Art Basel: I han es Zundhölzli azündt

In Basel wird der Untergang der Art Basel besungen. Das bringt Aufmerksamkeit, aber ist es auch berechtigt?

Haben wir die noch? Das Licht ist noch an.
Gibt es die noch? Das Licht ist noch an. (Bild: Zach Key/ Unsplash)

Fangen wir mit Mani Matter an, denn gleich wird es noch genug unlustig. Wir kennen das Lied:«I han es Zündhölzli azündt / Und das het e Flamme gäh / Und i ha für d′Zigarette / Welle Füür vom Hölzli näh..»

In Mani Matters Lied geht es um ein brennendes Streichholz, das auf den Teppich fällt und die Auslöschung der Menschheit herbeiführt. Rein hypothetisch, sonst könnte Matter ja nicht davon singen. Und das Streichholz ist auch nicht wirklich ein Streichholz, sondern steht für die Lust daran, banale Situationen so weit zu skandalisieren, dass am Ende die Menschheit auf dem Spiel steht. 

Zurück nach Basel. In den regionalen Zeitungen wabert die Endzeitstimmung. Der Grund: Die Art Basel baut sich in Paris ein viertes Standbein auf. Damit soll die Messe viermal im Jahr in verschiedenen Hotspots der Welt stattfinden: Im März in Hongkong, im Juni in Basel, im Oktober in Paris und im Dezember in Miami Beach. 

Was stimmt nicht an diesem Bild?

Die Antwort scheint auf der Hand zu liegen: Basel? Ein Hotspot? More like a Hot-Not! (Sie entschuldigen den Boomerwitz, der an dieser Stelle aber doch ein bisschen Berechtigung hat.) Wenn jetzt noch Paris in dieses Bouquet illustrer Städte gesteckt wird, wie kann Basel da noch mithalten? Gar nicht, lautet der Schluss der Basler Medien und entsprechend wird getitelt.

 «Aadie Art!» heisst es betont baseldyytsch in den Schlagzeilen der bz Basel, oder auch einfach «Der Art Basel droht das Aus» (BaZ). Die Sprache ist von Art Direktor Marc Spiegler, der in Basel nie so recht ansässig geworden sei (andere Frage: Muss ein international agierender Weltmesse-Direktor das überhaupt?), vom Eigentümer James Murdoch, der mit Lokalcharme nichts anfangen könne. Basel, das Provinznest, hat ausgedient, und damit ist unsere Messestadt endgültig passé, tönt es aus den Lokalredaktionen.

Es dauert nicht lange und die Politik zieht nach. Angefeuert von den medialen Apokalypsenreitern, entschliesst sich die LDP-Grossrätin Catherine Alioth umgehend, eine Interpellation mit besorgten Fragen an den Regierungsrat einzureichen.

Dass solche Töne jetzt kommen, war zu erwarten. Zu steil ist der Pass von der serbelnden Messe (Stichwort Uhren- und Schmuckmesse) zur endgültig toten Messestadt. Es macht Sinn, in diesem Kontext das Missmanagement, mit dem die MCH Group seit Jahren kämpft, zu thematisieren. Aber nur weil das Zundhölzli am Boden liegt, ist da noch lange kein Flammenmeer.

Die Schwarzmalerei, so eindringlich sie betrieben wird, geschieht in erster Linie politisch und medial. Die Galeristen Diego Stampa und Carlo Knöll äusserten sich gegenüber Telebasel beunruhigt, doch wer sich unter Kunstschaffenden umhört, stösst grundsätzlich auf wenig aufgebrachtes Abwarten. So lange jeder Abgesang blosse Spekulation ist, will man sich auch nicht unnötig Sorgen machen. 

Der Standort ist zentral

Man müsse sich vor Augen führen, wie wichtig die Muttermesse für die DNA der Art Basel ist, heisst es von diversen Seiten. Wer Basel jetzt die Konkurrenzfähigkeit abspricht, habe diese Messe nicht begriffen. Die Art Basel ist die älteste internationale Kunstmesse der Welt, sie aus Basel zu entfernen wäre strategisch wenig sinnvoll. 

Denn der Standort ist integraler Bestandteil der Marke: Hier haben die grossen Beyelers die Messe 1968 ins Leben gerufen, hier stiegen die opulenten Parties unter Sam Keller, hier baute Marc Spiegler die traditionelle Warenmesse zum exklusiven Grossereignis aus, das die heutige Expansion erst ermöglicht. Diese Entwicklung gelang nicht zuletzt wegen dieser kleinen Stadt, dessen Faszination für ausschweifende Kunst-Events (man denke an Tinguelys Synchronschwimmerinnen im Fasnachtsbrunnen) den Boden für die wachsende Art Basel legte. 

