In der neuen Kulturwoche saufen wir uns hemmungslos Selbstvertrauen an. Prost!

Die todtraurige Geschichte hinter dem aberwitzigen Film «Drunk» – und was du in Basel sonst noch nicht verpassen darfst.

Mads Mikkelsen im Film «Drunk - Another Round»
Mads Mikkelsen trinkt sich in «Drunk» aus der Midlife-Crisis. (Bild: AP / Samuel Goldwyn Films)

Willkommen zu den Bajour-Kulturtipps #3. Schon gemerkt? Die gibt's jetzt schön sauber jeden Donnerstag, immer mit Blick auf das anstehende Wochenende (und die Tage rundherum).

Während die Kulturstadt Basel also zunehmend aus dem aufgezwungenen Winterschlaf erwacht, checke ich für dich, wo es sich hinzugehen lohnt. Und: Diese Woche kannst du sogar Tickets gewinnen!

Aber wir wollen dich nicht gedankenlos ins Verderben schicken. Darum denke bitte daran:

🧼👏 und 😷⏮️1.5m⏭️😷

Alles klar? Dann los!

Das steht diese Woche auf unserem Kulturzettel:

Kampftrinken mit Mads Mikkelsen🍾

Wie kann ein Film, der so lustig ist, so eine traurige Backstory haben? Thomas Vinterberg, der Regisseur des dänischen Films «Drunk – Another Round», hat vor zwei Wochen den Oscar für den besten internationalen Film gewonnen. Doch beinahe hätte es diesen Film nie gegeben. Denn kurz vor Drehstart kam Vinterbergs 19-jährige Tochter Ida, die im Film die Tochter von Hauptdarsteller Mads Mikkelsen gespielt hätte, bei einem Autounfall ums Leben.

«Mein Leben war zerstört», sagt Vinterberg. Es habe keinen Sinn mehr gemacht, diesen Film zu drehen; es habe aber genauso wenig Sinn gemacht, ihn nicht mehr zu drehen. «Ida hätte das gehasst. Also beschlossen wir, den Film für sie zu machen. Das war der einzige Weg, wie wir damit umgehen konnten.»

«Drunk» spielt am Gymnasium in Kopenhagen, wo Ida zur Schule ging (viele ihrer Klassenkamerad*innen sind im Film zu sehen). Im Mittelpunkt steht Martin (gespielt von Mads Mikkelsen), ein Lehrer mitten in der Midlife-Crisis. Weil seine Schüler*innen ihn genau so wenig ernst nehmen wie seine Ehefrau, brütet er mit drei Lehrer-Kollegen etwas aus, auf das wirklich nur eine Gruppe Männer kommen kann:

Weil eine dubiose Studie behauptet, der Mensch sei mit einem zu geringen Alkoholpegel geboren, beschliesst das Lehrerquartett, dieses Manko nun jeweils vor dem Unterricht, «zwecks Forschung», zu beheben. Prost! Doch weil die Lust, tiefer ins Glas zu blicken, jeden Morgen wächst, steht bald nicht nur das neu gewonnene Selbstvertrauen auf wackeligen Beinen.

Das Beeindruckende am Film ist, dass er das männliche Ego in seine Einzelteile zerlegt, aber gleichzeitig diesen Herren auch viel Empathie entgegenbringt. So kugelt man sich im Kinosaal nicht nur vor Lachen, man fühlt auch mit.

Thomas Vinterberg wollte mit «Drunk» ursprünglich eine Ode an den Rausch schaffen. Nach dem Tod seiner Tochter wurde daraus eine Ode an das Leben.

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Thomas Vinterberg: «Drunk – Another Round»


Ab Donnerstag, 6. Mai, täglich im kult.kino Atelier, und ab Freitag, 7. Mai auch im Pathé Küchlin (allerdings nur auf Deutsch).

Tiere stapeln mit Les Reines Prochaines 🐴🐕🐈🐔

Oper mit Les Reines Prochaines im Theater Basel
Les Reines Prochaines and Friends entern das Theater Basel. (Bild: Judith Schlosser)

Eine Handvoll Aufführungen gab's letzten Herbst, dann kam der Shutdown. Doch jetzt legen Les Reines Prochaines wieder los. Die Kunstperformance-Königinnen bringen zusammen mit Freund*innen aus der Musik- und Performance-Szene die Oper «Alte Tiere hochgestapelt» zurück auf die Grosse Bühne des Theater Basel.

Das Stück ist eine Neuauslegung des Grimmschen Volksmärchens «Die Bremer Stadtmusikanten». Auch hier flieht der todgeweihte Esel zusammen mit Hund, Katze und Huhn durch einen Wald in die grosse Stadt, um sich vor der Leibeigenschaft zu befreien. Les Reines Prochaines stellen sich nun in ihrer unnachahmlich verspielten Art vor, was die tierische Musikkapelle in diesem Wald der tausend Möglichkeiten alles erlebt haben könnte.

