Eine Nacht als Retterin?

In Basel findet zum ersten Mal eine gemeinsame Clubnacht statt. Dabei soll nicht nur gefeiert, sondern auch reflektiert und optimiert werden – warum das nötig ist und wo es hapert.

Clubnacht Vorbericht
Feiern für die Vernetzung. (Bild: Adobe)

In der letzten Nacht im Januar wird in Basel ordentlich gefeiert – so zumindest der Plan. Elf Veranstalter*innen haben sich zusammengeschlossen, um gemeinsam die «erste Basler Clubnacht» zu feiern, organisiert vom Verein für Kultur und Gastronomie. Mit nur einem Ticket können gleich elf Clubs besucht werden – Hopping programmiert. Auf der Suche nach dem besten Sound und den coolsten Leuten durch die Stadt radeln und am Ende mehr Zeit zwischen als in den Clubs verbringen? Da klingelt doch was. Mit einem ähnlichen Konzept war vor Jahrzehnten das BScene angetreten. Nach einigem Trial and Error sind die Veranstalter*innen mittlerweile von der Clubfestival-Idee abgekommen und konzentrieren sich auf das Kasernenareal. Für das laufende Jahr hat das BScene gar eine Pause angekündigt.

Ist die Basler Clubnacht tatsächlich ein Revival des alten BScene-Konzepts? Was will sie, was kann sie, was soll sie? Und unter welchen Bedingungen wurde sie ins Leben gerufen?

Wir haben uns in der Clubszene umgehört.

Roy Bula
Dass elf Clubs zusammen an der Clubnacht teilnehmen, ist ein erster, erfreulicher Meilenstein.
Roy Bula, Nachtmanager

Nachtmanager Roy Bula erklärt die Idee: «Mit dem Clubhopping durch die elf Clubs wünschen wir uns, dass viele Besucher*innen nebst ihren angestammten Lieblingsclubs auch ganz viele neue Clubs und Genres für sich entdecken.» Also eine Anregung, aus den Ausgangs-Routinen auszubrechen, sich treiben zu lassen – ohne dabei immer wieder aufs Neue ins Portemonnaie greifen zu müssen. Die hohen Kosten nämlich scheinen oft eine Tanzblockade bei den Basler Feiernden auszulösen; aber dazu später mehr. 

Anders als beim BScene ist die Veranstaltung nicht gemeinsam kuratiert. Jeder Club macht sein eigenes Programm.

Neben dieser ersten Ebene, die vor allem die Perspektive des Publikums beschreibt, gibt es noch eine zweite: Die Vernetzung zwischen den Clubs. Diese sei bereits seit einer Weile ein gemeinsamer Wunsch der Club-Schaffenden. Es gebe zwar schon monatliche Roundtables und Workshops, wo reger Austausch stattfinde, aber «dass nun elf Clubs zusammen an der Clubnacht teilnehmen, ist ein erster, erfreulicher Meilenstein dieser Vernetzung», so Bula. Und weil die Basler Clubnacht eben nicht nur zum Feiern, sondern auch zum Reflektieren und Planen da ist, gibt es fürs interessierte Publikum auch Workshops mit Branchenvertreter*innen und ein öffentliches, kostenloses Panel zur Entwicklung der Clubkultur.

KG-Vorstand
Der Verein Kultur und Gastronomie organisiert die Clubnacht. Links im Bild Jean Marc-Lüthy von der Kuppel, ganz rechts im Bild Marco Schmutz von der Kaschemme. (Bild: zVg)

Eine Clubnacht also, die die Kräfte der Branche bündeln will. Sie feiert Premiere in einer Zeit, in der einige Clubs in Basel das erste Mal Fördergelder erhalten haben, während sich andere darüber beschwerten, leer auszugehen. Zudem gaben Sommercasino und Humbug erst kürzlich ihre Schliessung bekannt. Ist die Ausgangslage für Clubs zurzeit derart schlecht?

