Der Sturm vor der Ruhe
Während der Rümelinsplatz aktuell aufgehübscht und gefeiert wird, sorgen sich einige ansässige Ladenbesitzer*innen schon über ausbleibende Kundschaft während der bevorstehenden Grossbaustelle.
Auf dem geografischen Ypsilon rund um den Rümelinsplatz entsteht gerade das «grösste Asphaltkunstwerk» der Schweiz. Täglich kommt eine neue Farbfläche hinzu, bis Ende Monat voraussichtlich der gesamte Boden mit geometrischen Formen bemalt ist. Der Verein Instandbelebung Rümelinsplatz (VIBR) hat das Projekt mit der Idee gestartet, die Attraktivität des Platzes noch einmal zu steigern, mit fliessenden und blubbernden Formen an die Vergangenheit zu erinnern – hier stand mal eine Wassermühle – und die Bevölkerung langsam darauf vorzubereiten, dass sich bald einiges verändern wird.
Die bunte Asphaltkunst ist nämlich vergänglich, sie hat sogar ein ziemlich konkretes Ablaufdatum. Nach der Fasnacht 2025 wird sie Stück für Stück wieder zerstört. Dann fahren die Bagger auf und die Presslufthammer werden angesetzt. Nach der provisorischen Aufhübschung steht dem Ypsilon eine grossflächige Schönheitsoperation bevor.
Der Rümelinsplatz sowie die Münz- und Schnabelgasse werden mit geschliffenen Rheinwacken gepflastert, die Trottoirränder sollen entfernt, zusätzliche Bäume gepflanzt und Sitzgelegenheiten aufgebaut werden. Mit der Umgestaltung will das Bau- und Verkehrsdepartement den Platz von einem Durchgangsort in einen lebendigen Ort der Begegnung verwandeln. Neben der ästhetischen Aufwertung werden auch unterirdische Leitungen erneuert.
Die ansässigen Ladenbesitzer*innen blicken den bevorstehenden Bauarbeiten mit gemischten Gefühlen entgegen. Manche haben Sorge vor finanziellen Einbussen, einer plant sogar, seinen Laden für einige Monate zu schliessen, auch optimistische Stimmen sind zu hören, aber von einer Optimierung der Geschäfte nach der Umgestaltung geht kaum jemand aus.
Margrit Flückiger, Geschäftsleiterin von «Men in Shirts»
«Jede Baustelle ist schlecht fürs Geschäft. Ich rechne mit 30 Prozent Einbussen. Deshalb bin ich jetzt auch vorsichtig mit den Einkäufen fürs nächste Jahr. Für mich stellt sich vor allem die Frage, ob etappenweise gebaut oder ständig auf dem ganzen Platz gearbeitet wird.
Die Stadt hat uns zu einem Infoabend im Juni eingeladen. Ich bin gespannt, was dort berichtet wird. Mir wäre wichtig, dass die Zugänglichkeit zu den Läden gewährleistet wird und beispielsweise keine Mulden vor den Schaufenstern stehen. Ich hoffe sehr, dass die Kundschaft nach dem Umbau dann wieder zurückkommt und keine Läden schliessen müssen, wie es nach der Baustelle am Spalenberg der Fall war.»
Gregor Muntwiler, Galerist der Galerie Eulenspiegel und Präsident des VIBR
«Wenn ein Platz umgebaut wird, wie es hier geschieht, kommt immer der Fluss der Passantinnen und Passanten durcheinander. Die Menschen, die vom Spalenberg runterkommen, teilen sich aktuell auf. Manche gehen Richtung Marktplatz, manche auf den Rümelinsplatz, einige von hier aus dann am Unternehmen Mitte vorbei und manche kommen zu uns ins Gerbergässlein. Das wird sich mit der Baustelle dann stark verändern.
Der Verein beschäftigt sich mit der Frage, was er tun kann, damit der Platz trotzdem attraktiv bleibt. Die Asphaltkunst war ein Vorprojekt, wir hoffen, während der Baustelle weitere Aktionen durchführen zu können. Dafür stehen wir in Kontakt mit der Stadt und der Bauleitung. Der Verein hat hier eine Vermittlungsrolle. Die Anliegen der Ladenbesitzer*innen, die im Verein aktiv sind, betreffen vor allem den Zugang zu den Geschäften und die lange Dauer der Baustelle. Ausserdem hoffen wir alle, dass der Platz nicht permanent mit Baustellenfahrzeugen zugestellt sein wird.»
Gabriela Strasser, Geschäftsleiterin WoMenArt
«Ich denke schon, dass ich während der Baustelle Einbussen haben werde, weil dann keine Laufkundschaft mehr vorbeikommt. Ich wäre deshalb froh, wenn die Bauarbeiten in verschiedenen Etappen durchgeführt werden könnten, damit es nicht überall zwei Jahre dauert. Aber ich lasse es auf mich zukommen und mache mir jetzt noch keine allzu grosse Sorgen.
Wünschen würde ich mir, dass die Zugänglichkeit und Sichtbarkeit weiterhin gewährleistet ist. Ich hoffe, dass der Platz nach der Umgestaltung schön wird und man hier gerne verweilen möchte, das wäre ja schon gut, wenn immerhin zwei Jahre lang gebaut wird. Ich denke allerdings nicht, dass die Attraktivität einen Einfluss auf meine Geschäfte haben wird.»
Das Bau- und Verkehrsdepartement ist sich gemäss Mediensprecher Daniel Hofer der Belastung, die für die Anwohner*innen und Gewerbetreibenden mit den Bauarbeiten einhergeht, bewusst. «Bauarbeiten benötigen Platz und verursachen Lärm und Staub. Wir werden sicherstellen, dass die Läden rund um den Rümelinsplatz trotz der Bauarbeiten zugänglich bleiben», sagt er.
Ausserdem würde die Baustelle für die Fasnacht, die Bummelsonntage, Em Bebbi sy Jazz und den Weihnachtsverkauf jeweils abgeräumt und gesichert. Die genaue Zeitplanung für die Bauarbeiten werde aktuell noch erarbeitet, so Hofer: «Aber wir können bereits heute sagen, dass wir nicht auf dem ganzen Platz jederzeit überall bauen werden.»
Mathias Leo Jenny, Goldschmied
«Ich frage mich, ob die Umgestaltung wirklich nötig ist. Ich habe schon viele verschiedene Böden gesehen und nie festgestellt, dass sie einen grossen Unterschied ausmachen. Aber wenn die Leitungen sowieso neu gemacht werden, macht es natürlich schon Sinn. Ich hoffe, dass der Boden dann nicht nach ein paar Jahren wieder für die Fernwärmeanschlüsse aufgerissen werden muss. Am Rümelinsplatz bin ich jetzt seit acht Jahren. In dieser Zeit gab es in der Umgebung viele Baustellen und dementsprechend viel Lärm – zuerst hier am Platz, dann in der Hauptpost und in der Freien Strasse. Deshalb habe ich entschieden, für ein paar Monate zu verreisen, wenn hier die Baufahrzeuge auffahren. Dafür habe ich ein bisschen Geld zur Seite gelegt.
Ich gehe nicht davon aus, dass die Geschäfte nach der Umgestaltung besser laufen. Den Leuten ist egal, ob sie über Pflastersteine oder Asphaltkunst gehen. Wenn sie einen Jenny-Ring wollen, dann kommen sie so oder so hierher. Während der Baustelle rechne ich aber schon mit Einbussen. Aber damit kann ich umgehen, ich bin unterschiedliche Phasen gewohnt; mal gibt es Steak und mal Knäckebrot.»