«Ich würde mich sehr gerne politisch einbringen»

Über ein Drittel der Basler Bevölkerung kann bei den Wahlen nicht mitbestimmen. Maxim Surdu kam vor sechs Jahren von Moldawien nach Basel – nachdem er Vater wurde, entschied er sich mit seiner Familie für einen Neustart in der Schweiz.

Maxim Surdu
Maxim Surdu wohnt mit seiner Familie im Iselin-Quartier. (Bild: Michelle Isler)

Eigentlich wollte Maxim Surdu Übersetzer werden, auch Lehrer hätte er sich als Beruf vorstellen können. Schon in seiner Schulzeit interessierte er sich für Sprachen, studierte Deutsch und Französisch an der Universität in Bălți in Moldawien und für ein Jahr auch in Heidelberg in Deutschland. Dort kam er zum ersten Mal mit der Region Basel in Kontakt: Einer seiner Professoren war aus Riehen. Nach dem Studium arbeitete er zuerst als Übersetzer bei einer Stiftung, dann als Call-Center-Agent, später bei einer Kreditfirma und als Sozialassistent. «Hier würde man das Sozialarbeiter nennen», erzählt Surdu bei einem Treffen in der Nähe des Wasgenringschulhauses. Seine Tochter geht jetzt hier zur Schule, sein Sohn in einen Kindergarten in der Nähe.

Ausländer*innen in Basel

«Wähl mich!», ruft es derzeit überall: Der Öffentliche Raum ist geprägt von Plakaten und Flyer-Verteilaktionen, die die Wähler*innen zum Handeln aufrufen. 37 Prozent der Basler Bevölkerung kann sich in diesem Diskurs kaum einbringen: die Ausländer*innen. Auch wenn sie schon lange in der Schweiz wohnen, dürfen sie mit Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung nicht mitbestimmen, wer sie in Bundesbern vertreten soll. Auch bei Abstimmungen bleiben sie aussen vor.

Die Porträtserie ist ein Versuch, auch ihnen einen Platz im öffentlichen Diskurs rund um die Wahlen zu geben. Den Abschluss macht Maxim Surdu, der sich über manche Unterschiede zwischen seinen zwei Heimaten wundert.

Es ist ein kühler Morgen. Nach einer Viertelstunde Gespräch auf einer Parkbank beginnt Surdu, seine Hände aneinander zu reiben. Es dauert eine Runde um die Schrebergärten, bis ihm einerseits wieder warm, und andererseits sein Weg hierher erzählt ist.

Surdu kam 2017 in die Schweiz – zuerst alleine, seine Frau und seine vierjährige Tochter folgten ein Jahr später. «Unsere finanzielle Situation in Moldawien war sehr schwankend», erklärt er. Weil er Freund*innen in der Schweiz hatte, entschied sich die junge Familie nach der Geburt der Tochter für einen Neustart. «Am Anfang war es sehr schwierig hier, erst der Umzug und dann auch einen Job zu finden», erinnert er sich. Doch nun sind einige Hürden geschafft: Er hat eine Stelle bei UPS als Disponent, eine Wohnung im Iselin-Quartier für seine Familie, einen geregelten Aufenthaltsstatus.

Disponent ist zwar nicht sein Traumjob, aber die Familie kommt durch, das gibt ihm Sicherheit. Ausserdem hat er seit 2019 einen B-Ausweis. Damit darf er für mindestens fünf Jahre in der Schweiz leben. «Wenn es geht», würde er aber gerne längerfristig hier bleiben, sagt er und lächelt, als die Frage kommt, ob er sich mittlerweile hier zuhause fühlt. «Ich fühle mich hier wohl, meine Familie auch», sagt er – sowohl Moldawien als auch die Schweiz nennt er heute seine Heimat.

Status B, C, F, N?

Wer als Ausländer*in in die Schweiz kommt, erhält je nach Staatsangehörigkeit, Dauer und Grund des Aufenthalts eine andere Bewilligung:

  • Ausweis B (Aufenthaltsbewilligung): Mit einer Aufenthaltsbewilligung dürfen Ausländer*innen sich zu einem bestimmten Zweck (z.B. Arbeit, Familie) längerfristig in der Schweiz aufhalten.
  • Ausweis C (Niederlassungsbewilligung): Nach 5–10 Jahren ununterbrochenem Aufenthalt können Ausländer*innen unter Erfüllung bestimmter Kriterien (z.B. keine Schulden, Sprachkenntnisse) eine Niederlassungsbewilligung für einen unbeschränkten Aufenthalt beantragen.
  • Ausweis F (vorläufig aufgenommene Ausländer*innen): Eine vorläufige Aufnahme erhalten die Personen, die eigentlich aus der Schweiz weggewiesen wurden, deren Wegweisung aber aus bestimmten Gründen unzulässig oder unzumutbar ist.
  • Ausweis N (Asylsuchende): Der N-Ausweis gilt als Bestätigung, dass eine Person ein Asylgesuch in der Schweiz gestellt hat und auf einen Asylentscheid wartet.

Drei Fragen an Maxim Surdu

Würdest du gerne politisch mitbestimmen können?

«Ja, das würde ich sehr gerne tun, falls ich das darf. Hauptsache ist, dass man sich in die Gesellschaft eingelebt hat und die Voraussetzungen erfüllt, um mitbestimmen zu können. Damit meine ich, man muss die Gesetze und Vorschriften der Schweiz respektieren, politisch informiert sein sowie ethische Überlegungen machen. Auf meinem Niveau würde ich versuchen, bloss passiv mitzubestimmen. Ich stelle mir das vor, als wäre ich ein Land, das sich um eine Kandidatur in einer internationalen Organisation bewirbt: Ich habe kein aktives Wahlrecht, darf aber als Kandidat an Diskussionen teilnehmen und die Entscheidungsträger haben Kenntnis über meine Position und können sie berücksichtigen.»

Fühlst du dich von den Politiker*innen vertreten?

«Ehrlich gesagt, bin ich nicht informiert genug, um zu wissen, ob ich von den Politiker*innen vertreten werde.»

Was würdest du konkret ändern?

«Ich beobachte manchmal, wie eine schwangere Frau oder jemand mit Kinderwagen an der Bushaltestelle steht und die Leute daneben einfach rauchen. In meiner Heimat Moldawien gibt es an den Haltestellen ein gesetzliches Rauchverbot – in der fortschrittlichen Schweiz nicht.»

Bajour Herz
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Nach einem Masterstudium in Geisteswissenschaften und verschiedenen Wissenschafts- und Kommunikations-Jobs ist Michelle bei Bajour im Journalismus angekommen: Zuerst als Praktikantin, dann als erste Bajour-Trainee (whoop whoop!) und heute als Redaktorin schreibt sie Porträts mit viel Gespür für ihr Gegenüber und zieht für Reportagen durch die Gassen. Michelle hat das Basler Gewerbe im Blick und vergräbt sich auch gern mal in grössere Recherchen.


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