Konsumieren junge Menschen mehr Medien durch Gutscheine?
Jugendliche konsumieren News vor allem über soziale Medien. Das will die GLP ändern und fordert, dass Basel-Stadt Gutscheine für Online-Abos ausgibt. Eine gute Idee? Ja, argumentiert Katja Christ, auf keinen Fall, sagt dagegen Luca Urgese von der FDP.
Jede*r zweite junge Erwachsene konsumiert kaum Journalismus, sondern nur Social Media. Zu diesem Schluss kam eine viel beachtete Studie des Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich aus dem Jahr 2019. Ergo wissen diese 16- bis 25-Jährigen kaum über Politik Bescheid.
Deshalb fordert die GLP staatliche Medienförderung. Konkret: Bund und Kantone sollen Gutscheine für Online-Medien vergeben. Nationalrätin Katja Christ reichte einen entsprechenden Vorstoss auf nationaler Ebene ein, ihr Parteikollege und Grossrat Johannes Sieber formulierte einen Anzug auf Kantonsebene. Der Grosse Rat diskutiert in der Sitzung vom 2.Juni darüber.
Direkte Subventionen für Medien wären ein Novum und werden von der Politik entsprechend kontrovers diskutiert. Für die einen geht es in nicht mehr ohne angesichts der krankenden Medienvielfalt, für andere sind sie ein rotes Tuch.
Beispielsweise für FDP-Grossrat Luca Urgese. Er sieht keinen Handlungsbedarf bei der Medienförderung und sieht die journalistische Glaubwürdigkeit in Gefahr: «Nur wer unabhängig ist, kann frei kritisieren.»
Luca Urgese und Katja Christ haben für Bajour in die Tasten gegriffen.
Die Nationalrätin und Präsidentin der GLP Basel setzt sich für Medienförderung über Gutscheine ein.
Pro: Der Erhalt der Medienvielfalt ist zwingend
Ich anerkenne die Bedeutung der Medien als vierte Gewalt im Staat und als unverzichtbare Grundlage zur freien Meinungsbildung und damit für unsere Demokratie. Doch nichts ist beständiger als der Wandel, und dieser Realität kann sich auch die Presselandschaft nicht entziehen. Das klassische Geschäft mit Zeitungsabos und Print-Werbung funktioniert im Zeitalter der Digitalisierung immer schlechter, vor allem auch wegen der Konkurrenz durch internationale Giganten wie Facebook und Google.
Der Erhalt einer Medienvielfalt in unserem Land ist aber kein «nice to have». Es ist zwingend, dass in allen Landesteilen über Wahlen, Abstimmungen und Lokales aus verschiedener Optik berichtet wird. Im Rahmen eines medialen service public sehe ich demnach den Staat durchaus in der Pflicht. Als liberal denkende Politikerin sind mir dabei folgende Eckwerte wichtig:
Ein staatliches Fördermodell muss zukunftsgerichtet sein und kanalunabhängig erfolgen, denn demokratiepolitisch sind alle Verbreitungswege gleichwertig. Journalistische Qualität und Inhalt sollten im Zentrum stehen. Der Wettbewerb darf nicht verzerrt werden, das Geschäftsmodell sollte keine Rolle spielen, und die digitale Transformation darf nicht durch falsche finanzielle Anreize gehemmt werden. Denn seit der Evolutionstheorie wissen wir, dass nicht die Stärksten überleben, sondern jene, die sich am schnellsten anpassen können. Wer immer tut, was er schon kann, bleibt auch immer das, was er schon ist. In Zeiten des Wandels ist das verheerend.
Nicht der Staat sondern die Bevölkerung selbst sollte mitentscheiden, wo die öffentlichen Gelder hinfliessen. Diese sollen also nicht direkt an die Medienhäuser, sondern mittels Gutscheine an die Bevölkerung ausgezahlt werden. Die Leserschaft entscheidet dann, welche Publikationen sie mit dem Gutschein unterstützt, wobei der Staat natürlich gewisse Mindestanforderungen an diese festlegt. Im Bereich der Kinderbetreuung wird das Gutscheinsystem bereits vielerorts erfolgreich praktiziert. Ein ganz und gar liberaler Ansatz einer staatlichen Förderung.
In Basel ist die Medienlandschaft politisch vielfältig und gut aufgestellt. Ich sehe deshalb momentan keinen akuten Handlungsbedarf. Das kann sich aber rasch ändern. Die Leserschaft der Zukunft ist die Jugend von heute, und die bewegt und informiert sich hauptsächlich gratis im Netz. Das hat gleich zwei negative Konsequenzen. Die Leserschaft von morgen erodiert und die Demokratie wird langfristig durch Desinformation geschwächt.