Steigende Kosten, sinkender Konsum

Aus der Szene heisst es: «Es ist herausfordernd.» Von «Clubsterben» möchte allerdings niemand sprechen. «Die Gesellschaft befindet sich in einem Wandel – doch dies ist nicht der erste Wandel. Klar gibt es herausfordernde Entwicklungen, doch die sind nicht nur in der Clubbranche spürbar. Von einem generellen Clubsterben kann demnach nicht die Rede sein», sagt Bula. Auch Jean-Marc Lüthy, Geschäftsleiter der Kuppel, findet den Ausdruck übertrieben. «Das klingt nach Massensterben, und das ist zahlenmässig nicht der Fall. Ausserdem sind ja auch wieder neue Clubs entstanden, wie zum Beispiel die Kuppel.» Er betont aber, dass es starke Veränderungen im Ausgehverhalten gab. «Ich habe den Eindruck, junge Leute gehen lieber zu grossen Shows als zu kleinen Nischenevents. Ausserdem ist es fast günstiger, zu einem Konzert nach Amsterdam zu reisen, als mit dem Taxi von Muttenz in die Stadt zu fahren.» Und ohnehin seien die Kosten in allen Bereichen sehr gestiegen, weshalb für Kultur nur noch wenig übrig bleibe.

Das merkt auch Lukas Stadler vom Hirschi. «Man kann nicht leugnen, dass die Clubs im deutschsprachigen Raum Mühe haben, sich über Wasser zu halten. Die Besucher*innenzahl und der Alkoholkonsum gehen runter.» Die Fördergelder seien ein guter Ansatz, aber alle würden sich fragen: Wie kriegen wir mehr Besucher*innen in die Clubs? «Ich wünschte, ich hätte eine Antwort», sagt er. Auch Patrick Wermelinger, Geschäftsführer im Renée, berichtet, dass weniger Alkohol konsumiert werde und sich der Umsatz generell seit Corona noch nicht erholt habe. 

Unverbindliches Publikum?

Erschwerend komme für die Konzertplanung hinzu, dass der Vorverkauf oft spät oder seltener beansprucht werde, erklärt Nachtmanager Bula. «Um einen Konzertabend erfolgreich durchzuführen, wäre es wichtig für die Clubs, dass Tickets bereits im Vorfeld gekauft werden und nicht erst spontan an der Abendkasse.» Wenn der Vorverkauf nicht gut laufe, würden die Veranstaltenden gewisse Shows aus Kostengründen voreilig absagen, obwohl an der Abendkasse vielleicht noch viele Tickets verkauft worden wären.

Jean-Marc Lüthy
In Basel gibt es zahlreiche Clubbetreiber*innen, die sich selbst nur einen sehr kleinen Lohn auszahlen.
Jean-Marc Lüthy, Geschäftsführer in der Kuppel

Ist die jüngere Generation seit Corona «ausgehfaul» und noch unverbindlicher geworden? «Es kann gut sein, dass junge Menschen, die während der Pandemie erwachsen wurden, erst gar nicht das Bedürfnis entwickelt haben, in Clubs und an Konzerte zu gehen», sagt Lüthy von der Kuppel.

Um den steigenden Kosten und dem ausbleibenden Publikum entgegenzuwirken, können Clubs mehr kommerzielle Veranstaltungen anbieten und so die alternativen Events querfinanzieren. Einige Clubs machen das sehr erfolgreich, so zum Beispiel das Nordstern – so erfolgreich sogar, dass der Betrieb finanziell zu gut dasteht, um Gelder von der Clubförderung zu erhalten. Aber in Basel möchten das nicht alle so handhaben. Manche Betreiber*innen möchten bewusst nischig bleiben und nicht die grossen Massen ansprechen. So zum Beispiel die Kaschemme. Clubbetreiber Marco Schmutz berichtet: «Nischenkultur ist immer schwierig. Wenn man keinen Kommerz machen will, ist es eine Gratwanderung.» Deshalb seien die Fördergelder wichtig. Denn ohne diese laufe es oft auf Selbstausbeutung hinaus. Und davon kann die Kulturszene eine Ballade singen.

Clubarbeit gleich Gratisarbeit?

Wobei: In Zürich, wo hin und wieder auch Clubs sterben, spricht Isi von Walterkirchen, die Leiterin des Clubbüros der Roten Fabrik und Zürcher Partyikone, darüber, dass sich die Szene professionalisiert habe und die Jüngeren ein starkes Bewusstsein für «andere Lebensrealitäten» hätten: «Man will Löhne zahlen.» 

