Falsche Nostalgie
Im Juli wird die Patrouille Suisse das Basel Tattoo eröffnen. Während das vor allem bei Linken Unmut auslöst, kann man festhalten, dass die militärische Folklore inklusive lärmiger Tiefflieger vor allem eine Sehnsucht nach Gleichschritt und einer übersichtlichen Bedrohungslage verkörpert, kommentiert Ina Bullwinkel.
Marschmusik, Uniform, Kampfjets am Himmel – das alles scheint ein wenig aus der Zeit gefallen. Aber nur scheinbar, denn für mehrere Zehntausend Besucher*innen des Basel Tattoo gehört die militärische Folklore fest zur geliebten Musikshow im Hof der Kaserne. Und das seit fast 20 Jahren. In Zeiten, in denen der US-Präsident seinen Geburtstag mit einer Militärparade feiert, passt ein wenig Militär-Nostalgie doch irgendwie zum makabren Zeitgeist.
Wobei man durchaus leer schlucken darf, wenn die Nostalgie eigentlich keine ist, da militärische Einsätze nichts Vergangenes sind, sondern in verschiedenen Teilen der Welt mit voller Brutalität zur Gegenwart gehören. Gerade erst vor einer Woche hat Israel einen Krieg gegen Iran begonnen; die vielen Todesopfer und verhungernden Kinder in Gaza haben deshalb weniger Sendezeit, abgeschwächt hat sich der Konflikt deshalb nicht. Kiew erlebte diese Woche eine der schlimmsten Bombardierungen seit Beginn des russischen Angriffskriegs. Die Welt fühlt sich insgesamt unsicherer an, mit diffusen Aggressionen, mit Kriegen, die hybrid, auf Social Media und mit unbemannten Drohnen geführt werden. Und in Basel frönt man der Militärmusik in Formation?
Die Militär-Nostalgie ist keine Nostalgie, wenn militärische Einsätze nichts Vergangenes sind, sondern in verschiedenen Teilen der Welt mit voller Brutalität zur Gegenwart gehören.
Es wäre übertrieben, dem Tattoo pauschal Kriegsverherrlichung vorzuwerfen, steht das Fest doch vor allem in der schottischen Tradition und liefert nicht nur Märsche, sondern auch harmlose Dudelsackmusik. Und trotzdem bleiben Assoziationen mit dem aktuellen Kriegstreiben nicht aus, wenn Jets im Tiefflug über das Kasernengelände düsen. Vor einer Woche hat das Tattoo bekannt gegeben, dass die Patrouille Suisse mit einem Überflug die Show eröffnen wird. Auf Begeisterung ist das unter anderem in der Bajour-Community nicht gestossen. Bei unserer Frage des Tages beurteilte eine deutliche Mehrheit den Überflug als daneben.
Basel-Stadt und die Formationsflieger werden keine Freund*innen. Bereits beim letzten Patrouille-Suisse-Überflug vor zwei Jahren gab es viel Kritik. Einen Tiefflug über dicht besiedeltem Gebiet – notabene kurz nachdem es über Zug zu einer Streifkollision zweier Jets und einer verletzten Person kam – hielten einige für ein unnötiges Risiko. Andere stören sich damals wie heute am Lärm, am CO2-Ausstoss oder daran, dass der Überflug bei Geflüchteten schlimme Erinnerungen wachrufen kann. Vor allem, wenn diese wegen fehlender Info nicht einordnen können, woher die Flieger plötzlich kommen und warum sie über Wohngebiet unterwegs sind.
Dass es in diesem Jahr ein absurdes Durcheinander mit der Bewilligung gab, sodass der Regierungsrat den geplanten Überflug am Ende lediglich «zur Kenntnis» nahm, statt offiziell seine Zustimmung kundzutun, bleibt wohl eine Randnotiz, die nicht unbedingt für einen breiten Rückhalt der Flugaktion spricht.
Es sind eine Militärtümelei und die Sehnsucht nach Gleichschritt und einer übersichtlichen Bedrohungslage zu erkennen.
Aus Sicht des Tattoo verdeutlicht der Formationsflug «die enge Zusammenarbeit mit dem Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) als unser Schirmherr». Ein militärischer Bezug ist also ganz bewusst gewollt. Dass das insbesondere linken Politiker*innen übel aufstösst, ist vorhersehbar.
Es sind eine Militärtümelei und die Sehnsucht nach Gleichschritt und einer übersichtlichen Bedrohungslage zu erkennen. Eine Art fragwürdige Reminiszenz an die gute alte Zeit – ohne Drohnenschwärme oder leise Hackerangriffen. In dem Sinne passt die lärmige Oldtimer-Patrouille-Suisse bestens zu Dudelsackformationen und zum militärischen Museumsbild, das die gesamte Schweizer Armee inzwischen abgibt.
Sorgen müssten sich die Kommunikationsstrateg*innen innerhalb und ausserhalb der Armee machen, die irgendwie vermitteln müssen, dass die Armee den militärischen Herausforderungen unserer Zeit gewachsen ist und ob ein Teil der Milliarden von Rüstungsgeldern bei den Formationsfreund*innen von vorgestern richtig aufgehoben sind. Aber nicht die Linken oder die Pazifist*innen.