Im Rahmen der Bildung sollten Jugendliche deshalb früh mit qualitativ hochstehender inländischer Medienberichterstattung konfrontiert werden, sich über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft informieren. Mediengutscheine können hier als Einstieg eine Brücke bauen. Mit einem Abo können sie dann Berichterstattungen vergleichen, Unterschiede in deren Positionen und journalistische Nuancen herausarbeiten. Langfristig können sie zudem so an die Nutzung kostenpflichtiger Medien herangeführt werden und so die Leserschaft der Zukunft sichern. Mediengutscheine für Jugendliche bedeuten also gleichzeitig Bildung und Sicherung der Medienvielfalt in der Zukunft. Eine Investition heute für morgen!
Der FDP-Grossrat spricht sich dezidiert gegen mehr staatliche Medienförderung aus.
Contra: Die Medien müssen es ohne Staat schaffen
Wann gingen zum letzten Mal junge Menschen über Wochen für ein politisches Anliegen auf die Strasse? Schon lange waren Jugendliche nicht mehr so politisch aktiv und haben sich so aktiv politisch beteiligt wie heute. Dies müssen wir uns vor Augen führen, wenn wir darüber diskutieren, ob soziale Medien und internationale Medienportale die politische Partizipation von Jugendlichen verhindern, wie dies Johannes Sieber in seinem Vorstoss behauptet.
Machen wir uns nichts vor: Es ist nicht so, dass früher alle Jungen die Tageszeitung gelesen hätten. Junge hatten schon immer ihre eigenen Informationsquellen. Viele sind mit zunehmendem Alter zum Beispiel über ein Abonnement der Eltern zu News-Konsumenten geworden.
Es stellt sich daher die Frage, ob für die Politik überhaupt Handlungsbedarf besteht. Um überleben zu können, müssen sich die Medien um ihre künftige Kundschaft kümmern und passende Angebote machen. Der Staat kann ihnen diese Aufgabe nicht abnehmen.
Der Ruf nach Mediengutscheinen ist Teil einer grösseren Debatte über staatliche Medienförderung. Medien nehmen in der Demokratie eine besondere Rolle ein. Sie hinterfragen das Handeln von uns Politikerinnen und Politikern kritisch und tragen zur öffentlichen Debatte und Meinungsbildung bei. Es ist genau diese besondere Bedeutung, die es unabdingbar macht, generell auf staatliche Medienförderung zu verzichten. Nur wer unabhängig ist, kann frei kritisieren.
Die Debatte im Nationalrat über die künftige Ausgestaltung der Medienförderung hat exemplarisch aufgezeigt, warum eine klare Trennung wichtig ist. Es wird nicht unterstützt, wer staatspolitisch besonders bedeutend ist (wobei es ohnehin eine Anmassung der Politik ist, dies beurteilen zu wollen), sondern wer die beste Lobby und den grössten Einfluss hat. Nur deshalb erhalten grosse und profitable Medienhäuser wie Tamedia oder CH Media nach dem Willen des Nationalrats ein grosses Stück vom Subventionskuchen, während kleine Regionalmedien kämpfen müssen.
Wenn nun Katja Christ im Nationalrat und ihr Parteikollege Johannes Sieber im Grossen Rat Mediengutscheine für 16- bis 25-Jährige einführen wollen, ist das nicht mehr als ein weiterer Ruf nach (zusätzlicher) staatlicher Medienförderung, der nach meiner festen Überzeugung grundlegend falsch ist.
Werden solche Gutscheine eingeführt, werden sich Medien verstärkt auf diese Zielgruppe einstellen und um diese werben, um einen möglichst grossen Anteil der Gutscheine zu erhalten. Ist dadurch gewährleistet, dass Junge sich stärker politisch beteiligen? Natürlich nicht. Denn was zählen wird, sind Klicks und Abos, nicht politische Inhalte. Oder gibt der Staat künftig vor, für welche Medieninhalte die Gutscheine verwendet werden dürfen und für welche nicht? Bewertet er also künftig, was gute und was schlechte Inhalte sind? Niemand, der die Medienfreiheit hochhält, kann das ernsthaft wollen.
Newskonsum und Informationsbeschaffung verändern sich. Es kann nicht Aufgabe der Politik sein, darüber zu entscheiden, welches Geschäftsmodell zukunftstauglich ist. Deshalb sind weitere staatliche Medienförderung und Mediengutscheine dezidiert abzulehnen.