die Arbeitsbedingungen ungenügend sind und miterleben, wie 2040 nebst 45'000 Pflegekräften auch tausende Ärzt*innen in der Grundversorgung fehlen werden, das können wir nicht.
«Es braucht dringend auch mehr Ausbildungsplätze in Gesundheitsberufen.»Sarah Wyss, SP-Nationalrätin
Ich arbeite an einer rascheren Umsetzung der Pflegeinitiative. Dazu gehören bessere Rahmenbedingungen – verbindlichere Dienstpläne, Erholungszeiten und faire Löhne. Aber es braucht dringend auch mehr Ausbildungsplätze in Gesundheitsberufen. Die Schweiz «importiert» Fachkräfte aus dem Ausland, dieser sogenannte Brain-Drain ist in höchstem Masse unsolidarisch gegenüber anderen Ländern, welche in deren Ausbildung investiert haben und nun ebenfalls vor einem Fachkräftemangel stehen.
Versorgungssicherheit
Die Unterversorgung ist besonders in der Grundversorgung zu spüren, während wir die Überversorgung vor allem in tariflich lukrativen Spezialgebieten beobachten müssen. Dagegen muss systematisch vorgegangen werden. Dafür müssen wir die Fehlanreize beseitigen und die Grundversorgung soll mit einer öffentlichen Finanzierung gewährleistet werden. Auch eine überregionale Planung kann Abhilfe schaffen.
Asoziale Finanzierung
80 Prozent der Gesundheitskosten tragen die Menschen unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten selbst. Besonders stark gebeutelt werden sozioökonomisch schwächere Haushalte und chronisch kranke Menschen. Im Nationalrat habe ich den Gegenvorschlag zur Prämienentlastungsinitiative mitgeprägt, welcher als ersten Schritt fordert, dass die Krankenkassenprämien nicht mehr als 10 Prozent des verfügbaren Einkommens betragen dürfen.
Ob dies auch eine Mehrheit im Rat finden wird, steht noch in den Sternen. Wenn nicht, so werden wir 2024 über die Initiative der SP abstimmen. Klar ist: Dies ist nur der erste Schritt. Mittelfristig brauchen wir einkommensabhängige Krankenkassenprämien – oder gar ein staatlich finanziertes Gesundheitswesen.
«Veränderungen sind notwendig – und möglich.»Sarah Wyss, SP-Nationalrätin
Finanzierungssystem
Ein qualitativ hochstehendes und bezahlbares Gesundheitswesen ist möglich, dafür müssen wir jedoch nicht nur die Verteilung der Kosten, sondern auch die Finanzierungsart ändern. Nicht länger die Menge, sondern die Qualität der Leistungen soll entgolten werden. In den nächsten Wochen wissen wir, ob mein parteiübergreifender Vorstoss diesbezüglich eine Mehrheit im Parlament finden wird.
Ja, das Gesundheitswesen ist komplex und es muss gleichzeitig an viele Rädchen gedreht werden. Es braucht Zeit. Zeit, welche Pflegende auf den Stationen, psychisch kranke Menschen, welche eine Therapie benötigen, ältere Menschen, welche gepflegt werden müssen, Haushalte, welche unter der Prämienlast leiden, schlicht nicht mehr haben. Durch Hartnäckigkeit, durch meinen praktischen Bezug (ich arbeite nebst meinem Nationalratsmandat in einem Spital), durch das einfache Zuhören und die Überzeugungskraft gelingt es mir, tagtäglich an den besagten Rädchen zu drehen und kleine Erfolge für die Gesundheit der Menschen zu erlangen. Veränderungen sind notwendig – und möglich.