«Ich würde für ein Amt kandidieren»
Über ein Drittel der Basler Bevölkerung kann bei den Wahlen nicht mitbestimmen. Die Kurdin Gülistan Savgat ist motiviert, sich in die Politik einzubringen – sofern die Schweiz ihr die Chance geben würde.
Gülistan Savgat kommt mit dem Fahrrad angedüst, sie hat noch Milch für den Kaffee gekauft. An ihrem Küchentisch in einer Grossbasler Altbauwohnung erzählt die 42-Jährige von ihrem Verhältnis zur Schweiz. «Als Kurdin ist man ja heimatlos, aber meine jetzige Heimat ist die Schweiz», sagt sie. Seit 14 Jahren lebt sie in Basel, vor kurzem hat sie sich beruflich selbständig gemacht und arbeitet nun als Familienbegleiterin, zum Beispiel für die KESB, wo sie Familien in schwierigen Situationen berät.
«Wähl mich!», ruft es derzeit überall: Der Öffentliche Raum ist geprägt von Plakaten und Flyer-Verteilaktionen, die die Wähler*innen zum Handeln aufrufen. 37 Prozent der Basler Bevölkerung kann sich in diesem Diskurs kaum einbringen: die Ausländer*innen. Auch wenn sie schon lange in der Schweiz wohnen, dürfen sie mit Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung nicht mitbestimmen, wer sie in Bundesbern vertreten soll. Auch bei Abstimmungen bleiben sie aussen vor.
Die Porträtserie ist ein Versuch, auch ihnen einen Platz im öffentlichen Diskurs rund um die Wahlen zu geben. Heute ist Gülistan Savgat dran, die sofort für ein politisches Amt kandidieren würde.
Die längste Zeit ihres Lebens hat Savgat in Deutschland verbracht – unfreiwillig, muss man sagen. Als sie noch ein Kind war, musste ihre Familie aus dem Südosten der Türkei flüchten. Savgat ist Kurdin und ihre Familie gehört ausserdem der ethnischen Minderheit der Jesid*innen an, die bis heute verfolgt werden.
«In Deutschland wurden wir deshalb sofort aufgenommen», erzählt sie. Mit Ende 20 führte ihr Weg dann wegen einer Freundin in die Schweiz. Savgat gefiel das Land, hier wollte sie bleiben. «Deshalb bin ich jetzt viele Dinge: Ich bin Deutsche, ich bin Kurdin, Jesidin und fühle mich auch als Baslerin.» Als Kurdin aufzuwachsen, habe sie schon früh politisiert, erklärt Savgat. «Im Alter von fünf Jahren bin ich schon mit meinen Eltern auf Demonstrationen mitgelaufen», erinnert sie sich.
Wer als Ausländer*in in die Schweiz kommt, erhält je nach Staatsangehörigkeit, Dauer und Grund des Aufenthalts eine andere Bewilligung:
- Ausweis B (Aufenthaltsbewilligung): Mit einer Aufenthaltsbewilligung dürfen Ausländer*innen sich zu einem bestimmten Zweck (z.B. Arbeit, Familie) längerfristig in der Schweiz aufhalten.
- Ausweis C (Niederlassungsbewilligung): Nach 5–10 Jahren ununterbrochenem Aufenthalt können Ausländer*innen unter Erfüllung bestimmter Kriterien (z.B. keine Schulden, Sprachkenntnisse) eine Niederlassungsbewilligung für einen unbeschränkten Aufenthalt beantragen.
- Ausweis F (vorläufig aufgenommene Ausländer*innen): Eine vorläufige Aufnahme erhalten die Personen, die eigentlich aus der Schweiz weggewiesen wurden, deren Wegweisung aber aus bestimmten Gründen unzulässig oder unzumutbar ist.
- Ausweis N (Asylsuchende): Der N-Ausweis gilt als Bestätigung, dass eine Person ein Asylgesuch in der Schweiz gestellt hat und auf einen Asylentscheid wartet.
Drei Fragen an Gülistan Savgat
Würdest du gerne politisch mitbestimmen können?
«Ja, auf jeden Fall. Ich bin Mitglied in der BastA! und wenn ich den Schweizer Pass habe, würde ich auch für ein Amt kandidieren – vor allem wegen dem Migrationsthema. Da läuft meiner Meinung nach einfach so vieles falsch und ich bin so machtlos.»
Fühlst du dich von den Politiker*innen vertreten?
«Von der BastA! und der Nationalrätin Sibel Arslan fühle ich mich schon vertreten. Ich vertraue ihr, dass sie schwierige Themen aufnimmt und sich mutig durchsetzt. Das finde ich toll. Auch die SP und zum Beispiel Fabian Molina tun viel im Bereich Migration, auch für kurdische Flüchtlinge in der Schweiz. Zum andern vermisse ich eine Vertretung, wenn ich mit Klient*innen rede, die aus dem Asylheim kommen. Wenn ich von den Zuständen dort höre, frage ich mich: Gehen Politiker da überhaupt hin?»
Was würdest du konkret ändern?
«Ich arbeite als psychosoziale Beraterin und zu mir kommen sehr viele Klienten mit N-Ausweis, die auf einen Asylbescheid warten. Leider dürfen sie aber nicht arbeiten und so geraten sie in eine schwierige Situation und leiden oft an Depressionen. Ich finde es schade, dass man sie zwar aufnimmt und sie hier behält, ihnen aber keine Möglichkeit gibt, zu arbeiten. So entstehen meines Erachtens Mehrkosten, weil der Staat dann für die Gesundheitskosten sehr viel bezahlen muss, den Menschen aber keine Ausbildung ermöglicht wird. Ich wünsche mir eine faire Politik, die den Ausländer*innen eine Chance auf eine Ausbildung oder eine Arbeit gibt und ihnen so ein zufriedenes Leben ermöglicht.»
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