«Die Liste ist wichtig für aufstrebende Künstler*innen»

Die Basler Künstlerin Renée Levi hat bereits im Jahr 2001 an der Art Basel Unlimited ausgestellt. Bajour trifft sie an der Liste, an der diese Woche zwei ihrer Galeristen vertreten sind.

Renée Levi Art Basel Marcel Schmid
Renée Levi und ihr Partner Marcel Schmid an der Liste in Halle 1.1 (Bild: Valerie Wendenburg)

Etwas abseits der Messe hinter der Halle 1 befindet sich die Liste. Sie gilt als die sogenannte «internationale Entdeckermesse für zeitgenössische Kunst». Bis vor drei Jahren fand sie im Werkraum Warteck statt und ist nun näher ans grosse Messegeschehen gerückt. Vor dem Eingang wartet Renée Levi. Die international bekannte Basler Künstlerin ist vielen Menschen auch aufgrund ihrer Kunstwerke, die Ramstein Optik in ihren Schaufenstern und auf Plakaten in der Stadt zeigt, bekannt. 

Renée Levi
Renée Levi

Die Basler Künstlerin Renée Levi wurde 1960 in Istanbul geboren. Zusammen mit ihrer Familie immigrierte sie in die Schweiz. Levi studierte Architektur in Basel und arbeitete bei Herzog & de Meuron. Anschliessend studierte sie Bildende Kunst an der Zürcher Hochschule der Künste. Nach Atelierstipendien in Paris und Berlin war sie von 1999 bis 2000 Gastprofessorin an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe und von 2001 bis 2022 Professorin für Bildende Kunst und Malerei an der Hochschule für Gestaltung und Kunst (FNHW) Basel. Als die Schweiz 2023 das 175-Jahr-Jubiläum der Bundesverfassung feierte, erhielt das Bundeshaus ein neues Kunstwerk vom Studio Renée Levi mit dem Titel «Tilo» – benannt nach der ersten Person-of-Color-Nationalrätin der Schweiz, Tilo Frey. 2024 wird sie im Rahmen der Art Basel am Basel Social Club ausgestellt.

An der Liste besucht sie kurz nach der Eröffnung zwei Galeristen, mit denen sie schon seit Jahren zusammenarbeitet. Zuerst geht sie auf die Galerie Öktem Aykut zu, deren Inhaber Doğa Öktem aus Istanbul zur Art gereist ist. Dort angekommen, zeigt Levi stolz auf das Werk des Schweizer Künstlers Dorian Sari, der bei ihr an der Hochschule für Gestaltung und Kunst der Fachhochschule Nordwestschweiz (das heute Institute Art Gender Nature heisst) studiert hatte.


2020 wurde Sari mit dem Manor Kunstpreis ausgezeichnet. Levi hat Doğa Öktem auf ihren ehemaligen Schüler aufmerksam gemacht. Levi, 64, findet, sie sei «mittlerweile zu alt, um hier auszustellen». «Die Liste ist wichtig für aufstrebende Künstler*innen.»

Renée Levi Art Basel
An der Liste trifft Renée Levi Doğa Öktem und Alara Genc von der Galerie Öktem Aykut aus Istanbul. (Bild: Valerie Wendenburg)

Renée Levi stammt aus Istanbul, und auch wenn sie seit mehr als 40 Jahren in der Schweiz lebt, freut sich sich besonders über die Zusammenarbeit mit dem Galeristen Doğa Öktem. Seine Galerie ist ein Hingucker an der Liste, denn die Werke von Dorian Sari sind raumgreifend, wie Bäume in einem Wald sind sie in der Galerie auf engem Raum ausgestellt. Er beschäftigt sich in seiner Kunst vor allem mit dem Klimawandel. 

Mit Levi über die Liste zu laufen und mit ihr dabei über die Messe zu sprechen, ist gar nicht so einfach, weil sie alle paar Meter Bekannte trifft. Es ist zu spüren: Die Art ist auch ein Sehen und Gesehenwerden, ein grosses Netzwerken für die Kunstszene. Und Levi vernetzt gerne Menschen. Sie hat ihrem Galeristen Doğa Öktem nicht nur die Kunst von Dorian Sari empfohlen, sondern ihn auch mit ihrem Zürcher Galeristen Philipp Zollinger bekannt gemacht. Er ist mit der US-amerikanischen Künstlerin Emma McMillan und ihren grossformatigen Gemälden an der Liste vertreten. Auf ihren Bildern sind Zikaden in verschiedenen Konstellationen und Farben zu sehen.

