Unterwegs mit dem «Sprützewäspi»

Momentan häufen sich die Meldungen zur Basler Drogenszene. Die Probleme sind aber nicht neu und es gibt bereits Massnahmen zur Verbesserung der Situation. Wir konnten «Sprützewäspi»-Fahrer Urs Hofer bei seiner Aufräum-Tour auf dem Matthäusplatz begleiten.

Urs Hofer
Urs Hofer mit seinen Arbeitsutensilien. (Bild: Jeanne Wenger)

An diesem Spätsommermorgen geht gerade die Sonne auf, nur vereinzelt sind Menschen auf den Basler Strassen rund um die Matthäuskirche unterwegs. Punkt 7.00 Uhr fährt ein schwarzes Auto vor, daraus steigt Urs Hofer, ausgerüstet mit Leuchtweste, Sammelbehälter und Greifzange. 

Urs Hofer ist Fahrer beim «Sprützewäspi», einer Organisation der Suchthilfe Region Basel. Heute Morgen begleiten wir ihn auf seiner Tour rund um die Kirche. Von Dienstag bis Sonntag ist Hofer täglich unterwegs und räumt die Hinterlassenschaften des «Klientels» weg, wie sie Hofer nennt. Er weiss ganz genau, welche Plätze bei den Drogenkonsument*innen in der Nacht beliebt sind und wo Gefahren wie Spritzen oder Scherben für Kinder lauern könnten. 

Wir starten auf der linken Seite der Matthäuskirche auf Höhe des Bläsischulhauses. Zuerst die eine Bank-Reihe rauf, danach die gegenüberliegende runter. Anfangs scheint es so, als ob nicht viel zum Wegräumen herumliegt. Mal ein Papierchen da, die Reste eines Joints hier, dort vereinzelte Plastiksäckchen und hin und wieder auch eine leere Bierdose oder Petflasche. Momentan sei es wieder etwas ordentlicher als auch schon, weil erst gerade «Mittler» unterwegs waren, wie Hofer erzählt. 

«Sprützewäspi» & «Mittler*innen»

Sprützewäspi-Fahrer der Suchthilfe Region Basel entfernen gebrauchtes Spritzenmaterial im öffentlichen Raum, entsorgen dieses fachgerecht und sind täglich zwischen 7 und 11 Uhr in Basel an Drogen-Hotspots unterwegs. Sie machen Kontrolltouren und leeren Spritzenkübel im öffentlichen Raum. Über eine Gratis-Hotline (0800 88 21 52) nehmen sie Meldungen entgegen, um allenfalls Spritzenfunde aus privaten Arealen fachgerecht entsorgen zu können.

Mittler*innen sind Fachpersonen des Kantons, die im öffentlichen Raum suchtmittelabhängige Personen im Umfeld der Kontakt- und Anlaufstellen (K&A) oder an Treffpunkten im öffentlichen Raum aufsuchen. Sie sind Ansprechpersonen für alle in den betroffenen Gebieten und fördern den Dialog.

Hofer weiss, dass die Anwohner*innen wegen Lärm, aber auch Abfall reklamieren und er hat Verständnis dafür: «Wir sagen den Klienten auch, dass sie sich nicht auf dem Spielplatz aufhalten sollen, weil vor allem dort Kinder spielen.» Die Zustände seien früher schlimmer gewesen, weil Nadeln im Sandkasten vergraben wurden, erzählt Hofer. Durch Gespräche der Mittler*innen und der Polizei wurde dies besser. Das Lärmproblem sei primär im Sommer akut, da die Menschen im Winter Unterschlupf im Warmen suchen und beispielsweise in Keller einsteigen, meint Hofer weiter.

Sprützewäspi_WC
Das Gratis-WC ist jeweils am Morgen ziemlich verdreckt. (Bild: Jeanne Wenger)

Beim Matthäusplatz gibt es an diesem Morgen vor allem zwei Hotspots: Der erste ist die Gratis-Toilette. Obwohl sich das WC selbst reinigt, liegen viele Taschentücher, Plastiksäcke und Zigarettenstummel auf dem Boden. Im Waschbecken schwimmt etwas Undefinierbares, Spritzen finden wir hier keine. Für Hofer sei dieser Anblick nichts Ungewöhnliches, wie er festhält. Seit über 20 Jahren mache er den Beruf und da sei man sich einiges gewohnt. 

Das WC-Häuschen sei ein beliebter Ort für die Konsument*innen, weil es Schutz bietet und fliessendes Wasser hat – dies brauche das Klientel nämlich, weiss Hofer. Eine Toilette gegen Gebühr wäre laut Hofer vielleicht hilfreich, damit sich die Klienten nicht mehr hier aufhalten, aber sicher ist er sich nicht.

