«Wir möchten ein Museum des Lebens sein»

Das Jüdische Museum der Schweiz enthüllt am Wochenende das Werk «Jeziory» von Frank Stella an seiner neu gestalteten Fassade. Der 2024 verstorbene US-amerikanische Künstler war eng mit Basel verbunden.

Jüdisches Museum Schweiz
Fotoshooting ohne Vorhang, aber noch mit Baugerüst: Das Kunstwerk von Frank Stella. (Bild: Jüdisches Museum Schweiz)

Auf den Punkt: 

  • Das Jüdische Museum präsentiert an seiner neuen Fassade ein Kunstwerk des US-amerikanischen Künstlers Frank Stella
  • Stella hatte eine jahrelange, enge Beziehung zu Basel
  • Ende November wird das Museum an der Vesalgasse neu eröffnet

Noch steht das Baugerüst vor dem neuen Jüdischen Museum der Schweiz, versteckt in einem Hinterhof nahe der Universität Basel. Ein grosses Tuch verdeckt ein buntes, grossformatiges Kunstwerk an der Vorderseite des Gebäudes: Am Sonntag, anlässlich des Europäischen Tags der Jüdischen Kultur, wird «Jeziory» des US-amerikanischen Künstlers Frank Stella enthüllt. Die Nachbildung des Originals soll an die zerstörte Holzsynagoge im ehemals polnischen Schtetl (heute Weissrussland) Jeziory erinnern und schon jetzt erste Besucher*innen zum Museum an der Vesalgasse 5 locken, das Ende November neu eröffnet.

Stella hatte dem Projekt zugestimmt, bevor er im vergangenen Jahr mit 87 Jahren verstarb. «Er kann bei der Einweihung des Kunstwerks leider nicht mehr dabei sein, aber wir erwarten seine Tochter hier in Basel», sagt die Präsidentin des Jüdischen Museums der Schweiz, Nadia Guth Biasini. Sie erinnert daran, dass Frank Stella immer wieder in Basel zu Gast war, da er einen engen Bezug zum Kunstmuseum Basel hatte. 

Jüdisches Museum Schweiz Nadia Guth Naomi Lubrich
Nadia Guth Biasini und Naomi Lubrich mit dem Buch «Wooden Synagogues». (Bild: Valerie Wendenburg)

«Das Kunstmuseum hat eine bedeutende Sammlung von Werken von Frank Stella. Rund 300 weitere seiner Zeichnungen, die er dem Kunstmuseum geschenkt hat, befinden sich im Kupferstichkabinett», sagt Guth Biasini. «Stellas Werke haben mich fasziniert, seit meine Mutter in den späten 1970er Jahren sein Relief ‹Jardim Botanico› erwarb. Es ist erstaunlich, wie viel Zeit und Arbeit er in die Synagogen–Serie investiert hat, ohne selbst  jüdische Wurzeln zu haben.»

Jeziory
Die Entstehung

Auf die Holzsynagogen ist Stella während eines Spitalaufenthaltes durch das Buch von Maria und Kazimierz Piechotka «Wooden Synagogues» aufmerksam geworden. Darin sind 70 Holzsynagogen im heutigen Weissrussland abgebildet, die teils aus dem 18. Jahrhundert stammen und heute weitgehend zerstört sind. Rund drei Jahre, zwischen 1970 und 1973, hat Stella an dem Synagogen-Sujet gearbeitet. Während er vor diesem Projekt ausschliesslich auf Leinwände malte, betrat er mit seiner «Polish Village Series» über alte Holzsynagogen neues Terrain, indem er Reliefs von jeder einzelnen der Synagogen schuf. So auch das Relief «Jeziory», das aus Karton, Filz und Leinen auf Millimeterpapier montiert ist.

Der Architekt des Museums, Roger Diener, schlug vor, «Jeziory» für das Museum in architektonische Massstäbe umzusetzen und am Gebäude, das ebenfalls aus Holz ist, anzubringen. Frank Stella war unter einer Bedingung einverstanden: «Er hat angemerkt, dass das Kunstwerk nur am Gebäude ausgestellt werden darf, solange das Museum dort beheimatet ist», sagt Guth Biasini.

Die Farben seien typisch für die ehemaligen polnischen Holzsynagogen, die von innen mit Wandmalereien von Tieren oder Sternzeichen dekoriert waren, sagt Museumsdirektorin Naomi Lubrich. Das farbenfrohe Kunstwerk soll ein Willkommensgruss an die Besucher*innen sein.

Kulturtag

Der Europäische Tag der jüdischen Kultur findet europaweit in über 30 Ländern statt. Nadia Guth Biasini hat gleich zu Anfang im Jahr 2000 begonnen, diesen Tag in der Schweiz zu feiern. Die Koordination übernimmt seit 2022 die Historikerin Barbara Häne. Dieses Jahr sind acht Städte am Sonntag, 7, September, mit einem vielseitigen Programm dabei. Das Jüdische Museum lädt nach der Enthüllung des Kunstwerks zum Klezmerkonzert «From the Shtetl to the Big Apple» ein.

Wie die hölzernen Synagogen ausgesehen haben, die Stella inspirierten, zeigt  eine Sonderausstellung, die parallel zur Eröffnung des Museums gezeigt wird. «Dort wird das Original zu sehen sein, ebenso wie andere Synagogen-Werke von Stella», so Lubrich. 

Sie freue sich auf die Eröffnung des neuen Jüdischen Museums im neuen Haus, in dem es viel mehr Möglichkeiten gebe, Geschichte und Kunst zu vermitteln als am alten Standort in der Kornhausgasse. «Unser Ziel ist es, aufzuklären. Es freut mich, dass immer mehr Schulklassen das Museum besuchen.» Das Stella-Kunstwerk soll als Hingucker wirken. «Unser Museum zeigt Farbe und Kunst. Wir möchten ein Museum des Lebens sein.»

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Valerie Wendenburg

Nach dem Studium, freier Mitarbeit bei der Berliner Morgenpost und einem Radio-Volontariat hat es Valerie 2002 nach Basel gezogen. Sie schreibt seit fast 20 Jahren für das Jüdische Wochenmagazin tachles und hat zwischenzeitlich einen Abstecher in die Kommunikation zur Gemeinde Bottmingen und terre des hommes schweiz gemacht. Aus Liebe zum Journalismus ist sie voll in die Branche zurückgekehrt und seit September 2023 Redaktorin bei Bajour. Im Basel Briefing sorgt sie mit ihrem «Buchclübli mit Vali» dafür, dass der Community (und ihr selbst) der Lesestoff nicht ausgeht.

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