Der neue Hype ums Lesen
Auf Social Media werben Buchblogger*innen für Literatur und animieren ihre Follower*innen zum Lesen. Mit Erfolg: Auch Basler Buchhändler*innen sprechen von einem neuen Hype – ähnlich wie zu Harry-Potter-Zeiten.
Mehr als 85’000 Follower*innen hat Valentina Vapaux, Autorin und Bookinfluencerin auf TikTok und Instagram. Zu Gast im SRF-Literaturclub sprach sie im Dezember 2023 mit Moderatorin Laura de Weck über ihre Leidenschaft für Literatur und die Begeisterung fürs Lesen, die gerade junge Leute auf Social Media teilen.
Zahlreiche Buchblogger*innen posten hier Fotos und Reels ihrer Lieblingsbücher für ihre Community unter den Hashtags #booktok oder #bookstagram. Oft mit viel Gefühl und Leidenschaft und vor allem mit Erfolg. Allein der Hashtag #booktok zählt in der Schweiz mehrere Millionen Aufrufe pro Monat.
Nicht nur die Blogger*innen haben Erfolg mit ihren Buch-Posts, die teilweise tausende von Likes haben. Auch die Buchhändler*innen spüren, dass vermehrt junge Leute wieder Bücher lesen und kaufen. Dies bestätigt Franziska Stocker, Geschäftsleitung von Bider und Tanner: «Wir haben seit etwa zwei Jahren BookTok-Regale mit deutschen und englischen Büchern im Geschäft. Sie sind sehr beliebt und gar nicht mehr wegzudenken.» Viel mehr junge Menschen, besonders Frauen, kämen in den Laden, um Bücher zu kaufen und gemeinsam über die verschiedenen Titel zu diskutieren.
«BookTok scheint mir ähnlich wie der Harry-Potter-Hype vor 25 Jahren.»Franziska Stocker, Geschäftsleitung Bider und Tanner
«Interessant ist, dass die Bücher gekauft und nicht auf dem E-Book gelesen werden», sagt Stocker, die die aktuelle Entwicklung mit dem Harry-Potter-Hype vor 25 Jahren vergleicht: «Damals begann das Interesse an Fantasy, das bis heute anhält. BookTok scheint mir ähnlich, es kommt ein erneutes, grosses Interesse junger Leute an Büchern auf, das hoffentlich bestehen bleibt.»
Gerade junge Frauen würden deutsche und englische Bücher sammeln, die auf TikTok empfohlen werden. «Wichtig erscheint mir aber, dass die Buchtipps zwar auf Social Media gegeben werden, die Debatte über die Bücher dann aber auch im realen Leben, bei uns im Buchladen, geführt wird und Bücher wieder eine grosse Rolle im Leben der Jugendlichen spielen.»
Auch bei Orell Füssli in der Freien Strasse ist BookTok ein Thema und das Regal mit den Beststellern aus der Community ein fester Bestandteil des Geschäfts.
In der Schweiz wird monatlich für die Schweiz die Liste der BookTok-Bestseller veröffentlicht. Sie basiert auf den Verkaufszahlen von Media Control sowie internen Daten und Analysen von TikTok. So entsteht eine Liste der 20 bzw. 10 erfolgreichsten Buchtitel des Monats, die auf TikTok stattfinden und in der #BookTok-Community diskutiert werden. Mittlerweile zählt diese zu den aktivsten und am schnellsten wachsenden Communitys der Plattform, was sich an den Beitragszahlen von Hashtags wie #BookTok (>30 Millionen) oder #BookClub (>2,3 Millionen) zeigt.
Die neue Begeisterung für Bücher erlebt auch Yvonne Peyer, Geschäftsführerin von Olymp und Hades in der Neubadstrasse. «Viele junge Leute kommen zu uns, um Bücher zu kaufen, und wir profitieren von dieser positiven Entwicklung. Wir gestalten auch immer mal wieder ein Fenster oder einen Tisch mit Büchern, die auf BookTok empfohlen werden», so Peyer. An der Buchmesse in Leipzig sei ihr aufgefallen, dass sehr viele junge Leute Lesungen der Autor*innen besucht haben, die auf TikTok oder Instagram empfohlen werden. «Bei Autogrammstunden der Schriftsteller*innen bildeten sich meterlange Schlangen der Buchfans», sagt sie.
Katrin Eckert, Intendantin des Literaturhauses Basel, sagt: «Ich freue mich, dass die Lesebegeisterung sich immer neue Wege sucht.» Für das Publikum und das Programm im Literaturhaus sei der Trend im Moment allerdings zurzeit noch nicht relevant. Marion Regenscheit, Festivalleiterin der Buch Basel, bestätigt, dass der Trend auf dem Buchmarkt im Allgemeinen einen erheblichen Einfluss hat. Bücher, die in den Sozialen Medien viral gehen, könnten einen enormen Hype erfahren und Werke von bisher unbekannten Autor*innen praktisch über Nacht zu Bestsellern werden.
«Ich finde es grossartig, wie viele und vor allem junge Leser*innen über Instagram und TikTok erreicht werden und mit welcher Begeisterung empfohlene Bücher gefeiert werden», sagt Regenscheit. Diese Bücher seien oft aus den Genres Romance, Fantasy oder Young Adult. Da bei der Buch Basel jedoch selten Bücher und Autor*innen aus diesen Genres präsentiert würden, beeinflusse dieser Trend das Programm nicht direkt.
«Die Nachfrage ist bisher nicht da, aber wir würden auf Wunsch natürlich Bücher bestellen oder auch einkaufen.»Manuela Probst, Inhaberin der Bachletten Buchhandlung
Es gibt in Basel auch Buchhandlungen, die eher geisteswissenschaftlich ausgerichtet sind und eine Zielgruppe haben, die nicht der Social-Media-Community entspricht. So sagt Manuela Probst, Inhaberin der Bachletten Buchhandlung: «Wir spüren bisher nichts von dieser Entwicklung. Zu uns kommen vorwiegend Leute aus dem Quartier und keine explizit junge Zielgruppe.» Ihr Sortiment sei auch nicht auf das Genre ausgerichtet, das auf Social-Media besprochen wird. «Die Nachfrage ist bisher nicht da, aber wir würden auf Wunsch natürlich Bücher bestellen oder auch einkaufen», so Probst.
Ähnlich sieht die Situation in der Buchhandlung Labyrinth am Nadelberg aus, die aber keine Auskunft geben möchte. Auch in der Buchhandlung Vetter in der Spalenvorstadt ist BookTok «noch nicht so ein grosses Thema».
Was aber macht den Erfolg von Bookfluencer*innen aus? Valentina Vapaux sagt im Gespräch mit SRF, ihre Zielgruppe sind Frauen zwischen 18 und 25 Jahren. Sie würden ihre Buchtipps auf Instagram und TikTok mögen, weil Vapaux – im Gegensatz zum klassischen Feuilleton – jene Bücher bespreche, die junge Frauen «tatsächlich lesen». Auch die Emotionalität, mit der Literatur auf Social Media besprochen wird, käme gut an. Oft fliessen Tränen, aus Begeisterung wie aus Trauer. Einen Anspruch auf Objektivität gibt es nicht. Valentina Vapaux hat mit ihrem Buch «Generation Z» selbst einen Bestseller geschrieben. Sie beschreibt die Stärke von BookTok ganz einfach: «Es ist wenigstens ehrlich.»