Die Programmankündigung verspricht unter anderem eine «singende Säge» (hä?) und eine «schlafwandlerische Erkenntnismaschine» (hä??).

Bist du genau so gespannt wie wir? Dann klicke auf diesen Link und gewinne 🍀 mit etwas Glück 🍀 1x2 Tickets für die Vorstellung von «Alte Tiere hochgestapelt» am Donnerstag, 6. Mai, um 19.30 Uhr. (Teilnahmeschluss: 6. Mai, 15.45 Uhr.)

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«Alte Tiere hochgestapelt»


6.5., 20.5., 22.5., 28.5., 8.6., 9.6., 25.6., Theater Basel, Grosse Bühne.




Tanzen mit allen oder alleine 💃🏽

Tanzen, weiss ich vom Hörensagen, tut man am besten gemeinsam. Während der Pandemie: schwierig bis unmöglich. Aber irgendwie geht immer, und manchmal auch sehr kreativ. Schau dir nur mal das Video oben an. Drei Tänzer*innen, die sich nicht kennen, verbunden durch eine Choreografie. «Alone Together» heisst dieses Tanzvideo, das ab dem 6. Mai auch im Schaufenster des Kulturbüros läuft.

Denn am 6. Mai startet das Tanzfest Basel, das 2020 noch corona-bedingt ausfallen musste. Dieses Jahr findet das Tanzfest wieder statt, nicht nur digital, sondern unter Einhaltung der Schutzmassnahmen auch an verschiedenen Orten in der Stadt, physisch und hybrid.

Der Choreograf Gilles Jobin beispielsweise lässt dich mit seiner App «Dance Trail» per Augmented Reality (ja, so wie vor ein paar Jahren mit der Pokémon-App) virtuelle Tänzer*innen in die Stadt holen. Und wer selber das Bein schwingen will, kann sich für einen Tanzschnupperkurs auf der Claramatte anmelden.

Das vollständige Programm findet sich hier.

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6. Tanzfest Basel


6. bis 17. Mai, diverse Orte Basel und Birsfelden

Freiheitskampf mit Siedlerinnen ✊

Shengal – Die Kraft der Frauen
Die Jesidinnen wurden vom IS versklavt. Heute kämpfen sie für Demokratie und Selbstermächtigung.

Sindschar, auch als Schingal bekannt, ist ein hochumstrittenes Gebiet im Norden des Iraks. Die Bewohner*innen gehören der ethnisch-religiösen Minderheit der Jesid*innen an, an der Kämpfer*innen des Islamischen Staates (IS) in den Jahren 2014 und 2015 einen Völkermord verübt haben. Ende 2015 gelang es kurdischen Streitkräften, den IS aus Sindschar zu vertreiben. Seither erhebt neben der irakischen Zentralregierung auch die Autonome Region Kurdistan Anspruch auf das Gebiet.

Mitten in diesem Spannungsfeld kämpfen Jesidinnen seither für den Aufbau einer basisdemokratischen Gesellschaft. Auf der Volksbühne Basel erzählen diese Frauen nun im Rahmen des Theaterabends «Shengal – Die Kraft der Frauen» von ihrem Schmerz, ihrer Hoffnung und ihrem Ringen um Selbstermächtigung.

Entwickelt wurde das Stück von der Basler Regisseurin Anina Jendreyko, die die Region Sindschar seit dem Abzug des IS mehrfach besucht hat.

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«Shengal – Die Kraft der Frauen»


ab 12. Mai, Volksbühne Basel, Druckereihalle/Ackermannshof.

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Lory Roebuck

Bei Bajour als: kultureller Mitdenker und flexibel einsetzbarer Schreiber

Hier weil: bei Bajour ein solidarisches Team arbeitet, und keine Ansammlung von Einzelkämpfern*innen

Davor: Redaktor und Moderator im NZZ Feuilleton und bei SRF Kultur, stv. Ressortleiter Kultur bei CH Media.

Kann: fünfeinhalbstündige Schwarzweissfilme zu Ende schauen – klaglos

Kann nicht: den Frühling ganz ohne Heuschnupfenanfälle geniessen

Liebt an Basel: den Hefekranz im Gilgen, die Auftaktmusik im kult.kino, den Indoor-Spielplatz im Dreikäsehoch

Vermisst in Basel: Berge

Interessensbindungen: Mitglied im Schweizerischen Verband der Filmjournalistinnen und Filmjournalisten (SVFJ)

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