Renée Levi Art Basel Philipp Zollinger
Die Künstlerin mit ihrem Zürcher Galeristen Philipp Zollinger. (Bild: Valerie Wendenburg)

Levi ist dieses Jahr nicht an der Art Basel, sondern im Basel Social Club ausgestellt. Ihre beiden Galeristen Doğa Öktem und Philipp Zollinger haben kollaboriert und stellen Levis Werk gemeinsam in Bottmingen aus. Im Baselbiet zwischen Kuhweiden und Getreidefeldern sind Levis Bilder «Babra 2» und «Babra 3» noch bis zum 16. Juni zu sehen. «Meine Kunst ist aufgrund ihrer Grösse oft gar nicht so leicht zu zeigen und dieser landwirtschaftliche Raum bietet sich wunderbar an», sagt die Künstlerin. Sie ist sichtlich erfreut darüber, ihre Kunst im Rahmen der Art zeigen zu können und auch ihre Schüler*innen ausgestellt zu sehen. 

Bereits als jüngere Künstlerin wurde Levi von der Basler Galerie Gisèle Linder an der Art Basel ausgestellt. Und so freut sie sich jedes Jahr auf die Kunstmesse: «Basel vibriert in dieser Woche.» Denn es findet ja nicht nur die Art Basel statt; andere Messen wie auch die Liste laufen parallel.

Levi sitzt mittlerweile an einem Tisch mitten in Halle 1.1, blickt durch den Raum und sagt: «Für mich steht die Art Basel für Lebendigkeit, die viele Menschen aus aller Welt vereint. Die Halle 2 mit dem Rundhof, in dem sich die Leute treffen, finde ich einen architektonisch sehr gelungenen und menschlich sehr wertvollen Treffpunkt. Ich finde super, dass während der Art so viele Menschen, die bildende Kunst machen, vermitteln oder sammeln, zusammenkommen.» 

Renée Levi Basel Social Club
Renée Levis Werke «Babra 2» und «Babra 3» im Basel Social Club. (Bild: Valerie Wendenburg)

Renée Levi liegt die Zusammenarbeit mit der Galerie Öktemaykut sehr am Herzen. Levi, deren jüdische Familie im Anschluss an das Pogrom gegen die Nichtmuslime in Istanbul im September 1955 in die Schweiz auswanderte, erzählt, sie sei sich in der Türkei später oft «wie ein Fremdkörper» vorgekommen. «Durch die Zusammenarbeit mit Doğa Öktem habe ich nun wieder einen anderen, kunstaffinen Zugang zu meinem Heimatland bekommen.»

Mitten im Gespräch stösst Marcel Schmid, Levis Partner, dazu. Die beiden arbeiten seit Jahren in ihrem Basler Studio auf dem Wolf zusammen. «Wir haben seit 1989 gemeinsam ein Atelier», so Schmid, der früher als Grafiker gearbeitet hat. Bis die gemeinsame Tochter zur Welt kam. «Marcel ist damals daheim geblieben und ich habe als Künstlerin weitergearbeitet. Er hat mich immer unterstützt und war sozusagen im Backup tätig. Wir haben die Rollen schon früh anders verteilt, als es vielleicht damals üblich war», sagt Levi. Und sie betont, dass es ihr ohne ihren Mann kaum gelungen wäre, an der Hochschule zu lehren und parallel dazu Ausstellungen auf die Beine zu stellen.» Sie sagt: «Wir ergänzen uns sehr gut.» Er sagt: «Ich mache den Vorspann und den Abspann. Konkret baue ich das Atelier und spanne die Rahmen. Renée zeichnet und malt und anschliessend organisiere ich die Ausstellungen.» 

Liste Art Basel
Die Liste der Art Basel zieht auch ein jüngeres Publikum an. (Bild: Valerie Wendenburg)

Es klingt alles fast zu harmonisch, dann aber schmunzeln beide und sagen: «Wir streiten natürlich auch sehr viel, das gehört auch zu so einem Prozess.» Während sie davon erzählt, dass es ihr manchmal schwerfällt, wenn er noch etwas an einem Bild auszusetzen hat, in das sie sich bereits verliebt hat, blickt er auf die Uhr: «Es ist Zeit». Das Teamwork funktioniert. Die beiden haben noch viel vor diese Woche an der Art. Was Renée Levi sich am meisten wünscht? «Erfolg für die jungen Basler Künstlerinnen und Künstler, die ich einst unterrichtet habe. Das ist für mich die grösste Bestätigung.»  

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Valerie Wendenburg

Nach dem Studium, freier Mitarbeit bei der Berliner Morgenpost und einem Radio-Volontariat hat es Valerie 2002 nach Basel gezogen. Sie schreibt seit fast 20 Jahren für das Jüdische Wochenmagazins tachles und hat zwischenzeitlich einen Abstecher in die Kommunikation zur Gemeinde Bottmingen und terre des hommes schweiz gemacht. Aus Liebe zum Journalismus ist sie voll in die Branche zurückgekehrt und seit September 2023 Senior-Redaktorin bei Bajour. Im Basel Briefing sorgt sie mit ihrem «Buchclübli mit Vali» dafür, dass der Community (und ihr selbst) der Lesestoff nicht ausgeht.

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