Sprützewäspi_Abfall
Die Öffnung ist extra klein, damit nur Spritzen rein passen und nichts rausgeholt werden kann. (Bild: Jeanne Wenger)

Gleich vor dem Häuschen ist ein Abfallkübel installiert, der extra für die Spritzen und Nadelentsorgung gedacht ist. Ein zweiter befindet sich auf der gegenüberliegenden Seite. Auch an anderen Orten sind solche Kübel mit kleinem Öffnungsloch installiert, Hofer kümmert sich ebenfalls um deren Leerung.

Ist der Umgang mit gebrauchten Nadeln und Konsument*innen nicht auch gefährlich? Angst hatte Hofer nie, aber vor allem zu Beginn begleiteten ihn gewisse «Unsicherheiten», wie er sagt. «Ich wurde schon von den Klienten angegangen und konnte ihren Müll nicht mitnehmen, aber mit der Zeit habe ich gelernt, wie ich mit solchen Situationen umgehen muss», erzählt Hofer. Er musste auch schon die Polizei rufen. Aber am besten sei es, die Leute einfach in Ruhe zu lassen, sobald sie nervös werden und die Sachen später wegzuräumen.

In seiner gesamten Zeit als «Sprützewäspi»-Fahrer habe sich Hofer noch nie verletzt. «Ich bin sehr vorsichtig und fasse nichts mit den Händen an», meint er. Und weiter: «Krank war ich übrigens auch noch nie!»

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Urs Hofer und die Stadtgärtnerei räumen gemeinsam auf. (Bild: Jeanne Wenger)

Die Arbeit sei für ihn ein «super Job». Aufgrund einer Diskushernie konnte er seinem vorherigen Beruf nicht mehr nachgehen. Durch ein Zeitungsinserat der Suchthilfe sei er auf die Stelle aufmerksam geworden und das passte perfekt: «Ich kann mich bewegen, aber muss nicht schwer heben und trage zur Sauberkeit bei», so Hofer. Er fände es auch gut, wenn weniger Abfall herumliegen würde, vor allem der Umwelt zuliebe, aber wenn gar nichts mehr wegzuräumen wäre, dann hätte Hofer nichts mehr zu tun und das sei für ihn auch nicht ideal.

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Und tatsächlich findet Urs Hofer noch Spritzen. (Bild: Jeanne Wenger)

Der zweite Hotspot sind die Gruppensitzbänke beim Spielplatz: Hier finden wir zwei gebrauchte Nadeln und eine Rasierklinge. Rund um und auf den Tischen liegt viel Müll, die Stadtgärtnerei kümmert sich gerade darum. Hofer packt die Spritzen und den restlichen Drogen-Abfall ein, die zwei Männer von der Stadtgärtnerei den Rest. Auch sie kennen sich damit aus und reinigen unter der Woche den Platz. In dem Moment kommt eine Mittlerin vorbei und fragt Hofer nach dem heutigen Stand.

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Sobald die Behälter zu sind, können sie nicht mehr geöffnet werden. (Bild: Jeanne Wenger)

«Zusammenfassend war der Morgen recht normal», meint Hofer. Sein Sammelbehälter ist nach der halben Stunde, die wir gemeinsam auf dem Areal verbracht haben, fast voll. Im Auto befinden sich noch zwei weitere, einer davon ist auch schon gefüllt. Hofer bringt den Sondermüll in ein Lager, von dort wird er abgeholt und direkt in die Verbrennung gebracht. 

Hofer ist sich nicht sicher, wie die Situation im Quartier besser werden könnte und appelliert an beide Seiten: «Es sollte sich etwas ändern, und dazu muss man aufeinander zugehen und miteinander sprechen. Eine offene Drogenszene können wir nicht akzeptieren, Kinder sollten nicht auf dem Schulweg damit konfrontiert werden.»

Sprützewäspi_Auto
Das Sprützewäspi-Mobil ist noch nicht angeschrieben, da es ganz neu ist. (Bild: Jeanne Wenger)

Heute hat Hofer mit uns im Schlepptau sicher etwas länger gebraucht als sonst. Mittlerweile ist es hell, die Schulkinder trudeln langsam ein. Hofer weiss, dank ihm und anderen werden sie vor dem gröbsten Müll verschont. Nach getaner Arbeit flitzt er mit seinem schwarzen «Sprützewäspi-Mobil» davon, fertig ist er aber noch nicht: Andere Plätze müssen aufgeräumt werden und dann warten noch die Hinweise von besorgten Bewohner*innen.

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