Basel_Fasnachtsbrunnen_Jean_Tinguely
Synchronschwimmerinnen im Fasnachtsbrunnen: Das ist auch Art. (Bild: Kurt Riedberger https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en)

Es ist unwahrscheinlich, dass Marc Spiegler jener Direktor sein will, der das Flaggschiff an die Wand fährt. Im Gegenteil: Seine Strategie liegt darin, die Marke zu stärken und andere Player vom Markt zu verdrängen. Wie die traditionelle Pariser Messe für Gegenwartskunst Fiac, die nun aus dem Grand Palais weichen muss. 

«Es ist eine Gelegenheit, nochmal auf die Stärken in Basel zu fokussieren» sagte der Verwaltungsrat der MCH-Group Christoph Brutschin am Dienstag bei Telebasel. Oder auch einfach mal einen Gang runterzuschalten. Noch brennt es nirgends. 

Man vermag allerdings auch ein Feuer zu entzünden, wenn man stark genug pustet: Die öffentliche Meinung kann durchaus Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg oder die Strategie eines Unternehmens haben. Vielleicht wäre es für Basel und die Art Basel gesünder, wenn man die Expansion als Chance sieht, statt sich – einmal mehr – von Basels Furcht vor der eigenen Bedeutungslosigkeit antreiben zu lassen und dem Art-Direktor Gründe für einen Abflug quasi auf dem Serviertablett zu präsentieren.

steve-johnson-5MTf9XyVVgM-unsplash
Journalismus ist ein Kulturgut

Werde jetzt Bajour-Member 🤍

Das könnte dich auch interessieren

Investment

Balz Oertli, WAV Recherchekollektiv,Sven Niederhäuser, CORRECTIV Schweiz,Olivier Christe, WAV Recherchekollektiv am 18. Dezember 2024

«Wir investieren mit unserem Ansatz in Firmen, über die sich diskutieren lässt»

Pensionskassen stehen vor einem Dilemma: Sie sollen gewinnbringend investieren, aber angesichts der Klimakrise auf Nachhaltigkeit achten. Die Basellandschaftliche Pensionskasse macht als erste öffentlich-rechtliche Pensionskasse der Schweiz ihre Investitionen frei zugänglich auf ihrer Webseite publik.

Weiterlesen
Drohnenaufnahme vom Dreilaendereck mit dem Hafenbecken 1 des Basler Rheinhafens, unten, und vom Rhein, oben, in Basel, am Mittwoch, 28. August 2024. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)

Michelle Isler am 04. Dezember 2024

«Täglich pendeln unsere Mitarbeitenden über die Grenze»

Ein Abschluss der Verhandlungen zwischen der EU und der Schweiz ist in Sicht. Firmen aus der Region Basel erklären, welche Punkte für sie bei den Bilateralen III besonders wichtig sind – insbesondere mit Blick auf ihre vielen Angestellten aus dem EU-Raum.

Weiterlesen
Hannah_Weinberger vom Basel Social Club ©Avi_Sliman

Helena Krauser,Mathias Balzer, FRIDA am 31. Oktober 2024

Hannah Weinberger – Warum braucht es den Basel Social Club?

Für die neunte Folge des Kulturpodcasts «FRIDA trifft» haben wir Hannah Weinberger auf dem Predigerhof getroffen. Dort findet während der Art der dritte Basel Social Club statt. Ein Gespräch über Kunst, Kommerz und schlaflose Nächte.

Weiterlesen
Isabelle Krieg

Helena Krauser,Mathias Balzer, FRIDA am 31. Oktober 2024

Isabelle Krieg – Was unterscheidet die entspannte Frau von Jesus?

Für die zehnte Folge des Kulturpodcasts «FRIDA trifft» haben wir Isabelle Krieg bei ihrer Einzelausstellung in Altdorf im Haus der Kunst Uri getroffen. Sie hat uns von ihrem langen Weg von der Alp bis in die Kunstwelt erzählt und davon, wie sie trotz Misstrauen gegenüber Akademien Künstlerin geworden ist.

Weiterlesen
Naomi

<a href="https://www.trust-j.org/30009" target="_blank"><img src="https://www.trust-j.org/fileadmin/templates/layout/img/trustj-logo.png" width="150" /></a>

Bei Bajour als: Ideenschleuder, Gaspedal, Podcasterin

Hier weil: keine Lust mehr auf Verlagsbunker

Davor: Kulturredakteurin bei Tageswoche, bz, SRF Kultur

Kann: Zuhören

Kann nicht: Witwen schütteln

Liebt an Basel: Die Gipfeli im Damatti, der Schnaps im goldenen Fass, die Seerosen im Beyeler.

Vermisst in Basel: Einen anständigen Glacéladen. Nein, auch das Acero reicht meinem verwöhnten Berner Gaumen nicht. (Gelateria, zu Hilf!)

Interessensbindungen: Reporterforum (Vereinsmitglied), Medienfrauen Schweiz, Podcastlab Schweiz (Gründermitglied)

Kommentare