Hat die Clubszene also keine Lust mehr auf Ehrenamt aka Gratisarbeit und steht deshalb finanziell schlecht da? Das könne man nicht behaupten, findet Lüthy. In Basel gebe es zahlreiche Clubbetreiber*innen, die sich selbst nur einen sehr kleinen Lohn auszahlen, damit sie über die Runden kommen. Alles beim Alten also. Man wolle das Publikum aber unbedingt dafür sensibilisieren, dass der Betrieb eines Clubs mit sehr viel Aufwand und Kosten verbunden ist. Deshalb werde der Verein Kultur & Gastronomie im September ein «Tag der offenen Clubtüren» veranstalten, an dem man hinter die Kulissen blicken kann – dort, wo die Technik stattfindet, die Visuals erstellt werden und «die ganze Arbeit passiert», erzählt Lüthy. In Zürich werde dieses Format schon seit Längerem erfolgreich durchgeführt.

Sieber_quer
Es ist richtig, dass ein Jugendkulturfestival auf dem Barfüsserplatz oder ein Floss am Kleinbasler Rheinufer frei zugänglich sind.
Johannes Sieber, glp-Grossrat

Ein anderes Argument für den schweren Stand der Clubs ist die Gratis-Konkurrenz. Besonders mit Blick auf kostenlose Festivals wird in Basel immer wieder darüber diskutiert, ob diese den Anschein erwecken, Kultur koste nichts? Als Bajour diese Frage des Tages der Community stellte, sagten zwei Drittel der Abstimmenden: «Nein, Gratis-Festivals ruinieren den Markt nicht.» Trotzdem ist die geringe Zahlungsbereitschaft für viele Betreiber*innen eine Realität. 

Über diese Gratwanderung macht sich auch GLP-Grossrat Johannes Sieber Gedanken. In einer schriftlichen Anfrage an den Regierungsrat schreibt er, es sei richtig, dass ein Jugendkulturfestival auf dem Barfüsserplatz oder ein Floss am Kleinbasler Rheinufer frei zugänglich sind «und wir die temporären kulturellen Spielstätten nicht hinter Gehegen verstecken, um sie nur durch Eintrittsgelder zugänglich zu machen». Sieber beobachtet aber, dass auch staatlich subventionierte Kulturinstitutionen Eintrittspreise «von - bis» einführen. Kultur werde also nicht mehr nur nach der Zahlungsmöglichkeit der Gäste, sondern nach ihrer Zahlungsbereitschaft angeboten. Sieber will deshalb vom Regierungsrat wissen, wie letztere gesteigert werden kann.

Fazit: Die finanzielle Lage ist trotz Clubförderung schwierig. Sie ist aber nicht aussichtslos. Patrick Wermelinger vom Renée fasst es so zusammen: «Die Clubförderung ist eine gute Sache, aber die, die dafür gestimmt haben, sollten auch regelmässiger Kultur konsumieren. Dann bräuchte es diese Subventionskultur weniger.»

In der Kuppel ist man optimistisch, dass auch wieder andere Zeiten kommen: «Irgendwann werden die jungen Leute kleine, dunkle Clubs mit Fotoverbot und ohne Handyempfang wieder schätzen lernen – als Flucht aus dieser digitalisierten Welt», sagt Lüthy. Vielleicht weckt die Basler Clubnacht ja bei der einen oder dem anderen die Lust, öfter mal wieder in die Nacht abzutauchen.

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Das ist Valerie (sie/ihr):

Nach einem ersten journalistischen Praktikum bei Onlinereports hat Valerie verschiedene Stationen bei der Neuen Zürcher Zeitung durchlaufen, zuletzt als Redaktorin im Bundeshaus in Bern. Es folgten drei Jahre der Selbständigkeit in Berlin, bevor es Valerie zurück nach Basel und direkt zu Bajour zog, wo sie nun im Politikressort tätig ist.

Helena Krauser

Das ist Helena (sie/ihr): Helena hat Kultur studiert, um über Kultur zu schreiben, während dem Studium aber in so vielen lokalen Redaktionen gearbeitet, dass sie sich in den Lokaljournalismus verliebt und die Kultur links liegen gelassen hat. Nach Bachelor und Praktika startete sie den zweiten Anlauf zur Versöhnung mit der Kunst, ein Master in Kulturpublizistik sollte es richten. Dann kam das Leben (Kinder, Festanstellung bei der bz) dazwischen. Finally beim FRIDA Magazin gab’s dann kurz richtig viel Kultur und die Entdeckung, dass mehr eben doch besser ist. Deshalb macht sie bei Bajour jetzt beides.

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